SZ 27/177
Judikat 60.
I. Durch § 14 Abs. 2 AußstrG. und § 502 Abs. 2 ZPO. wird eine Anfechtung der Entscheidung zweiter Instanz ausgeschlossen, soweit Verfahren und Entscheidung die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche zum Gegenstand haben. Das Rechtsmittel an die dritte Instanz ist also insbesondere zulässig, wenn die Anfechtung die Entscheidung über den Grund des Anspruches oder über verfahrensrechtliche Voraussetzungen betrifft.
II. Zur Bemessung gehört die Beurteilung
1. der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten, 2. der zur Deckung dieser Bedürfnisse vorhandenen Mittel, die vor der Leistung des Unterhaltspflichtigen heranzuziehen sind (wie Vermögen, Einkommen, Arbeitsfähigkeit des Unterhaltsberechtigten, Leistungen anderer Personen), 3. der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen.
III. Die Beurteilung dieser Umstände durch die zweite Instanz ist auch dann nicht anfechtbar, wenn es strittig ist, ob sie zur völligen Ablehnung eines Anspruches auf Unterhaltsleistung führt.
IV. Der Beurteilung des Obersten Gerichtshofes steht aber die Frage offen, ob und inwieweit die Bemessung eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches von der Wirksamkeit oder der Auslegung einer vertraglichen Regelung abhängt.
V. Die Rechtsmittelbeschränkung gilt auch für einstweilige Verfügungen, mit denen ein gesetzlicher Unterhalt vorläufig bemessen wird, nicht aber für Oppositionsprozesse und nicht für andere Prozesse, in denen die Bemessungsfrage eine materiellrechtliche Vorfrage bildet.
Gutachten des Obersten Gerichtshofes vom 19. Juni 1954, Präs 325/53.
Begründung:
Nach § 14 Abs. 2 AußStrG. sind u. a. auch Rekurse gegen die Entscheidung der zweiten Instanz über die Bemessung der gesetzlichen Unterhaltsansprüche unzulässig. In der Frage, was hiebei als Bemessung zu verstehen ist, gehen die Meinungen der Mitglieder des Obersten Gerichtshofes vielfach auseinander. Dieser Umstand führt dazu, daß Senate des Obersten Gerichtshofes einander widersprechende Entscheidungen beschließen, so zwar, daß Rekurse der eingangs erwähnten Art bald als zulässig, bald als unzulässig erklärt werden. Um in dieser wichtigen, immer wieder auftretenden Rechtsfrage eine einheitliche Rechtsprechung zu erzielen, hat sich der Erste Präsident des Obersten Gerichtshofes entschlossen, die Frage dem Plenarsenat zur Entscheidung vorzulegen. Im Laufe der Beratungen wurde die Fragestellung auf die Bedeutung der ähnlichen Bestimmungen des § 502 Abs. 2 ZPO. ausgedehnt, die einen weiteren Rechtszug gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes über die Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes für unzulässig erklärt.
Der Ausdruck "Entscheidung über die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche (des gesetzlichen Unterhaltes)" ist nur verständlich, wenn ihm die Bedeutung "Entscheidung über das Bemessungsproblem" beigelegt wird.
Schon die Wortinterpretation führt also zur Erkenntnis, daß nicht das Dekret als ganzes unanfechtbar sein soll, womit alle materiellrechtlichen und verfahrensrechtlichen Fehler jeder weiteren Beachtung entzogen wären, sondern daß nur ein Teil der beurteilenden Tätigkeit des Gerichtes zweiter Instanz und ihres Ergebnisses der Anfechtung entzogen ist.
Die Erscheinung, daß die Unanfechtbarkeit nicht die Entscheidung an sich erfaßt, sondern auf gewisse Fehler beschränkt ist, kommt auch sonst vor. Im Verfahren außer Streitsachen können konforme Entscheidungen nur aus den in § 16 angeführten Gründen, im Zivilprozeß die Bagatellurteile nur wegen gewisser Nichtigkeiten, die Urteile der Berufungsgerichte nur aus den Gründen des § 503 ZPO. angefochten werden. In diesen Fällen wird allerdings die Grenze zwischen Anfechtbarkeit und Unanfechtbarkeit durch die Anführung des Gebietes der Anfechtbarkeit bezeichnet und ist es die Qualität der Fehler, auf die es ankommt, während im gegenständlichen Fall das Gebiet der Unanfechtbarkeit durch die Bezeichnung der Voraussetzungen des Anspruches umgrenzt wird, deren Beurteilung durch die zweite Instanz unanfechtbar ist, welche Fehler immer dabei unterlaufen sein mögen.
