TE OGH 1954/10/1 1Ob617/54

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Veröffentlicht am 01.10.1954
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Norm

ABGB §1220

Kopf

SZ 27/247

Spruch

Ein zu Lebzeiten des Leistungspflichtigen bei Gericht anhängig gemachter Anspruch auf Bestellung des Heiratsgutes erlischt nicht durch den Tod des Leistungspflichtigen. Das Verfahren ist daher fortzusetzen.

Entscheidung vom 1. Oktober 1954, 1 Ob 617/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Hietzing; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Antragstellerin begehrte in ihrem am 20. Juli 1949 beim Erstgericht eingebrachten Antrag, daß ihr ehelicher Vater, der Antragsgegner, gemäß § 1220 ABGB. verhalten werde, ihr ein angemessenes Heiratsgut zu geben. Sie habe am 29. Juni 1940 geheiratet. Während des Verfahrens starb der Antragsgegner.

Das Erstgericht stellte das Verfahren ein und wies den Antrag der Antragstellerin, das Verfahren fortzusetzen und eine Entscheidung zu fällen, ab. Der Anspruch auf Bestellung eines Heiratsgutes sei höchstpersönlicher Natur und erlösche mit dem Tod des Verpflichteten.

Infolge Rekurses der Antragstellerin hob das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens und die Fällung einer Entscheidung auf. Der Heiratsgutsanspruch, der aus der Unterhaltspflicht hervorgehe, sei vererblich, wenn er noch vor dem Tod des Verpflichteten entstanden sei. Die Erwägung, daß das empfangene Heiratsgut nach § 788 ABGB. in den Pflichtteil einzurechnen sei, habe außer Betracht zu bleiben, weil dieser unter Umständen geringer ausfallen könne, als das Heiratsgut ausmache und nicht einzusehen sei, warum das forderungsberechtigte Kind in seinen gesetzlichen Ansprüchen dadurch schlechter gestellt werden solle, als wenn es noch vor dem Tod des Vaters Erfüllung erfahren hätte. Das Erstgericht müsse das Verfahren gegen den Nachlaß fortsetzen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Antragsgegners nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das bürgerliche Recht kennt Ansprüche und Verbindlichkeiten, die ihrem Wesen nach in irgendeiner Form von der Persönlichkeit des Berechtigten oder Verpflichteten abhängen, die "der Person ankleben" (§ 1393 ABGB.). Diese höchstpersönlichen Rechte und Pflichten erlöschen gemeiniglich mit dem Tod (§ 531 ABGB.). Der Grund hiefür ist darin zu suchen, daß mit dem Tode der bestimmten Person der Sinn der Rechtsbeziehung weggefallen ist. Es gehören dazu Ansprüche aus persönlichen Dienstbarkeiten, Ausgedingen, Dienstleistungen, Bevollmächtigungen, Schmerzensgeld, Unterhalt u. dgl. Zumeist handelt es sich um Dauerschuldverhältnisse, wie dies etwa beim gesetzlichen Unterhalt der Fall ist. Der Unterhaltspflichtige hat, solange er lebt, die zu bestimmten Zeitabschnitten fällig werdenden Unterhaltsbeträge zu entrichten, sein Nachlaß wird aber normalerweise mit den nach dem Tod fälligen Raten nicht belastet (vgl. GlUNF. 6901). Das Gesetz sieht in der Regel vor, daß der Unterhaltsberechtigte den Unterhalt dann von einer anderen verwandten Person erhält. Freilich ist zwischen dem Unterhaltsanspruch als solchem und dem auf Bezahlung schon fälliger Unterhaltsbeträge ein Unterschied zu machen. Letztere sind zu Lebzeiten der zahlungspflichtigen Person entstanden und belasten sein Vermögen gleich einer anderen Schuld. Das Wesen der höchstpersönlichen Rechte liegt nicht darin, daß die bestimmte zur Zahlung verpflichtete Person auch selbst zahlen müsse. Es genügt, wenn zu ihren Lebzeiten die einzelne Verpflichtung entstanden ist und geltend gemacht wurde und damit ihr Vermögen wirtschaftlich belastet hat. Wenn die einzelne Leistung nicht selbst höchstpersönlicher, sondern vertretbarer Art ist, wie dies bei Zahlungsverpflichtungen der Fall ist, tritt mit dem Entstehen des Anspruchs zugleich eine Wesensänderung in der Form ein, daß der Einzelanspruch oder die Einzelverpflichtung aus der höchstpersönlichen Rechtsbeziehung zu einem vererblichen Geldanspruch oder einer vererblichen Schuld wird. Darum hat die Rechtsprechung die Vererblichkeit fälliger Unterhalts- oder Ausgedingsraten (SZ. XXV/19) und geltend gemachten Schmerzensgeldansprüche (GlUNF. 6485, Judikatenbuch 204) anerkannt.

