Norm
Auslandstitelbereinigungsgesetz §115Kopf
SZ 27/176
Spruch
Zuständigkeit der inländischen Gerichte zur Kraftlosigkeit Erklärung der Wiener Dollaranleihe 1927.
Entscheidung vom 16. Juni 1954, 3 Ob 388, 389/54.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Vom Antragsteller wurde bei dem Landesgericht für ZRS. Wien die Kraftloserklärung folgender Wertpapiere beantragt: 4 Stück 6%ige Wiener Stadtanleihe 1927 a 1000 Dollar Nr. 13.665, 27.462, 27.463 und 27.464 samt Coupons per 1. Mai 1940 bis 1. November 1952.
Das Landesgericht für ZRS. Wien sprach seine Unzuständigkeit mit der Begründung aus, es handle sich bei den gegenständlichen Schuldverschreibungen um solche, die in § 1 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1953, BGBl. Nr. 22/1954 (Auslandstitel-Bereinigungsgesetz), angeführt seien, somit um ausländische Wertpapiere, für deren Kraftloserklärung es an einer inländischen Kompetenzbestimmung fehle.
Diesen Beschluß hob das Oberlandesgericht Wien als Rekursgericht infolge Rekurses des Antragstellers auf und trug dem Erstgericht nach Verfahrensergänzung eine neuerliche Entscheidung auf. Es sei rechtlich verfehlt, von der Tatsache, daß die gegenständlichen Wertpapiere im Anhang zum Auslandstitel-Bereinigungsgesetz angeführt sind, auf die Qualifikation einer ausländischen Urkunde zu schließen. Punkt 4 der Kundmachung Nr. 1 der Oesterreichischen Nationalbank unterscheide zwischen ausländischen Wertpapieren einerseits und österreichischen Auslandstiteln anderseits. Die gegenständlichen Wertpapiere seien von einer juristischen Person im Gebiete der Republik Österreich ausgestellt worden, so daß erstere Schuldnerin geworden sei. Daran vermöge auch die Tatsache nichts zu ändern, daß ausländische Staaten eine allfällige Zahlungsgarantie übernommen haben. Auch die Begebung der Papiere im Ausland stehe der obigen Rechtsansicht nicht entgegen. Die gegenständlichen Wertpapiere können daher keinesfalls als ausländische Urkunden angesehen werden "weshalb die Zuständigkeit der österreichischen Gerichte zur Kraftloserklärung gegeben erscheine.
Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Rekurs der Stadt Wien, in welchem die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses beantragt und ausgeführt wird, daß die Schuldverschreibungen über die Dollaranleihe 1927 in New York ausgestellt worden seien und nach den Anleihebestimmungen "nach den Gesetzen des Staates New York Vereinigte Staaten von Amerika ausgelegt" werden müssen.
Der Rekurs blieb ohne Erfolg.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Dem Erstgericht ist ein Rechtsirrtum unterlaufen, wenn es österreichische Auslandstitel den ausländischen Wertpapieren gleichstellt. Schon in § 15 Abs. 1 lit. d des Devisengesetzes wird zwischen ausländischen Wertpapieren und österreichischen Auslandstiteln unterschieden. Nach der Kundmachung Nr. 1 der Oesterreichischen Nationalbank fallen unter österreichische Auslandstitel alle seinerzeit von Inländern im Ausland begebene Schuldverschreibungen. Nur solche österreichische Auslandstitel hat aber das Auslandstitel-Bereinigungsgesetz im Auge, welches in erster Linie die Aufgabe hat, klarzustellen, welche der noch im Verkehr befindlichen Auslandstitel als rechtmäßiger Umlauf anzusehen sind und gegen den Aussteller geltend gemacht werden können (vgl. Regierungsvorlage zum Auslandstitel-Bereinigungsgesetz, Nr. 161 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates).
