TE OGH 1954/7/14 3Ob398/54

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Veröffentlicht am 14.07.1954
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Norm

Versicherungsvertragsgesetz §12

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SZ 27/207

Spruch

Voraussetzung der Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 12 Abs. 3 VersVG.

Den an das Ablehnungsschreiben zu stellenden Erfordernissen ist Genüge getan, wenn unter Angabe der einschlägigen Bestimmung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen auf den Verlust des "Einspruchsrechtes" hingewiesen wird.

Die Frist des § 12 Abs. 3 VersVG. ist eine Ausschlußfrist. Sie wird durch die endgültige Ablehnung ohne Rücksicht auf die Richtigkeit der Ablehnung in Lauf gesetzt.

Entscheidung vom 14. Juli 1954, 3 Ob 398/54.

I. Instanz: Landesgericht Feldkirch; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Das Erstgericht hat das gegen den Haftpflichtversicherer des Klägers gerichtete Begehren abgewiesen, weil der Versicherungsnehmer nicht die im § 12 Abs. 3 VersVG. vorgesehene Sechsmonatsfrist eingehalten hätte, es lehnte die Auffassung des Klägers ab, daß diese Frist durch mittlerweile stattgefundene Vergleichsverhandlungen unterbrochen worden sei.

Das Berufungsgericht hat unter Rechtskraftvorbehalt das Ersturteil aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur Fortsetzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen. Es ging dabei von der Auffassung aus, daß die Sechsmonatsfrist des § 12 Abs. 3 VersVG. im vorliegenden Fall im Zeitpunkt der Einbringung der Klage noch nicht abgelaufen sei, weil diese Frist durch Verhandlungen unterbrochen worden sei, sowie deshalb, weil die Erhebungen über den Sachverhalt und Hergang des Unfalles noch nicht abgeschlossen waren.

Der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes wird von der beklagten Partei mit Rekurs angefochten.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei gegen den Aufhebungsbeschluß Folge und trug dem Berufungsgericht die Entscheidung in der Sache auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Frist des § 12 Abs. 3 VersVG. ist, das geht schon aus der Gegenüberstellung von "Verjährung" und "Klagefrist" in der Überschrift zu § 12 VersVG. hervor, keine Verjährungs- sondern eine Ausschlußfrist. Ob und inwieweit die Bestimmungen über Unterbrechung und Hemmung der Verjährung auf Ausschlußfristen anzuwenden sind, ist äußerst strittig. Jedenfalls wird aber im Schrifttum die Ansicht vertreten, daß die Klagefrist der Unterbrechung und Hemmung unterliege. Ob nun Vergleichsverhandlungen oder Erhebungen eine Hemmung oder Unterbrechung der Klagefrist herbeiführen, ob im Falle schwebender Vergleichsverhandlungen die Berufung auf den Fristablauf als Verletzung von Treu und Glauben zu beurteilen ist, oder ob Vergleichsverhandlungen die Annahme einer endgültigen Ablehnung ausschließen, mag auf sich beruhen.

Denn nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes liegen hier gar keine Vergleichsverhandlungen vor. Der Leiter der Geschäftsstelle hat, wie festgestellt wurde, dem Kläger nur mitgeteilt, daß er der Zentrale berichten werde, und hat dabei den Kläger nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen darüber nicht im Unklaren gelassen, daß eine Bereinigung der Angelegenheit im Kulanzweg nur der Zentrale zustehe. Die Zentrale selbst hat sich aber gar nicht auf Verhandlungen eingelassen, sondern ist bei ihrem ablehnenden, dem Kläger schon am 2. April 1952 erklärten Standpunkt geblieben. Dies wurde dem Vertreter des Klägers mündlich und schriftlich mitgeteilt. Das Schreiben vom 25. September 1952 ist nicht eine neue Ablehnung. Es wäre übrigens entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes gar nicht geeignet gewesen, die Klagefrist des § 12 Abs. 3 VersVG. in Lauf zu setzen, weil sie die nach dieser Gesetzesstelle erforderliche Angabe der mit dem Fristablauf verbundenen Rechtsfolge nicht enthielt. Der Kläger könnte mit Fug auch nicht behaupten, daß das Verhalten der beklagten Partei gegen Treu und Glauben verstößt. Denn die Mitteilung, daß es bei der Ablehnung bleibt, ist ihm oder vielmehr seinem Vertreter zu einer Zeit zugekommen, als die sechs Monate für die Klageerhebung nach der ersten Ablehnung noch offen standen. Nach der Aussage des Vertreters des Klägers ist die Klagefrist übrigens deshalb versäumt worden, weil er von dem ersten Ablehnungsschreiben vom 2. April 1952 keine Kenntnis hatte.

