Norm
ABGB §233Kopf
SZ 27/231
Spruch
Zulässigkeit des Rekurses des Prozeßgegners gegen die Nichtgenehmigung eines gerichtlichen Vergleiches durch das Vormundschaftsgericht, wenn die Genehmigungspflicht irrigerweise angenommen worden ist.
Entscheidung vom 15. September 1954, 3 Ob 615/54.
I. Instanz: Bezirksgericht Mauerkirchen; II. Instanz: Kreisgericht Ried im Innkreis.
Text
Am 12. November 1953 wurde vor dem Bezirksgericht Ried im Innkreis zu C 337/50 zwischen den mj. Helmuth Johann Sch., vertreten durch die Jugendfürsorgestelle Mauerkirchen, diese vertreten durch die Jugendfürsorgestelle Ried im Innkreis und dem außerehelichen Kindesvater Ferdinand St. ein Vergleich dahingehend abgeschlossen, daß Ferdinand St. die Vaterschaft zu dem mj. Helmuth Johann Sch. anerkannte und sich zur Zahlung eines Betrages von 3700 S für rückständige Unterhaltsforderungen sowie eines fortlaufenden Unterhaltsbeitrages von 100 S monatlich ab 1. Dezember 1953 verpflichtete.
Diesem im übrigen genehmigten Vergleich versagte das Vormundschaftsgericht mit dem Beschluß vom 17. Feber 1954 bezüglich der ab 1. Dezember 1953 laufenden Unterhaltsleistung die vormundschaftsbehördliche Genehmigung, weil ihm angesichts der Einkommensverhältnisse des Kindesvaters und der Bedürfnisse des mehr als 3 1/2jährigen Kindes ein Unterhaltsbetrag von monatlich 100 S zu niedrig erschien, um die Ansprüche des Minderjährigen zu befriedigen.
Dagegen erhob der Kindesvater Rekurs, in dem er die Genehmigungsbedürftigkeit des abgeschlossenen Vergleiches durch das Vormundschaftsgericht bestritt.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs mit der Begründung keine Folge, daß im Kreisgerichtssprengel Ried im Innkreis den erweiterten Wirkungskreis im Sinne des Bundesgesetzes vom 13. Juli 1928, BGBl. Nr. 194, nur die Jugendfürsorgestellen Ried im Innkreis und Schärding besitzen, nicht aber die Jugendfürsorgestelle Braunau am Inn und die Zweigstelle in Mauerkirchen. Daher sei ein von der Jugendfürsorgestelle Mauerkirchen abgeschlossener Vergleich über die Unterhaltsleistungen des außerehelichen Kindesvaters zu seiner Wirksamkeit der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes bedürftig. Daran ändere nichts die Tatsache, daß die Jugendfürsorgestelle Mauerkirchen bei Abschluß des Vergleiches von der Jugendfürsorgestelle Ried im Innkreis, die den erweiterten Wirkungskreis besitzt und daher zum Abschluß eines solchen Vergleiches berechtigt wäre, vertreten war. Die Jugendfürsorgestelle Ried im Innkreis sei nur als Vertreterin der Jugendfürsorgestelle Mauerkirchen eingeschritten und könne daher nie größere und weitere Rechte in Anspruch nehmen als sie der Vormund bzw. die vertretene Jugendfürsorgestelle selbst besitzt.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der außerordentliche Rekurs des Kindesvaters Ferdinand St., in dem offenbare Gesetzwidrigkeit, allenfalls Nullität geltend gemacht wird.