Allerdings widerspricht die Stelle, an der sich die gesetzlichen Bestimmungen finden, dieser Auffassung. Die Entscheidungen über die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche sind in § 14 Abs. 2 AußstrG. eingebettet zwischen den Entscheidungen über einen Beschwerdegegenstand, der 500 S nicht übersteigt, und den Entscheidungen über den Kostenpunkt und über Gebühren der Sachverständigen. In den hier genannten anderen Fällen handelt es sich um wahre Vollunanfechtbarkeiten. In gleicher Weise ist im § 502 Abs. 2 ZPO. die Unanfechtbarkeit in der Bemessungsfrage mit der Vollunanfechtbarkeit der Entscheidungen des Berufungsgerichtes in Bagatellsachen zusammengespannt.
Wie es zu dieser Fehleinreihung kam, darüber klären die Bemerkungen der Regierungsvorlage zu Art. VIII der Fünften Gerichtsentlastungsnovelle (Nationalrat II. Gesetzgebungsperiode, Beilage 304 S. 25 ff.) auf, durch die die zu untersuchende Bestimmung dem § 14 AußstrG. eingefügt wurde. Damals fehlte noch der erst durch Artikel IV der Siebenten Gerichtsentlastungsnovelle der zu prüfenden Bestimmung vorangesetzte erste Fall - Beschwerdegegenstand bis 500 S. Sie wurde zunächst nur dem mit Art. X der Ersten Gerichtsentlastungsnovelle eingeführten dritten Falle - Kostenpunkt und Sachverständigengebühren - vorangesetzt. Die Bemerkung lautet:
"Zur Ermittlung der richtigen Höhe eines Unterhaltsanspruches ist der Oberste Gerichtshof weniger geeignet als das Rekursgericht, das den Parteien näher ist und die örtlichen Verhältnisse und Gewohnheiten, von denen vielfach die Bemessung abhängt, besser überschauen kann. Rechtsfragen schwierigerer Natur sind dabei in aller Regel nicht zu lösen. Es soll daher der Revisionsrekurs in solchen Sachen ausgeschlossen sein, auch wenn abweichende Entscheidungen der Untergerichte vorliegen. Die Beschränkung tritt nur im außerstreitigen Verfahren ein, wo die Frage der Unterhaltspflicht selbst nicht bestritten ist. Eine sachliche Benachteiligung berechtigter Interessen ist ausgeschlossen. Für den Obersten Gerichtshof bedeutet der Entfall solcher Rekurse aber eine nicht unwesentliche Entlastung."
Aus dieser Bemerkung ergibt sich zwar, daß der Gesetzesverfasser nur an die bemessende Tätigkeit des Rekursgerichtes gedacht hat, daß er aber dennoch meinte, das Anfechtungsverbot hinsichtlich der bemessenden Beurteilung komme einem vollen Anfechtungsverbot gleich. Weil im Außerstreitverfahren in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle wirklich nur die Bemessungsfrage eine Rolle spielt, wurde übersehen, daß doch auch die Fragen nach dem Gründe des Anspruches und nach dem Vorliegen prozessualer Voraussetzungen für die Geltendmachung des Anspruches auftreten können. Die Worte: " ... im außerstreitigen
Verfahren, ... wo die Frage der Unterhaltspflicht nicht bestritten
ist" sind insofern richtig, als der Außerstreitrichter in der Regel für die Bemessung nicht zuständig ist, wenn der außereheliche Vater seine Vaterschaft bestreitet. Ist diese aber schon durch ein Urteil oder ein Anerkenntnis festgestellt, hat der Außerstreitrichter die Unterhaltspflicht auch dem Gründe nach zu bejahen, selbst wenn der Belangte sie bestreiten sollte. Ähnlich steht es, wenn der eheliche Vater oder die ehelichen väterlichen Großeltern, die etwa gegen sie streitende Vermutung des § 138 ABGB. bekämpfen wollten. Es ist aber auch der Fall denkbar, daß vor dem Außerstreitrichter eine Kindesunterschiebung, die Unrichtigkeit der Abstammungsdokumente behauptet wird oder daß auch die eheliche Abstammung erst nachgewiesen werden muß. Der Außerstreitrichter wird wohl in diesen Fällen die Parteien auf den Rechtsweg verweisen. Aber allen seinen Entscheidungen muß die - in der Regel - einfache und daher kaum in Erscheinung tretende Prüfung vorausgehen, ob die Voraussetzungen der Unterhaltspflicht festgestellt sind, ob er zuständig ist, sie festzustellen, oder ob er die Feststellung dem Rechtsweg überlassen soll.