Wenn das Berufungsgericht die Ansicht vertritt, daß der Fristablauf deshalb nicht eingetreten sei, weil die beklagte Partei verpflichtet gewesen wäre, weitere Erhebungen zu führen, so kann dieser Ansicht nicht beigepflichtet werden. Es kommt nicht darauf an, ob die beklagte Partei mit Recht oder allenfalls wegen ungenügender Schadenserhebungen, zu Unrecht abgelehnt hat, die Frist des § 12 Abs. 3 VersVG. wird durch die endgültige Ablehnung ohne Rücksicht auf die Richtigkeit der Ablehnung in Lauf gesetzt. Und was die Annahme betrifft, daß die klagende Partei mit der Vornahme weiterer Erhebungen rechnen konnte, so könnte dies nur unter dem Gesichtspunkt eines gegen Treu und Glauben verstoßenden Verhaltens des Versicherers in Betracht kommen. Es gilt aber hier dasselbe wie für die Annahme von Vergleichsverhandlungen. Die beklagte Partei hat noch vor Ablauf der sechsmonatigen Klagefrist mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, daß sie weder verhandeln noch auch weitere Erhebungen pflegen wolle.

Der Eintritt der Leistungsfreiheit des Versicherers gemäß § 12 Abs. 3 VersVG. setzt allerdings voraus, daß in der Ablehnungserklärung desVersicherers die mit dem Ablauf der Frist verbundene Rechtsfolge erkennbar zum Ausdruck kommt. Es taucht daher die Frage auf, ob die Erklärung im Brief vom 2. April 1952 dieser Anforderung entspricht. Obwohl die klagende Partei die Erklärung in dieser Hinsicht nicht beanstandet hat, hatte sich der Oberste Gerichtshof mit dieser Frage, da die rechtliche Beurteilung überhaupt in der Revision angefochten ist, zu befassen.

Die Filialdirektion Innsbruck hat ihrer Ablehnungserklärung vom 2. April 1952 folgendes hinzugefügt:

"Wegen dieser Ablehnung steht Ihnen im Sinne des § 10 Punkt 1 der Ihrer Polizze beigehefteten Bedingungen das Recht zu, innerhalb von sechs Monaten, bei sonstigem Verlust, gerichtlich Einspruch zu erheben und bitten wir hievon Kenntnis zu nehmen."

Das reichsdeutsche Schrifttum zum Versicherungsvertragsgesetz sowie die einschlägige Rechtsprechung hält es für ungenügend, daß sich die Belehrung damit begnügt, auf den Verlust des "gerichtlichen Einspruchsrechtes" zu verweisen (Raiser 78 zu § 18 Feuerversicherungsbedingungen; Möller in Bruck - Möller, 8. Auflage, 30 zu § 12 VersVG; RG. 22. September 1931, JW. 1932, 2513; OLG. Düsseldorf, 19. Juni 1933, JRPV. 1934, 108; OLG.-Breslau, 19. März 1935, JW. 1935, 2907), weil das Wort Einspruch nicht klar erkennen lasse, daß eine gerichtliche Geltendmachung des Anspruches, also eine Klage oder eine ihr gleichstehende Rechtsverfolgungshandlung zur Wahrung des Anspruches angestrengt werden müsse und weil weiters der Hinweis auf das Erlöschen des Einspruchsrechtes nur klarstelle, daß eine prozessuale Handlung innerhalb der Frist erforderlich ist, von der der Versicherungsnehmer im Falle ihrer Versäumung ausgeschlossen ist, aber nicht deutlich genug auf die Rechtsfolge der Leistungsfreiheit des Versicherers, den Verlust des materiellen Versicherungsanspruches, hinweise (Prölß, JW. 1937, 843; Möller, a. a. O.; Stiefel - Wussow, 2. Aufl., Kraftfahrversicherung 158 f. und die dort zusammengestellten Entscheidungen).

Der Oberste Gerichtshof vermag sich dieser letzteren Auffassung nicht anzuschließen. Denn, um den Versicherungsnehmer auf die Tragweite der Ansprucherhebung nach einer Ablehnung des Versicherers aufmerksam zu machen, genügt es, ihm zur Kenntnis zu bringen, daß ihm nach fruchtlosem Ablauf der Frist die Möglichkeit abgeschnitten sei, einen auf Leistung des Versicherers lautenden Exekutionstitel zu erlangen. Ob trotz Verlustes des Klagerechtes allenfalls noch eine unklagbare Verbindlichkeit des Versicherers übrigbliebe ist ohne jede praktische Bedeutung.

Was aber die Bezeichnung der erforderlichen Reaktion des Versicherungsnehmers auf die Ablehnung des Versicherers als "Einspruch" betrifft, so ist sie nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes deshalb unschädlich, weil in dem Ablehnungsschreiben ausdrücklich auf § 10 Punkt 1 der der Polizze beigehefteten Allgemeinen Versicherungsbedingungen hingewiesen wird. Der Hinweis auf die Verzugsfolge im Zusammenhalt mit dem auf die einschlägige, ausdrücklich bezeichnete Vorschrift der AVB. muß aber als genügend angesehen werden.

Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes war daher die Ablehnungserklärung der beklagten Partei im Schreiben vom 2. April 1952 geeignet, die Rechtsfolgen im Sinne des § 12 Abs. 3 VersVG. herbeizuführen.

Anmerkung

Z27207

Schlagworte

Ablehnungsschreiben der Versicherung, Ausschlußfrist nach § 12 Abs. 3 VersVG., Frist nach § 12 Abs. 3 VersVG., Leistungsfreiheit des Versicherers, Versicherung Frist des § 12 Abs. 3 VersVG., Versicherung Leistungsfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1954:0030OB00398.54.0714.000

Dokumentnummer

JJT_19540714_OGH0002_0030OB00398_5400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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