Der Oberste Gerichtshof gab dem außerordentlichen Revisionsrekurs Folge und hob die beiden untergerichtlichen Konformatbeschlüsse auf Versagung der vormundschaftsbehördlichen Genehmigung auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Ansicht des Rekurrenten, der Vergleich hätte deshalb nicht der vormundschaftsbehördlichen Genehmigung bedurft, weil das Kind im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses durch die mit dem erweiterten Wirkungskreis ausgestattete Jugendfürsorgestelle Ried im Innkreis (vgl. BGBl. Nr. 215/1948) vertreten war und der Vergleich im Sprengel der Jugendfürsorgestelle Ried im Innkreis geschlossen wurde, kann allerdings nicht geteilt werden. Gemäß § 2 des Bundesgesetzes vom 13. Juli 1928, BGBl. Nr. 194, erstreckt sich der erweiterte Wirkungskreis immer nur auf jene Pflegebefohlenen, über die von der Berufsvormundschaft die Vormundschaft oder Pflegschaft geführt wird. Das trifft im vorliegenden Fall nicht zu, denn die Vormundschaft über den mj. Helmuth Johann Sch. wird von der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, Jugendfürsorgestelle Mauerkirchen, geführt.
Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes unterlag jedoch der am 12. November 1953 vor dem Prozeßgericht abgeschlossene Vergleich hinsichtlich der laufenden Unterhaltsleistung aus folgenden Gründen nicht der vormundschaftsbehördlichen Genehmigung:
Mit dem Beschluß vom 10. Oktober 1950 hat das Vormundschaftsgericht der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, Jugendfürsorgestelle Mauerkirchen, die Ermächtigung erteilt, Ferdinand St. auf Anerkennung der Vaterschaft und auf Leistung des Unterhalts zu klagen. Auf Grund dieser Prozeßermächtigung hat die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, Jugendfürsorgestelle Mauerkirchen, namens des minderjährigen Kindes Helmuth Sch. am 6. November 1950 zur GZ. C 337/50 bei dem Bezirksgericht Ried im Innkreis die Klage auf Feststellung der Vaterschaft und auf Unterhaltsleistung gegen Ferdinand St. eingebracht. Begehrt wurde ein monatlicher Unterhaltsbetrag von 100 S. Ein gemäß diesem Klageantrag gefälltes Urteil hätte daher nicht anders als auf Leistung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 100 S lauten können. Nun ist aber der Klageantrag durch die Prozeßermächtigung gedeckt. Die klagende Partei war daher ohne weiteres berechtigt, im Rahmen der Prozeßermächtigung den Prozeß auch durch den Vergleich zu beenden. Insofern sie dies hinsichtlich der laufenden Unterhaltsraten tat, bedurfte demnach der Vergleich keiner weiteren Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht. Der Beschluß des Vormundschaftsgerichtes, womit dem geschlossenen Vergleich bezüglich der ab 1. Dezember 1953 laufenden Unterhaltsbeträge die Genehmigung versagt wurde und der diesen Beschluß bestätigende Beschluß des Rekursgerichtes sind demnach offenbar gesetzwidrig. Beide Beschlüsse mußten daher insoweit aufgehoben werden.
Was die Rekurslegitimation des Ferdinand St. betrifft, so ist sie nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes zu bejahen. Der in zahlreichen Entscheidungen (3 Ob 322/54, 3 Ob 456/51, NotZ. 1936, S. 177; ZBl. 1936 Nr. 118; GlUNF. 3660 u. a. m.) ausgesprochene Rechtssatz, wonach dem Prozeßgegner wegen Nichtgenehmigung des mit dem Pflegebefohlenen abgeschlossenen Vergleiches durch das Pflegschaftsgericht die Rekurslegitimation nach § 9 AußstrG. nicht zuzubilligen ist, weil ihm ein Anspruch auf Genehmigung, für deren Erteilung lediglich die Interessen des Pflegebefohlenen maßgebend sind, nicht zusteht, kann keine Anwendung finden, wenn, wie diesmal, die Genehmigungspflicht irrigerweise angenommen wurde.
Anmerkung
Z27231Schlagworte
Genehmigung pflegschaftsbehördliche -, Rekursrecht, Pflegebefohlener, Rekursrecht des Vertragsgenossen, Prozeßgegner, Rekursrecht gegen pflegschaftsbehördliche GenehmigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1954:0030OB00615.54.0915.000Dokumentnummer
JJT_19540915_OGH0002_0030OB00615_5400000_000