Die in Rede stehenden 6%igen (Gold-)Obligationen haben eine am 1. November 1952 fällig gewordene Auslandsanleihe der Stadt Wien zum Gegenstand und es hat die Stadt Wien die Verpflichtung zur Erfüllung der urkundlich verpflichteten übernommen. Schuldnern aus dem Wertpapier ist somit eine inländische, den österreichischen Gesetzen unterliegende Gebietskörperschaft öffentlichen Rechtes. Es kann demnach keinem Zweifel unterliegen, daß es sich bei den gegenständlichen Schuldverschreibungen um Kreditpapiere handelt, die "den Staatsobligationen gleichzuachten sind" und für deren Kraftloserklärung daher grundsätzlich die Zuständigkeit der inländischen Gerichte gegeben ist (§ 115 JN.).
Die gegenständlichen Obligationen wurden von der National City Bank of New York in der Stadt und Staat New York, Vereinigte Staaten von Amerika, für die Stadt Wien und in ihrem Namen ausgestellt. Die "Bank" fungierte hiebei als "Fiscal Agent" (Wertpapieremissionsstelle). Laut der zwischen der Stadt Wien und der "Bank" im einzelnen getroffenen Anleihebestimmungen hat erstere sich u. a. für einverstanden erklärt, "daß sie im Falle Bonds oder Zinsenkupons verstümmelt oder zerstört wurden oder aber verlorengingen, sie ausgeben und die 'Bank' als 'Fiscal Agent' veranlassen wird, einen neuen Bonds im gleichen Nominalwert, Inhalt und Datum zu beglaubigen und auszugeben als Tausch und Ersatz für und nach Annulierung des so verstümmelten Bonds oder Zinsenkupons oder an Stelle und als Ersatz für den Bonds und seine Zinsenkupons, der so zerstört wurde oder verlorenging; aber in jedem Falle nur gegen Übergabe einer die "Stadt" und die "Bank" befriedigenden Schadloshaltung und im Falle der Zerstörung oder des Verlustes eines Bonds oder von Zinsenkupons, gegen Erlag eines die "Stadt" und die "Bank" befriedigenden Beweises für die Zerstörung oder den Verlust."
Die Anleihebestimmungen enthalten die für die Vertragsparteien und deren bezügliche Nachfolger und Rechtsnachfolger bindende und berechtigende Generalklausel, daß alle Abmachungen "im Sinne der Gesetze des Staates New York, Vereinigte Staaten von Amerika, ausgelegt" werden sollen.
Die Stadt Wien als Rekurswerberin vermeint nun aus der erwähnten Generalklausel folgern zu müssen, daß die Zuständigkeit der österreichischen Gerichte für die Kraftloserklärung nicht gegeben sei.
Dieser Aufaßung kann nicht gefolgt werden.
Welche Abmachungen immer die beiden Vertragsteile ("Stadt" und "Bank") hinsichtlich der Führung des Beweises über Verlust und Zerstörung einer Schuldverschreibung getroffen haben mögen, so könnten hiedurch die Bestimmungen des § 115 JN. keinesfalls wirksam ausgeschaltet werden. Ob einem über ein inländisches Wertpapier gefällten Amortisationserkennntnis eines inländischen Gerichtes im Staat New York die Anerkennung versagt wird, ist in diesem Verfahren nicht zu erörtern. Infolgedessen kann es dem Antragsteller nicht verwehrt werden, seinen Rechtsschutzanspruch auf Kraftloserklärung der gegenständlichen inländischen Wertpapiere bei dem nach § 115 JN. zuständigen inländischen Gericht geltend zu machen.
Anmerkung
Z27176Schlagworte
Amortisation der Wiener Dollaranleihe, Zuständigkeit, Dollaranleihe, Kraftloserklärung der Wiener -, Gerichtsbarkeit inländische -, für Amortisation der Wiener Dollaranleihe, Inländische Gerichtsbarkeit, Amortisation einer Dollaranleihe, Kraftloserklärung der Wiener Dollaranleihe, Zuständigkeit, Zuständigkeit für Kraftloserklärung der Wiener DollaranleiheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1954:0030OB00389.54.0616.000Dokumentnummer
JJT_19540616_OGH0002_0030OB00389_5400000_000