Der Gesetzesverfasser der Fünften Gerichtsentlastungsnovelle hat also in der Begründung zu Unrecht angenommen, daß im außerstreitigen Verfahren der Bestand des Unterhaltsanspruches keine Rolle spiele, und die Möglichkeit prozessualer Einwendungen sowie von Fehlentscheidungen übersehen, bei denen der Außerstreitrichter seine Kompetenz überschreitet. Er war zu Unrecht der Meinung, eine Vollunanfechtbarkeit zu statuieren.
Die Sechste Gerichtsentlastungsnovelle hat die gleiche Beschränkung der Anfechtbarkeit für das Streitverfahren eingeführt. Nach der Regierungsvorlage (Nationalrat III. Gesetzgebungsperiode, Beilage 298) sollte in § 502 ZPO. die Bestimmung aufgenommen werden: "In Bagatellsachen und in Streitigkeiten über die Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes ist gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes ein weiterer Rechtszug unzulässig." Die Regierungsvorlage gab folgende Begründung (S. 19): "Der Ausschluß der Revision in Streitigkeiten über die Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes geht auf eine Anregung des Obersten Gerichtshofes zurück. Er ist sachlich unbedenklich, weil nur der Streit über das Ausmaß, nicht aber über die Verpflichtung zur Unterhaltsleistung der Anfechtung in dritter Instanz entzogen wird, und vor allem deshalb gerechtfertigt, weil die Anrufung des Obersten Gerichtshofes bei außerstreitiger Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche schon gegenwärtig unzulässig ist (§ 14 AußstrG. in der Erfassung der Fünften Gerichtsentlastungsnovelle). Für das Ausmaß des Rechtszuges soll nicht der Umstand entscheidend sein, ob ganz gleich gelagerte Rechtssachen das eine Mal im streitigen, das andere Mal im außerstreitigen Verfahren erledigt werden."
Allerdings wurde noch rechtzeitig erkannt, daß die zunächst vorgeschlagene Textierung mit § 14 AußstrG. und der Begründung nicht im Einklang steht (Nobl AnwZ. 1929 S. 171). Denn wenn der Rechtsmittelausschluß für die Streitigkeiten über die Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes gelten sollte, dann mußte er nicht nur die Entscheidung des Berufungsgerichtes in ihrem vollen Umfang, sondern auch alle im Laufe des Berufungsverfahrens ergangenen prozessualen Zwischenentscheidungen umfassen. Der Justizausschuß (Nationalrat III. Gesetzgebungsperiode, Beilage 338) formulierte also die nun geltende Fassung in völliger Übereinstimmung mit § 14 Abs. 2 AußstrG. (der Gebrauch des Wortes "Unterhaltsansprüche" hier und "Unterhalt" dort ist ohne Bedeutung): "Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes in Bagatellsachen und über die Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes ist ein weiterer Rechtszug unzulässig." Die Begründung sagt hiezu (S. 5): "Die Änderung will nur klar zum Ausdruck bringen, daß die Revision - entsprechend dem außerstreitigen Verfahren - selbstverständlich nur dann ausgeschlossen sein soll, wenn wirklich bloß das Ausmaß des Unterhaltes in Frage steht, nicht aber, wenn in dem Urteile sich auch die Entscheidung über Nebenfragen, z. B. über die Zuständigkeit, den Grund des Anspruches usw., findet."
