Norm
ABGB §1152Kopf
SZ 27/147
Spruch
Verjährung des Lohnanspruches eines am elterlichen Hofe arbeitenden Kindes, dem die Hofübernahme versprochen war, beginnt im Zeitpunkt der bücherlichen Übergabe an einen anderen, also dem Zeitpunkt, wo die Einhaltung des Übergabsversprechens an das weichende Kind rechtlich unmöglich wird.
Das Prozeßvorbringen in einem Rechtsstreit kann nicht die Entscheidungsgrundlage für einen anderen Rechtsstreit bilden.
Entscheidung vom 25. Mai 1954, 4 Ob 73/54.
I. Instanz: Arbeitsgericht Hartberg; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
Der Kläger fordert Barentlohnung für Arbeitsleistung vom Jahre 1918 bis zum Jahre 1945 auf der landwirtschaftlichen Liegenschaft seiner Mutter, der Zweitbeklagten, von dieser und vom Erstbeklagten, seinem Bruder als Hofübernehmer, zur ungeteilten Hand, weil die Zweitbeklagte ihre Zusage ihm, dem Kläger, den Hof zu übergeben, nicht eingehalten habe und auch nicht bereit sei, diese Zusage einzuhalten. Die beklagten Parteien haben Verjährung und, soweit sich der Klagsanspruch auf die Jahre 1944 und 1945 bezieht, auch rechtskräftig entschiedene Streitsache eingewendet.
Der Kläger hat am 13. Jänner 1947 gegen die Zweitbeklagte eine Forderung in der Höhe von 1700 S gerichtlich geltend gemacht; er forderte Lohn für die Jahre 1944 und 1945 in der Höhe von 1200 S und Ersatz von Aufwendungen auf die mütterliche Liegenschaft im Betrage von 500 S. Zur Begründung seiner Klage führte der Kläger damals aus, er sei Ende 1945 gezwungen gewesen, die Liegenschaft seiner Mutter, auf der er seit 1918, seit der Scheidung seiner Eltern, als Wirtschaftsführer gearbeitet habe, zu verlassen, obwohl ihm von der Mutter die Hofübernahme versprochen gewesen sei. Gegen das in diesem Verfahren am 12. März 1947 vom Bezirksgericht Hartberg zu GZ C 11/47 gefällte Versäumnisurteil hat die damalige Beklagte, die Zweitbeklagte im vorliegenden Prozeß, vergeblich berufen.
Das Erstgericht hat den vorliegenden Klagsanspruch wegen Verjährung und wegen entschiedener Streitsache abgewiesen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge.
Der Oberste Gerichtshof hob aus Anlaß der Revision die Urteile der ersten und zweiten Instanz, soweit sie den vom Kläger für die Jahre 1944 und 1945 erhobenen Anspruch abgewiesen haben, auf, erklärte das Verfahren der ersten und zweiten Instanz in diesem Umfange für nichtig und wies die Klage insoweit wegen entschiedener Streitsache zurück.
Im übrigen hob der Oberste Gerichtshof die Urteile erster und zweiter Instanz auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Erstgericht hat angenommen, und das Berufungsgericht hat diese Annahme übernommen, daß der Kläger bereits im Zeitpunkte der Einbringung seiner früheren Klage (C 11/47 des Bezirksgerichtes Hartberg), also am 31. März 1947, mit Sicherheit gewußt habe, es werde ihm die Zweitbeklagte den Hof nicht mehr übergeben. Der aus dieser Annahme gezogene Schluß, daß die Fälligkeit einer Entschädigungsforderung wegen Nichterfüllung der zugesagten Hofübergabe mit diesem Zeitpunkt eingetreten sei, ist an sich schon nicht unbedenklich; denn es kommt nicht auf die subjektive Ansicht des Klägers an, sondern darauf, ob objektiv hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme vorlagen, daß mit der Erfüllung der Zusage nicht mehr zu rechnen sei. Solange die Mutter den Hof nicht jemand andern übergeben hatte, konnte sie bis zu ihrem Tod ihr Versprechen noch erfüllen. Es beruht aber die Feststellung überdies auf einem Verfahrensmangel und durfte vom Berufungsgericht nicht übernommen werden, ohne sich auch selbst der Rüge der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens auszusetzen. Der Feststellung - weil sie ausschließlich auf Grund von Urkunden beruht, könnte sie auch als eine rechtliche Beurteilung betrachtet werden - haben die beiden Vorinstanzen ausschließlich das Prozeßvorbringen des Klägers in dem früheren Prozeß C 11/47 zugrunde gelegt, der mit Versäumungsurteil gemäß § 396 ZPO. entschieden wurde. Gemäß § 396 ZPO. war das auf den Gegenstand des Rechtsstreites bezügliche tatsächliche Vorbringen für wahr zu halten, das gilt aber nicht für den vorliegenden Prozeß.
Prozeßvorbringen in einem bestimmten Prozeß kann, selbst wenn ein Beweisverfahren durchgeführt wurde, nicht die Entscheidungsgrundlage in einem anderen Prozeß bilden. Tatsachenbehauptungen haben anders als Rechts- und Erfahrungssätze keine allgemeine Bedeutung und Geltung, sondern eine solche nur für die Entscheidungen eines bestimmten Rechtsschutzanspruches, zu dem sie vorgebracht wurden. Es durfte daher weder das Erstgericht noch das Berufungsgericht Prozeßbehauptungen des Klägers aus dem früheren Prozeß seiner Entscheidung zugrunde legen, wenn der Kläger in dem neuen Prozeß entsprechende Tatsachenbehauptungen nicht aufgestellt hat. Aus dem Umstand allein, daß die frühere Klage Erfolg hatte, folgt noch nicht, daß der Anspruch auf Entschädigung wegen Nichteinhaltung des Versprechens der Hofübergabe schon im Jahre 1947 fällig war. Die dem früheren Urteil zugrunde liegende Ansicht ist für den vorliegenden Rechtsstreit nicht verbindlich. Das frühere Urteil ist aber für den vorliegenden Rechtsstreit ein Prozeßhindernis, insoweit als im vorliegenden Rechtsstreit derselbe Anspruch, nämlich ein Anspruch für die Jahre 1944 und 1945, geltend gemacht wird. Insoweit war daher die Klage wegen Rechtskraft der Vorentscheidung zurückzuweisen.
Anmerkung
Z27147Schlagworte
Hof, Lohnanspruch des Kindes für Arbeit am elterlichen -, Hofübernahme, Lohnanspruch, Lohnanspruch des am Hofe arbeitenden Kindes, Übergabsversprechen, Verjährung des Lohnanspruches, Verjährung des LohnanspruchesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1954:0040OB00073.54.0525.000Dokumentnummer
JJT_19540525_OGH0002_0040OB00073_5400000_000