TE OGH 1954/7/14 2Ob312/54

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Veröffentlicht am 14.07.1954
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Norm

ABGB §760
Außerstreitgesetz §130

Kopf

SZ 27/201

Spruch

Die Übernahme erbloser Verlassenschaften ist ein Recht und keine Pflicht des Staates.

Entscheidung vom 14. Juli 1954, 2 Ob 312/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Kufstein; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Das Erstgericht hat folgenden Beschluß gefaßt: "Gemäß § 130 AußstrG. wird der Nachlaß als erblos dem Fiskus übergeben. Die Gebühren des Gerichtskommissärs werden mit 1287.40 S bestimmt und sind auf Kosten des Nachlasses durch die Finanzprokuratur zu überweisen."

Über Rekurs der Finanzprokuratur hat das Rekursgericht diesen erstgerichtlichen Beschluß bestätigt.

Der Oberste Gerichtshof gab dem außerordentlichen Revisionsrekurs der Finanzprokuratur Folge und hob den erstgerichtlichen Beschluß auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Wenn § 760 ABGB. ausspricht, daß erblose Verlassenschaften dem Staate zufallen, das Hofdekret vom 12. Oktober 1835, JGS. Nr. 90, klarstellt, daß erblose Verlassenschaften vom Fiskus eingezogen werden können, und § 130 AußstrG. das Abhandlungsgericht verpflichtet, den erblosen Nachlaß dem Fiskus zu übergeben (d. h. den Besitz an dem Nachlaß dem Fiskus zu übertragen) und zu diesem Zwecke die hiefür zuständige Behörde zu verständigen, wird damit vom Gesetze in unmißverständlicher Weise zum Ausdruck gebracht, daß die Übernahme der erblosen Verlassenschaften ein Recht und keine Pflicht des Staates ist und die Übergabe solcher erbloser Verlassenschaften kein einseitiger Akt des Verlassenschaftsgerichts sein soll, der ohne die Mitwirkung, ja gegen den Willen des Fiskus vorgenommen werden könnte. Der Oberste Gerichtshof hatte schon wiederholt Gelegenheit, zu erkennen, daß das Gericht zwar aussprechen kann, der Nachlaß sei erbloses Gut und gebühre als solches gemäß § 760 ABGB. dem Staate, durch welchen Ausspruch die Abhandlung beendet ist, daß aber dem Fiskus freigestellt bleiben muß, von diesem seinem Rechte Gebrauch zu machen, und daß es nicht angeht, dem Staate gegen seinen Willen allenfalls sogar überschuldete Nachlässe aufzuhalsen, von denen die Erben nichts wissen wollen, endlich daß eine andere Rechtsansicht als offenbar gesetzwidrig bezeichnet werden muß (GlUNF. Nr. 2038 und 3705, vgl. auch RZ., Zivilrechtlicher Teil, 1906, Judikatur des OGH. zum Verfahren außer Streitsachen Nr. 129, Klang - Weiß, Kommentar, 2. Aufl., zu § 760 ABGB., insbesondere S. 794 f.). An diesem Standpunkte hält der Oberste Gerichtshof auch im vorliegenden Falle fest. Da die Erklärung der Finanzprokuratur, sie beabsichtige, einen sich ergebenden reinen Nachlaß als heimfällig für den Staat in Anspruch zu nehmen und im Hinblick auf den sonstigen Rekursinhalt auch die Erklärung der Finanzprokuratur in ihrem Rekurse gegen den erstgerichtlichen Beschluß, sie beabsichtige, das Heimfallsrecht geltend zu machen, nicht als Bereitschaft zur vorbehaltlosen Übernahme des "Brutto-Nachlasses" verstanden werden können, ist der die Übergabe aussprechende erstgerichtliche Beschluß nach dem Ausgeführten als offenbar gesetzwidrig aufzuheben und der angefochtene rekursgerichtliche Beschluß, der die offenbare Gesetzwidrigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung teilt, entsprechend abzuändern. Da die Entscheidung über die Gebühren des Gerichtskommissärs ausdrücklich die in der Hauptsache verfügte Übergabe des Nachlasses an den Fiskus voraussetzt (arg. "auf Kosten des Nachlasses") und ihr daher durch die Aufhebung der Entscheidung in der Hauptsache die Grundlage entzogen ist, war sie zugleich mit der Entscheidung in der Hauptsache zu beseitigen.

Anmerkung

Z27201

Schlagworte

Heimfallsrecht, Nachlaß, Kaduzität, Nachlaß, Verlassenschaft Kaduzität

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1954:0020OB00312.54.0714.000

Dokumentnummer

JJT_19540714_OGH0002_0020OB00312_5400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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