Gerade die letzten Ausführungen der Begründung lassen mit voller Deutlichkeit erkennen, was den Verfassern des Gesetzes vorschwebte. Nur die rein bemessende Tätigkeit der zweiten Instanz sollte einer Überprüfung entzogen werden. Obwohl dem Gesetzgeber der Sechsten Gerichtsentlastungsnovelle also klar war, daß nicht eine volle Unanfechtbarkeit, sondern nur eine beschränkte eingeführt werden sollte, unterlief dasselbe Versehen wie im Außerstreitgesetz. Die Bestimmung wurde mit der absoluten Unanfechtbarkeit der Entscheidungen des Berufungsgerichtes in Bagatellsachen gekoppelt.
Aus der Einreihung der zu prüfenden Bestimmungen können jedoch Schlüsse nicht gezogen werden, da die wörtliche Auslegung und die Entstehungsgeschichte der Bestimmungen übereinstimmend zu dem Ergebnis führen, daß nur die Anfechtung in der Bemessungsfrage ausgeschlossen werden sollte. Aus der Einreihung und der Diktion des Gesetzes kann aber das Ergebnis abgeleitet werden, daß die Unanfechtbarkeit hinsichtlich der Bemessung wie die volle Unzulässigkeit des Rechtsmittels zu behandeln ist. Beschwerden an die dritte Instanz, die nur die Bemessungsfrage betreffen, sind also schon von den Unterinstanzen zurückzuweisen.
Die Anfechtbarkeit der Entscheidungen in bezug auf den Grund des Anspruches wird wohl allgemein anerkannt. Hier ist nur die später zu behandelnde Abgrenzung zwischen Bemessung und Grund des Anspruches strittig. Nicht so einheitlich ist die Auffassung hinsichtlich der prozessualen Entscheidungen. Die Unanfechtbarkeit wurde auch auf im Verfahren ergangene prozessuale Entscheidungen ausgedehnt. Es wurde entgegen der entwickelten Ansicht in den Entscheidungen SZ. XXIII/24 = JBl. 1950 S. 271, ZBl. 1932 Nr. 280, 1 Ob 676/52 die Zurückweisung des Rechtsmittels als verspätet oder aus formellen Gründen, in 2 Ob 340/5I die Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages im außerstreitigen Verfahren, im ZBl. 1931 Nr. 119 die Entscheidung über die Streitanhängigkeit, in 2 Ob 851/52 die Entscheidung über die Nichtigkeit (§§ 405, 477 Abs. 1 Z. 5 ZPO.) als nicht revisibel bezeichnet. Dagegen wurde im Sinne der vorstehenden Ausführungen in SZ. XIII/61 die Entscheidung über die Frage der Nichtigkeit, in SZ. XIX/300, EvBl. 1951 Nr. 473, 2 Ob 795/51, 3, Ob 526/52, 3 Ob 98/54 die Entscheidung über die Rechtzeitigkeit eines Rechtsmittels der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof offengehalten.
Unter den Tatbeständen, die die Voraussetzungen eines Anspruches bilden, finden sich Umstände, deren Vorhandensein eine absolute Voraussetzung des Anspruches bildet, ohne daß sie für die Höhe des Anspruches maßgebend sein könnten, aber auch solche Umstände von deren gleitender Gestaltung die Höhe des Anspruches abhängt. Diese letzteren Umstände sind es, die bei der Bemessung zu prüfen sind.
Die Höhe eines Alimentationsanspruches ist von folgenden gleitenden Voraussetzungen abhängig:
1. von der Höhe der Bedürfnisse des Berechtigten,
2. von der Höhe der Mittel, die zur Befriedigung dieser Bedürfnisse zur Verfügung stehen und vor den Unterhaltsleistungen des Belangten hiezu heranzuziehen sind, das sind a) das Vermögen und Einkommen des Berechtigten und - dem gleichzusetzen - die Fähigkeit und Möglichkeit, selbst ein Einkommen zu erzielen, b) Leistungen anderer gesetzlich oder vielleicht auch nur vertraglich zur Alimentation verpflichteter Personen,
3. von den Mitteln des Alimentationspflichtigen.