Wenn es sich wie hier um einen höchstpersönlichen Einzelanspruch auf Gewährung eines Heiratsgutes handelt, der seinen Ursprung in der elterlichen Unterhalts- und Versorgungspflicht hat (Weiß in Klangs Kommentar, 2. Aufl. zu § 1220, S. 727. SZ. XIX/35), ist die Rechtslage insofern anders, als zwischen dem Anspruch als ganzem, der mit dem Tode des Verpflichteten erlischt, und den fälligen und damit vererblichen Einzelleistungen nicht unterschieden werden kann. Bei der einmaligen Heiratsgutbestellung fällt beides zusammen. Dies hat aber nicht etwa die Folge, daß die noch vor dem Tode des Leistungspflichtigen entstandene Heiratsgutforderung, die noch nicht erfüllt wurde, mit dem Tod erlöschen und auf die Erben des Pflichtigen nicht übergehen würde. Dadurch nämlich, daß der Anspruch zu Lebzeiten des Vaters entstanden ist und geltend gemacht worden ist, hat er die Wandlung zu einer vererblichen Geldverpflichtung durchgemacht, wie dies bei Dauerschuldverhältnissen hinsichtlich der fälligen Einzelleistungen anzunehmen ist. Zur Zeit des Todes des ehelichen Vaters war dessen Nachlaß bereits mit der Verbindlichkeit aus dem Heiratsgutanspruch belastet und ging so auf die Rechtsnachfolger über. Anders wäre es nur dann, wenn dieser Anspruch erst nach dem Tode des Vaters entstehen würde, weil seine Tochter etwa erst nachher geheiratet hätte oder wenn er erst nach dem Tod des Vaters geltend gemacht worden wäre (SZ. XXV/106). Für diesen Fall sieht das Gesetz nicht die Belastung des Nachlasses des Vaters, sondern die Bestellungspflicht der ehelichen Mutter oder der Großeltern vor. Der Unterschied derartiger einmal zu erfüllender höchstpersönlicher Verpflichtungen zu gewöhnlichen einmaligen Schuldigkeiten besteht darin, daß bei letzteren der Anspruch auch noch nach dem Tode geltend gemacht werden kann und Belastungen auch nach dem Tode eintreten können. Der Oberste Gerichtshof hat sich in seiner Entscheidung vom 14. November 1906, GlUNF. 3576, auf einen ähnlichen Standpunkt gestellt und die Ansicht vertreten, daß eine zu Lebzeiten des ehelichen Vaters entstandene Heiratsgutsverpflichtung auf dessen Nachlaß übergeht und gegen diesen im außerstreitigen Verfahren (vgl. GlUNF. 2966, Spr. 178) verfolgt werden kann. Der gegenteilige Standpunkt früherer Entscheidungen (GlU. 12.964, GlU. 14.897), die allerdings den Heiratsanspruch, nicht die Heiratsgutsverpflichtung im Auge haben, ist verlassen worden. Auch Weiß in Klangs Kommentar[2] V, S. 727 (undeutlich III[2], S. 36), hat sich der Meinung des Obersten Gerichtshofes (GlUNF. 3576) angeschlossen. Die spätere gegenteilige Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 20. Feber 1917, Notariatszeitung S. 316, ZBl. 278, hat sich mit den Argumenten der Entscheidung GlUNF. 3576 nicht auseinandergesetzt.

Im vorliegenden Fall kann daher der während des Verfahrens eingetretene Tod des bestellungspflichtigen Vaters der Antragstellerin nicht die Wirkung haben, daß gegen den Nachlaß keine Entscheidung mehr gefällt werden könnte. Das Verfahren ist vielmehr, wie das Rekursgericht richtig erkannt hat, fortzusetzen. Der Einwand des Revisionsrekurswerbers, die Antragstellerin sei nach dem Tod ihres Vaters auf ihre Pflichtteilsansprüche gewiesen, in die überdies das Heiratsgut einzurechnen wäre, und habe auch nicht das Wahlrecht, welchen Dotationsverpflichteten sie in Anspruch nähme, ist nicht berechtigt. Denn wenn die Tochter den Anspruch auf das Heiratsgut noch vor dem Ableben des Vaters erworben hat, konnte sie ihn und kann sie ihn weiterhin nur gegen ihn bzw. dessen Nachlaß geltend machen und muß ebenso behandelt werden, als wenn sie das Heiratsgut schon ausbezahlt erhalten hätte. In beiden Fällen wird das Heiratsgut zwar in den Pflichtteil eingerechnet (§ 788 ABGB.), die Tochter ist aber auf diesen - der übrigens viel geringer sein kann als das Heiratsgut - nicht beschränkt.

Anmerkung

Z27247

Schlagworte

Ausstattung, Tod des Leistungspflichtigen, Ehegüterrecht, Heiratsgut, Heiratsgut, Tod des Leistungspflichtigen, Tod des Leistungspflichtigen, Heiratsgutbestellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1954:0010OB00617.54.1001.000

Dokumentnummer

JJT_19541001_OGH0002_0010OB00617_5400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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