TE Vwgh Erkenntnis 2005/2/28 2004/03/0200

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Veröffentlicht am 28.02.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
92 Luftverkehr;

Norm

AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
LuftfahrtG 1958 §134a Abs1 idF 2003/I/073;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Berger, Dr. Lehofer und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der A-AG in W, vertreten durch Jarolim Specht Rechtsanwälte GmbH in 1020 Wien, Obere Donaustraße 63, gegen den Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 7. Oktober 2004, Zl. BMVIT- 63.124/0011-II/L3/2004, betreffend Bewilligung eines Sicherheitsprogramms, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid erteilte die belangte Behörde "dem Luftfahrtunternehmen A" gemäß Art. 5 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 2320/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt unter Vorschreibung von Auflagen "die Bewilligung für das Sicherheitsprogramm des Unternehmens."

Die Begründung des angefochtenen Bescheides lautet wörtlich:

"Gemäß der Verordnung (EG) 2320/2002 vom 16. Dezember 2002 ist der Schutz der Bürger in der Zivilluftfahrt jederzeit zu gewährleisten, indem unrechtmäßige Eingriffe verhindert werden.

Gemäß Artikel 5 dieser Verordnung sind u.a. zu diesem Zweck Sicherheitsprogramme von Luftfahrtunternehmen, die Österreich als Ausgangspunkt für Flugverkehrsleistungen nutzen, zu erstellen und dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie zur Genehmigung vorzulegen. Diese sind in der Folge zu überwachen.

Die Vorschreibung der genannten Auflagen sind zur Wahrung der Sicherheit der Luftfahrt erforderlich."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in eventu wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte einen Teil der Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die von der Beschwerdeführerin vorgelegte, ihr zugestellte Bescheidausfertigung ist an die "A" adressiert. In dem von der belangten Behörde vorgelegten Ausdruck eines Bestandteils ihres elektronischen Aktes ist in dem - sonst wortgleichen - Bescheid hingegen sowohl im Adressfeld als auch im Spruch die Bezeichnung

"A Group" sowie eine abweichende Zustell- bzw. Geschäftsanschrift enthalten. Auch wenn keine der beiden Bezeichnungen den korrekten Firmenwortlaut der Beschwerdeführerin wiedergeben, bestehen vor dem Hintergrund, dass die Bescheidadressatin ausdrücklich als Luftfahrtunternehmen angesprochen wird, keine Zweifel daran, dass der Bescheid gegenüber der Beschwerdeführerin erlassen wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2002, Zl. 2001/16/0273).

2. Art. 5 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 2320/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt lautet:

"Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Flughäfen in ihrem Hoheitsgebiet und Luftverkehrsunternehmen, die ihr Hoheitsgebiet als Ausgangspunkt für Flugverkehrsleistungen nutzen, eigene Sicherheitsprogramme erstellen, durchführen und weiterentwickeln, die den Anforderungen ihrer nationalen Sicherheitsprogramme für die Zivilluftfahrt entsprechen. Diese Programme werden der zuständigen Behörde zur Billigung vorgelegt und von ihr überwacht."

§ 134a Abs 1 Luftfahrtgesetz (LFG), BGBl. Nr. 253/1957 i.d.F. BGBl. I Nr. 73/2003, lautet:

"Genehmigungen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 2320/2002 für Flugplatzhalter, Luftverkehrsunternehmen, reglementierte Beauftragte oder reglementierte Postbehörden/-verwaltungen sind auf Antrag bei Vorliegen aller Voraussetzungen vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie zu erteilen, soweit diese Genehmigungen nicht vom Vollzugsbereich des Bundesministers für Inneres oder des Bundesministers für Landesverteidigung umfasst sind. Die vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie zu erteilenden Genehmigungen sind insoweit befristet, bedingt oder mit Auflagen zu erlassen, als dies im Interesse der Luftsicherheit im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 2320/2002 erforderlich ist. Diese Genehmigungen sind vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie zu widerrufen, wenn eine der Genehmigungsvoraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegt oder gegen Auflagen verstoßen wurde."

3.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass sie ein Sicherheitsprogramm erstellt und der belangten Behörde als oberster Zivilluftfahrtbehörde am 24. September 2003 zur Bewilligung vorgelegt habe. Die Bewilligung sei unter Vorschreibung von Auflagen mit (undatiertem) Bescheid erteilt worden. Der Bescheid sei der Beschwerdeführerin zugestellt und von dieser nicht angefochten worden.

"Ohne ihr Zutun" sei der Beschwerdeführerin am 13. Oktober 2004 der nunmehr angefochtene Bescheid der belangten Behörde zugestellt worden, in dem ihr nochmals die Bewilligung für ihr Sicherheitsprogramm erteilt worden sei, diesmal jedoch unter mehr und auch gänzlich anderen Auflagen. Der bereits vor Erlassung dieses Bescheides ergangene rechtskräftige Bewilligungsbescheid stehe einer neuerlichen Entscheidung in derselben Sache entgegen, sodass der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grunde rechtswidrig sei.