Das Gesetz stellt keine Berechnungsmethode zur Verfügung, die eine Ermittlung der Höhe des Unterhaltsanspruches aus diesen Umständen nach gebundenen Regeln zuließe. Es ist vielmehr dem Ermessen der Gerichte überlassen, aus den festgestellten Verhältnissen auf die Höhe des Anspruches zu schließen.
Die Revision ist demgemäß ausgeschlossen, wenn nur geltend gemacht wird, daß sich bei entsprechender Berücksichtigung der oben erwähnten drei Umstände ein höherer oder niedrigerer Unterhaltsbetrag ergebe als der, den die zweite Instanz bestimmt hat. Jede Messung und jede Bemessung kann jedoch auch den Wert Null ergeben. Die Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten können durch sein Einkommen oder die Leistungen eines primär Unterhaltsverpflichteten gedeckt sein, die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen kann aufgehoben sein. Dann besteht ein Anspruch des Berechtigten ebensowenig wie wenn eine der sonstigen Voraussetzungen des Anspruches fehlt. Hier zeigt sich, daß die Frage nach der Höhe des Anspruches insofern auch eine nach dem Bestand des Anspruches ist. Dies tritt besonders häufig bei der Frage der Selbsterhaltungsfähigkeit und der subsidiären Unterhaltspflicht in Erscheinung. Es taucht damit die Frage auf, ob die Revision auch dann ausgeschlossen ist, wenn das Gericht zweiter Instanz den Alimentationsanspruch deswegen ablehnt, weil er mit Null zu bemessen ist, oder wenn geltend gemacht wird, daß er aus diesem Gründe abzulehnen wäre. Die Entscheidungen SZ. IX/129, SZ. XXII/95, SZ. XXII/140, AnwZ. 1932 S. 359, JBl. 1936 S. 54, 3 Ob 284/52, 2 Ob 342/53 haben die Revision in solchen Fällen zugelassen. Bezeichnend ist die Entscheidung AnwZ. 1935 S. 36: Das Berufungsgericht hat die Alimentation für die Gattin nicht dem Begehren des Gatten gemäß ganz eingestellt, sondern auf 30 S herabgesetzt. Die Entscheidung würde dem Kläger die Revisionsmöglichkeit zusprechen, versagt sie aber der Beklagten. Ähnlich die Entscheidung RZ. 1937 S. 96 (siehe auch Ohmeyer, JBl. 1930 S. 26; Klang, JBl. 1952 S. 292).
Es unterläuft hier das Mißverständnis, als sei eine Trennung der Voraussetzungen eines Anspruches nach denen, die für den Grund, und jenen, die für den Betrag des Anspruches maßgebend sind, möglich. Es sind vielmehr alle Voraussetzungen eines Anspruches für dessen Bestand, also den Grund, maßgebend. Nur ein Teil davon spielt auch für die Höhe eine Rolle. Für die Frage der Rechtsmittelbeschränkung ist lediglich die Unterscheidung zwischen den für die gleitende Höhe des Anspruches maßgebenden Umständen und den anderen von Bedeutung, d. s. alle jene, die nur den Grund des Anspruches betreffen. Die Berücksichtigung der ersten Voraussetzungen bleibt auch dann eine bemessende Tätigkeit, wenn sie zum Ergebnis Null und damit zur Negation des Anspruches führt. Wird in diesem Zusammenhang vom Gründe des Anspruches gesprochen, so ist dieser Begriff nur aus dem Gegensatz zur Bemessung zu umgrenzen.
Dies muß auch die Meinung der Verfasser der Fünften Gerichtsentlastungsnovelle gewesen sein. Denn ihnen kann doch kaum entgangen sein, daß die Selbsterhaltungsfähigkeit, die Subsidiarität einer Alimentationspflicht, der völlige Mangel der Leistungsfähigkeit unter Umständen zur völligen Negierung des Anspruches führen. Dennoch waren sie der Meinung, daß die Frage nach dem Gründe des Anspruches im außerstreitigen Verfahren immer unbestritten ist.
