Norm
ABGB §1098Kopf
SZ 27/121
Spruch
Pflicht des Bestandnehmers zur Entfernung einer ohne baubehördliche Genehmigung errichteten, nachträglich von der Baubehörde als gesundheitsschädlich und feuergefährlich festgestellten Rauchabzugsleitung.
Entscheidung vom 5. Mai 1954, 3 Ob 287/54.
I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
Die Klägerin stellt das Begehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, die in dem von ihr gemieteten Kellerraum rechts vom Eingang des Hauses Graz-Eggenberg eingebaute Rauchabzugsleitung abzutragen und den früheren Zustand wieder herzustellen, mit der Begründung, der Beklagten sei als Mieterin der Klägerin von dieser zwar das Recht eingeräumt worden, allfällige Verbesserungen und Reparaturen im Bestandgegenstand ohne besondere Rücksprache mit der Klägerin auf eigene Kosten durchzuführen, doch habe die Beklagte ohne Genehmigung der Baubehörde im oben bezeichneten Kellerraum eine Rauchabzugsleitung herstellen lassen, die der Bauordnung widerspricht und als gesundheitsschädlich und feuergefährlich anzusehen ist, weshalb der Magistrat der Stadt Graz als Baubehörde mit Bescheid vom 20. Juni 1952 festgestellt habe, diese Kaminanlage widerspreche der Bauordnung und müsse entfernt werden. Es sei der Klägerin aufgetragen worden, den ohne Genehmigung errichteten Kaminzylinder (Mauerschlitz) zu vermauern, das verblechte Mauerwerk zu entfernen, den beschädigten Verputz abzutragen und wieder zu erneuern. Da die Beklagte trotz Aufforderung der Klägerin diesem Auftrag nicht nachgekommen sei, sei mit Bescheid vom 5. Dezember 1952 vom Magistrat der Stadt Graz die Ersatzvornahme angedroht worden.
Das Prozeßgericht wies das Klagebegehren ab.
Es stellt fest, daß die Klägerin der Beklagten nebst anderen Räumlichkeiten auch die gesamten Kellerräumlichkeiten des Hauses vermietet und ihr das Recht eingeräumt habe, allfällige Verbesserungen und Reparaturen ohne besondere Rücksprache mit der Klägerin, jedoch auf ihre (der Beklagten) Kosten durchführen zu lassen, und daß die Klägerin auf Grund des Bescheides des Baurechtsamtes des Magistrates der Stadt Graz vom 20. Juni 1952 verpflichtet wurde, den im Kellergeschoß ohne baubehördliche Genehmigung errichteten Kaminzylinder (Mauerschlitz) zu vermauern, das verblechte Mauerwerk abzutragen und den beschädigten Verputz abzutragen und zu erneuern, schließlich daß der Klägerin mit Bescheid vom 5. Dezember 1952 die Ersatzvornahme dieser Arbeiten angedroht wurde. Nach Meinung des Prozeßgerichtes sei die Beklagte, da der Mietvertrag keine Bestimmung enthalte, nach der die Beklagte verpflichtet sei, von ihr im Mietgegenstand vorgenommene, der Bauordnung widersprechende Maßnahmen auf eigene Kosten wieder zu entfernen, weder nach den einschlägigen Bestimmungen des ABGB. noch nach dem Inhalt des Bestandvertrages verpflichtet, die Arbeiten, deren Vornahme von der Klägerin begehrt wird, auf eigene Kosten durchführen zu lassen und den früheren Zustand wiederherzustellen, weshalb das Klagebegehren abzuweisen sei.
Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach seiner Rechtsansicht stütze die Klägerin schon nach der Klagserzählung ihren Anspruch auch auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes. Die Klägerin laste der Beklagten als Verschulden an, daß diese ihr durch die Übertretung öffentlich-rechtlicher Vorschriften den Schaden zugefügt habe, dessen Beseitigung sie nunmehr verlange. Die Beklagte habe dadurch, daß sie die Rauchabzugsleitung ohne baubehördliche Genehmigung errichten ließ, öffentlich-rechtliche Normen übertreten, was ihr als Verschulden anzurechnen sei. Durch den von der Baubehörde der Klägerin erteilten Auftrag sei dieser ein Schaden entstanden, dessen Ersatz sie von der Beklagten begehren könne und zwar primär in der Art, daß sie die Wiederherstellung des früheren Zustandes verlange.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Einen Mangel des Berufungsverfahrens erblickt die Revision darin, daß das Berufungsgericht festgestellt habe, die Beklagte habe die Rauchabzugsleitung im Winter 1948/1949 auf eigene Kosten ohne baubehördliche Genehmigung durch ihren damaligen Lebensgefährten errichten lassen, obwohl das Prozeßgericht derartige Feststellungen nicht vorgenommen habe und für diese Feststellungen auch gar keine Beweisunterlagen vorhanden seien.