3.2. Die belangte Behörde gesteht in ihrer Gegenschrift zu, dass das Sicherheitsprogramm der Beschwerdeführerin bereits mit Bescheid vom 10. Oktober 2003 bewilligt worden sei (wobei das Datum auf der Ausfertigung des Bescheides irrtümlich nicht aufscheine). Da jedoch von der Europäischen Kommission im Rahmen einer Inspektion im März 2004 festgestellt worden sei, dass die Beschwerdeführerin ihren Verpflichtungen nicht ausreichend nachgekommen sei,

"bestand sowohl für die belangte Behörde als auch für die Beschwerdeführerin akuter Handlungsbedarf. Es wurden daher die von der EK geforderten notwendigen weiteren Schritte mit der Beschwerdeführerin in Sitzungen u.a. am 2. April 2004, am 5. Mai 2004, am 27. Mai 2004 und am 25. Juni 2004 eingehend und einvernehmlich besprochen (...)

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid ... sollte - nicht

zuletzt gegenüber der EK - dokumentiert werden, dass vom BMVIT gemeinsam mit der Beschwerdeführerin als betroffenes Luftfahrtunternehmen in den oben genannten Sitzungen ein Aktionsplan erstellt worden ist und die Beschwerdeführerin ihren Verpflichtungen gemäß den Verordnungen (EG) Nr. 2320/2002 und (EG) Nr. 622/2003 in Zukunft nachkommen wird. Die von der EK urgierten Verpflichtungen der Luftfahrtunternehmen wurden daher explizit in den Auflagen zum bewilligten Sicherheitsprogramm angeführt. Diese Verpflichtung bedeutet jedoch nicht, dass der Beschwerdeführerin neue Verpflichtungen auferlegt worden sind." (Hervorhebungen im Original)

4. Da die belangte Behörde, die auf die Säumnisfolge des § 38 Abs. 2 VwGG ausdrücklich hingewiesen wurde, die Akten des Verwaltungsverfahrens nur unvollständig und zudem teilweise nicht im Original vorgelegt hat, kann der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 38 Abs. 2 VwGG, insoweit die Akten fehlen oder auf Grund der nicht im Original erfolgten Aktenvorlage Zweifel an deren Inhalt bestehen, auf Grund der Beschwerdebehauptungen entscheiden.

Vor diesem Hintergrund ist der Entscheidung zu Grunde zu legen, dass das im September 2003 der belangten Behörde vorgelegte Sicherheitsprogramm der Beschwerdeführerin mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. Oktober 2003 unbefristet bewilligt wurde, sowie dass in der Folge weder ein Antrag der Beschwerdeführerin auf Bewilligung eines allenfalls abgeänderten Sicherheitsprogramms gestellt wurde, noch ein Widerruf der Genehmigung gemäß § 134a Abs. 1 LFG erfolgte.

5. Indem die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid - wenn auch unter Vorschreibung anderer Auflagen - neuerlich der Beschwerdeführerin für das von ihr (im September 2003) vorgelegte Sicherheitsprogramm die Bewilligung erteilte, hat sie über eine bereits rechtskräftig entschiedene Sache neuerlich entschieden und dadurch eine ihr nach dem Gesetz nicht zustehende Kompetenz in Anspruch genommen, sodass sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde belastet hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2004, Zl. 2002/10/0011).

6. Wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift darzulegen versucht, dass der Beschwerdeführerin mit dem angefochtenen Bescheid keine neuen Verpflichtungen auferlegt worden seien, so ist dem entgegenzuhalten, dass dies - selbst wenn diese Ausführungen zutreffen sollten - nichts am Vorliegen eines rechtskräftigen Bescheides in der gleichen Sache ändern würde. Der von der belangten Behörde vertretenen Auslegung, dass lediglich bereits bestehende Verpflichtungen "dokumentiert" werden sollten, steht schon der klare Wortlaut des Bescheidspruchs entgegen, wonach eine Bewilligung - unter Auflagen - erteilt wurde; zudem wäre eine bescheidmäßige Feststellung der für die Beschwerdeführerin geltenden Normen, wie dies die belangte Behörde offenbar vor Augen hat, unzulässig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. April 1987, Zl. 86/12/0109, VwSlg 12.455/A).

7. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da im zugesprochenen Pauschbetrag die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.

Wien, am 28. Februar 2005

Schlagworte

Rechtskraft Besondere Rechtsprobleme BerufungsverfahrenMaßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltAnzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseRechtsverletzung sonstige FälleInhalt des Spruches Anführung des BescheidadressatenAnspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung FeststellungsbescheideGrundsätzliches zur Rechtmäßigkeit und zur RechtsverletzungsmöglichkeitIndividuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1Rechtsgrundsätze Diverses VwRallg6/7

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004030200.X00

Im RIS seit

31.03.2005

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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