Die gegenteilige Ansicht führt auch zu dem kaum sinnvollen Ergebnis, daß der Oberste Gerichtshof eine von der zweiten Instanz ausgesprochene Verpflichtung zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 1000 S deswegen, weil die volle Selbsterhaltungsfähigkeit des Unterhaltsberechtigten gegeben ist, ablehnen, aber nicht auf 100 S mit der Begründung herabsetzen könnte, es sei der Unterhaltsberechtigte doch nicht voll selbsterhaltungsfähig. Wollte man annehmen, daß der Oberste Gerichtshof in diesem Fall auf 100 S herabsetzen kann, weil der Antrag auf völlige Negierung des Anspruches ging, so käme man zu dem widersinnigen Ergebnis, daß dieselbe Entscheidung dann ausgeschlossen wäre, wenn der Unterhaltspflichtige in richtiger Erkenntnis der Sachlage nur eine Herabsetzung auf 100 S beantragt hätte. Anderseits könnte der Oberste Gerichtshof den Unterhalt wohl mit 1000 S bemessen, wenn das Berufungsgericht den Anspruch wegen völliger Selbsterhaltungsfähigkeit abgelehnt, nicht aber dann, wenn das Berufungsgericht wegen teilweiser Selbsterhaltungsfähigkeit nur eine Alimentation von 100 S zugesprochen hätte.
In diesem Sinne erklärten auch die Anrufer der dritten Instanz für unzulässig die Entscheidungen RZ. 1933 S. 167, RZ. 1936 S. 17, GH. 1934 S. 72, EvBl. 1949 Nr. 648, 1 Ob 717/52, obwohl die Unterhaltsverpflichteten wegen Leistungsunfähigkeit die volle Befreiung von der Unterhaltspflicht begehrten. Die Entscheidungen SZ. IX/129, ZBl. 1929 Nr. 251, EvBl. 1951 Nr. 405, JBl. 1952 S. 292, nahmen Unanfechtbarkeit an, obwohl der Vater wegen Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes von der Unterhaltsleistung völlig befreit worden war oder diese Befreiung geltend machte, die Entscheidung 1 Ob 80/52, 3 Ob 674/52, 3 Ob 383/53, 3 Ob 163/53, 2 Ob 600/53, 2 Ob 872/53, 3 Ob 22/54, obwohl die Befreiung von der Unterhaltspflicht deswegen begehrt wurde, weil andere zum Unterhalt in erster Linie Verpflichtete die Bedürfnisse des Berechtigten voll decken könnten, die Entscheidungen 1 Ob 837/51, 1 Ob 663/52, 2 Ob 24/53, obwohl in Frage stand, ob der Unterhaltspflichtige wegen des Vermögens des Berechtigten oder wegen der Zuwendungen, die dieser von dritter Seite erhält, ganz zu befreien sei.
Ebenso und aus denselben Gründen gehört die Berücksichtigung der Billigkeit eines Unterhaltsanspruches nach den §§ 68, 69 Abs. 2 EheG. (früher Hofdekret vom 4. Mai 1841, JGS. 531) zur Bemessung des Unterhaltsanspruches. Auf diesem Standpunkte stehen die Entscheidungen AnwZ. 1935 S. 425, RZ. 1937 S. 93, 3 Ob 701/53, 3 Ob 755/53, 3 Ob 196/53 (dagegen SZ. XI/259, EvBl. 1936 Nr. 853, 1 Ob 907/51).
Bemessen wird nicht nur die Geldleistung der Höhe nach; auch die Entscheidung, ob und welche Naturalleistungen, welche gelegentlichen Zuschüssen zu erbringen sind, fällt bei Berücksichtigung der entwickelten Grundsätze unter den Revisionsausschluß (SZ. XXI/34, ZBl. 1935 Nr. 30, ZBl. 1935 Nr. 371, AnwZ. 1933 S. 420, 1 Ob 700/53), ebenso die Entscheidung, ob neben der Naturalleistung Geldleistungen zu erbringen sind (Kostenvorschuß für den die Gattin im Ehestreit vertretenden Anwalt, 1 Ob 850/52), die Festsetzung der Zahlungstermine (RZ. 1934 S. 100, 3 Ob 677/53) und die Ausmessung eines restlichen Abfindungsbetrages (JBl. 1952 S. 183). Aber auch die Frage, welches Einkommen des Vaters zu berücksichtigen ist, insbesondere welchen Einfluß die Gewährung einer Kinderbeihilfe auf die Höhe des Unterhaltsanspruches ausüben kann, ist eine Bemessungsfrage (1 Ob 255/51, 2 Ob 279/52).