Diesen Ausführungen muß Nachstehendes entgegengehalten werden: Die Beklagte hat die Klagebehauptung, sie habe die gegenständliche Rauchabzugsleitung ohne baubehördliche Genehmigung herstellen lassen, nicht nur nicht bestritten, sondern im Gegenteil sogar ausdrücklich zugegeben, daß sie die Rauchabzugsleitung im Winter 1948/1949 durch ihren Lebensgefährten habe errichten lassen, ohne auch nur zu behaupten, daß sie die baubehördliche Bewilligung eingeholt habe und daß ihr Lebensgefährte ein zur Herstellung von Rauchabzugsleitungen befugter Gewerbsmann sei (S. 23 des Aktes). Im Hinblick auf dieses Zugeständnis bedürfen diese Tatsachen gemäß § 266 ZPO. keines Beweises. Ein solches Zugeständnis kann daher auch dann, wenn das Prozeßgericht darüber keine Feststellungen vorgenommen hat, vom Berufungsgericht berücksichtigt werden. Es wäre widersinnig und würde dem Grundsatz der Prozeßökonomie widerstreiten, wenn im Falle als das Zugeständnis einer Prozeßpartei im Sinne des § 266 ZPO. vom Erstgericht unbeachtet gelassen wird, das Berufungsgericht dieses Zugeständnis nicht selbst berücksichtigen könnte, sondern das Urteil nur deshalb aufheben müßte, weil das Prozeßgericht auf dieses Zugeständnis nicht Bedacht genommen hat, obwohl das Zugeständnis sich aus dem Akteninhalt ergibt und vom Berufungsgericht daher wahrgenommen werden kann. Die Verwertung eines im Verfahren erster Instanz erfolgten Zugeständnisses einer Partei gemäß § 266 ZPO. durch das Berufungsgericht stellt daher keinen Mangel des berufungsgerichtlichen Verfahrens dar. Übrigens könnte der Oberste Gerichtshof, selbst wenn man in der Beachtung eines in erster Instanz unberücksichtigt gebliebenen Geständnisses eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erblicken wollte, diesen Mangel nicht wahrnehmen, weil die Beachtung des Geständnisses weder eine erschöpfende Erörterung noch eine grundliche Beurteilung der Streitsache zu hindern geeignet ist.
Was aber die weiteren Ausführungen der Revision zu diesem Revisionsgrunde gegen die Annahme einer Schadenersatzpflicht der Beklagten anlangt, so kann die Frage, ob die Beklagte zur Vornahme der von der Klägerin begehrten Leistungen aus dem Rechtsgrunde des Schadenersatzes verpflichtet sei, überhaupt auf sich beruhen, da, wie noch auszuführen sein wird, die Verpflichtung der Beklagten sich bereits aus dem Bestandverhältnis ergibt. Was die Behauptung der Revision anlangt, der Bescheid der Baubehörde gehe ins Leere, weil die Beklagte inzwischen die notwendigen Verbesserungen habe durchführen lassen, so ergibt sich die Unrichtigkeit dieses Vorbringens bereits aus dem Prozeßgericht vorgelegenen Bescheid des Baurechtsamtes des Magistrats der Stadt Graz vom vom 5. Dezember 1952, nach welchem auch im Zeitpunkt dieses Bescheides, somit nach der angeblichen Verbesserung der Rauchabzugsleitung durch die Beklagte die Gesundheitsschädlichkeit und Feuergefährlichkeit der Rauchabzugsleitung weiterbesteht, sowie aus der Note des Baurechtsamtes der Stadt Graz vom 7. April 1954, S. 85, des Aktes, nach der die aufgetragene Instandsetzung bis zu diesem Tage noch nicht erfolgt ist. Der Umstand, daß die Klägerin das Urteil des Prozeßgerichtes nur wegen unrichtiger öffentlich-rechtlicher Beurteilung angefochten hat, kann nicht aus dem Gesichtspunkte der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gerügt werden, das könnte, wenn überhaupt, nur als Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht werden. Daß aber darin eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht gelegen ist, ist bereits ausgeführt worden. Von einer Überschreitung des Berufungsantrages kann daher keine Rede sein und es ist auch das Verfahren vor den Berufungsgerichten mangelfrei geblieben.