Zu den Umständen, deren Beurteilung nach den entwickelten Grundsätzen auch der dritten Instanz obliegt, gehört vor allem die Feststellung des Verwandtschaftsverhältnisses, des Verschuldens bei der Scheidung, bei Unterhaltsansprüchen unehelicher Kinder die Frage, ob das Zugeständnis des Geschlechtsverkehres in der kritischen Zeit verbunden mit einem Unterhaltsvergleich eine hinreichende Grundlage für eine Abänderung der Alimentation im außerstreitigen Verfahren bildet (ZBl. 1926 Nr. 254), die Frage der rechtzeitigen und ordnungsmäßigen Erhebung des Unterhaltsanspruches, die Frage, ob dem Unterhaltsanspruch der Kinder durch einen Vergleich zwischen den Eltern vorgegriffen wurde (2 Ob 376/52), die Frage der Verwirkung des Unterhaltsanspruches der geschiedenen Ehegattin nach § 74 EheG. oder wegen einer Lebensgemeinschaft mit einem anderen Mann (RZ. 1937 S. 410), wenn diese ein absolutes Hindernis für die Alimentation bilden und nicht nur als Einkommenquelle im Sinne des § 66 Abs. 1 EheG. berücksichtigt werden soll (3 Ob 615/53), die Einwendung, daß die nicht geschiedene Ehegattin grundlos in die eheliche Gemeinschaft nicht zurückkehren will (SZ. XXIII/137). Auch die Frage nach der Haftung der Erben betrifft den Grund des Anspruches (SZ. XVI/238, 1 Ob 359/51, 3 Ob 361/52). Revisibel ist auch die Frage, ob die Legitimation zur Antragstellung gegeben ist (SZ. VII/261), ob der Unterhalt für die Zeit vor Klageerhebung begehrt werden kann (JBl. 1934 S. 59), ob devisenrechtliche Bedenken der Bemessung des Unterhaltes entgegenstehen (3 Ob 294/50).
Das Ermessen des Gerichtes bei Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes kann allerdings auch durch eine vertragliche Regelung der Höhe des Unterhaltes beeinflußt werden. Liegt eine solche Vereinbarung vor, dann wird das Gericht auf eine Änderung des einmal festgelegten Unterhaltes nur dann erkennen, wenn die Verhältnisse andere geworden sind. Es wird die bei Abschluß der Vereinbarung von den Streitteilen offensichtlich angewendeten oder ausdrücklich vereinbarten Messungsgrundsätze berücksichtigen. Eine Reihe von Entscheidungen hat angenommen, daß auch in diesem Fall die Entscheidung des Berufungsgerichtes über die Bemessung unanfechtbar ist. (AnwZ. 1934 S. 260, NotZ. 1937 S. 164, EvBl. 1948 Nr. 174, EvBl. 1950 Nr. 330, SZ. XXII/36, ZBl. 1931 Nr. 117, ZBl. 1934 Nr. 325, RZ. 1936 S. 98, RZ. 1936 S. 225, RZ. 1937 S. 377, AnwZ. 1935 S. 116, 1 Ob 1051/52, 1 Ob 120/53, 1 Ob 152/53, 1 Ob 977/53, 2 Ob 760/53, 3 Ob 713/53, 3 Ob 811/53). Ein Vergleich kann jedoch auch den völligen Verzicht auf Unterhalt oder auf eine Änderung des einmal festgesetzten Betrages zum Gegenstand haben. Selbst für diesen Fall haben die Entscheidungen AnwZ. 1937 S. 134, 1 Ob 759/51, 1 Ob 684/52, 3 Ob 650/53 die Unanfechtbarkeit der Entscheidung zweiter Instanz angenommen, während die Entscheidungen SZ. XI/248 und EvBl. 1951 Nr. 389 wenigstens für diesen Fall die Anfechtbarkeit angenommen haben.
Es kann nun wohl die Frage, ob eine vertragliche Regelung wirksam ist, ob und wie sie ausgelegt werden soll, nur einheitlich behandelt werden. Durch solche Verträge und Vergleiche kann sowohl die Frage nach dem Gründe als auch die nach der Höhe des Anspruches in gleicher Weise berührt sein, ohne daß eine scharfe Trennung möglich wäre. Da aber Rechtsmittelbeschränkungen einschränkend auszulegen sind, müssen die Entscheidungen der zweiten Instanz, soweit sie sich mit der Frage der Auswirkung eines Vertrages (Vergleiches) auf die Unterhaltsbemessung befassen, als anfechtbar bezeichnet werden.
Die Bemessungsfrage spielt zunächst in allen Rechtssachen eine Rolle, die auf Grund von Anträgen vor dem Außerstreitrichter oder auf Grund von Klagen vor dem Streitrichter eingeleitet werden und in denen ein Exekutionstitel zur Hereinbringung eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches geschaffen werden soll. Es wäre völlig ungereimt, wenn bei einstweiligen Verfügungen, die die Schaffung eines vorläufigen Exekutionstitels für einen Unterhaltsanspruch zum Gegenstand haben, die dritte Instanz in der Bemessungsfrage angerufen werden könnte. Der Oberste Gerichtshof hat einhellig und ohne in der Lehre auf Widerspruch zu stoßen auch hier die Überprüfung der Bemessungsfrage ständig abgelehnt (u. a. SZ. XI/202, EvBl. 1947 Nr. 134, SZ. XXIII/101). Es besteht kein Grund, von dieser eingelebten und wohl begrundeten Praxis abzugehen.
Die Bemessungsfrage kann aber auch in Rechtsstreitigkeiten, die nicht die Beschaffung eines Exekutionstitels für den Unterhaltsanspruch zum Gegenstand haben, eine Rolle spielen, so vor allem bei Oppositionsklagen gegen Exekutionen auf Grund von Unterhaltstiteln, wenn geltend gemacht wird, daß die Veränderung der Verhältnisse eine Herabsetzung oder ein Erlöschen der Unterhaltsansprüche zur Folge hatte. In der Entscheidung RZ. 1936 S. 71 wird die Revision zugelassen, weil die Bemessungsanfrage nicht die primäre sei und im Spruch des Urteils nicht bemessen werde. Für die Unzulässigkeit der Revision sprechen sich die Entscheidungen SZ. XVI/175, SZ. XXII/62 aus. In der Entscheidung ZBl. 1936 Nr. 449 wird die Revision nur zugelassen, weil sie den über die Bemessungsfrage hinausgehenden Standpunkt vertrat, daß die Herabsetzung des Unterhaltes durch Oppositionsklage überhaupt nicht geltend gemacht werden könne. Ebenso ließ die Entscheidung SZ. XXIII/326 die Revision nur deswegen zu, weil nicht die Bemessung strittig war, sondern die Frage, ob die Parteien nicht über den in Betracht kommenden Zeitraum einen besonderen Vergleich über die Höhe des Anspruches abgeschlossen haben.
Der Oberste Gerichtshof kann sich nicht entschließen, die doch offensichtlich nur für reine Unterhaltsstreitigkeiten vorgesehene Rechtsmittelbeschränkung auf andere Rechtsstreitigkeiten auszudehnen. Die Rechtsmittelbeschränkung gilt also nicht für Oppositionsklagen. Bei Klagen nach § 1042 ABGB. (SZ. XIX/9) oder nach § 5 JGG. (SZ. XV/241), bei Klagen nach § 2 Unterhaltsschutzgesetz (SZ. VII/358) sowie bei Klagen gegen den Erfüllungsübernehmer (3 Ob 514/53) wurde die Rechtsmittelbeschränkung schon immer abgelehnt.