Was aber die rechtliche Beurteilung anlangt, so kann eine Erörterung der von der Revision gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß die Klägerin sich auch auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes stütze und daß der Anspruch aus diesem Rechtsgrund gerechtfertigt sei, ins Treffen geführten Argumente unterbleiben, weil sich der Klagsanspruch bereits nach den Bestimmungen des ABGB. über die Pflichten des Bestandnehmers als berechtigt erweist. Gemäß § 1098 ABGB. ist der Mieter nur berechtigt, das Mietstück dem Vertrage gemäß zu gebrauchen und zu benützen. Nach dem zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Bestandvertrag hat die Beklagte wohl das Recht, allfällige Verbesserungen und Reparaturen ohne besondere Rücksprache mit der Mieterin auf eigene Kosten durchzuführen, es muß aber dabei, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, vorausgesetzt werden, daß die Beklagte bei Verbesserungen, die einer baubehördlichen Genehmigung bedürfen und nur von einem hiezu befugten Gewerbsmann ausgeführt werden dürfen, wie Anlegung einer Rauchabzugsleitung, die Verbesserungen von einem hiezu befugten Gewerbsmann ausführen läßt, der die notwendige baubehördliche Bewilligung einholt und die Verbesserungen sachgemäß und ohne Gefährdung des Hauses oder seiner Bewohner durchführt. Die Beklagte hat zugegeben, daß sie die Rauchabzugsleitung im Winter 1948/1949 durch ihren Lebensgefährten habe errichten lassen, sie hat aber weder behauptet, daß ihr Lebensgefährte ein zu diesen Arbeiten befugter Gewerbsmann sei, noch vor allem, daß sie die baubehördliche Genehmigung für die Errichtung dieser Anlage eingeholt habe. Aus dem vorgelegten Bescheid des Baurechtsamtes der Stadt Graz, einer öffentlichen Urkunde, die gemäß § 292 ZPO. vollen Beweis macht (denn ihr obliegenden Gegenbeweis gegen die Richtigkeit des Urkundeninhaltes hat die Beklagte nicht einmal angeboten), ergibt sich vielmehr, daß die Anlage ohne baubehördliche Genehmigung errichtet wurde und daß sie gesundheitsschädlich und feuergefährlich ist. Die weitere Aufrechterhaltung dieser Anlage stellt daher einen erheblich nachteiligen Gebrauch des Bestandgegenstandes dar, der die Klägerin sogar zur einseitigen Auflösung des Bestandvertrages gemäß § 1118 ABGB. berechtigt, daher ihr auch das Recht gibt, die Entfernung dieser gesundheitsschädlichen und feuergefährlichen Anlage von der Beklagten, die diese errichtet hat, zu verlangen. Die Ansicht des Prozeßgerichtes, die Beklagte sei weder nach den einschlägigen Bestimmungen des ABGB. noch nach dem Inhalt des Bestandvertrages verpflichtet, die Abtragungsarbeiten auf eigene Kosten durchführen zu lassen und den früheren Zustand wieder herzustellen, beruht daher auf einem offenkundigen Rechtsirrtum. Da die Beklagte selbst zugibt, die Anlage errichtet zu haben, und sich aus den Bescheiden des Baurechtsamtes der Stadt Graz vom 20. Juni und 5. Dezember 1952 ergibt, daß die Anlage ohne baubehördliche Genehmigung errichtet wurde, gesundheitsschädlich und feuergefährlich ist und daß dieser Zustand bisher nicht behoben wurde, bedarf es zur Entscheidung weder irgend welcher weiterer Beweisaufnahmen noch irgend welcher weiterer Feststellungen. Da die Beklagte nur eingewendet hat, sie habe durch ihren Schwiegersohn im Juni 1952 die bestandenen Mängel an der Rauchabzugsleitung beheben lassen, durch die vorerwähnten Bescheide aber festgestellt ist, daß die Gesundheitsschädlichkeit und Feuergefährlichkeit der ohne baubehördliche Genehmigung errichteten Anlage noch im Dezember 1952 nicht behoben war, bedarf es auch keiner Beweisaufnahme über die Richtigkeit der erwähnten Behauptung der Beklagten. Inwiefern das Begehren auf Entfernung einer feuergefährlichen und gesundheitsschädlichen Rauchabzugsleitung sittenwidrig und schikanös sein sollte, ist nicht erfindlich. Ob die Klägerin verpflichtet war, der Beklagten eine Rauchabzugsleitung beizustellen oder nicht, ist in diesem Verfahren, das lediglich die Entfernung einer von der Beklagten hergestellten gesundheitsschädlichen und feuergefährlichen Rauchabzugsleitung zum Gegenstande hat, nicht zu erörtern. Es bleibt der Beklagten unbenommen, ihre angeblichen Ansprüche gegen die Klägerin mittels einer Klage geltend zu machen, mit dem gegenständlichen Verfahren haben diese Ansprüche nichts zu tun.
Was schließlich die Einwendung der Revision anlangt, daß die Entfernung der Rauchabzugsleitung nur von einem befugten Gewerbsmann, nicht aber von der Beklagten durchgeführt werden könne, so übersieht die Beklagte, daß es sich bei der von der Klägerin begehrten Leistung nicht um eine solche handelt, die von der Beklagten nur persönlich erbracht werden kann und es daher der Beklagten frei steht, die Entfernung der von ihr errichteten Anlage durch einen befugten Gewerbsmann vornehmen zu lassen, wie ja auch die Klägerin auf Grund des Urteiles nur Exekution nach § 353 EO. und nicht nach § 354 EO. führen kann.
Anmerkung
Z27121Schlagworte
Bestandnehmer Pflichten des -, Entfernung Pflicht zur - einer Rauchabzugsleitung, Feuersgefahr für das Bestandobjekt, Rauchabzugsleitung, gesundheitsschädlicheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1954:0030OB00287.54.0505.000Dokumentnummer
JJT_19540505_OGH0002_0030OB00287_5400000_000