Norm
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §12Kopf
SZ 27/270
Spruch
Anvertraut im Sinne des § 12 UWG. sind Vorlagen oder Vorschriften, die mit der ausdrücklich oder aus den Umständen folgenden Verpflichtungen überlassen werden, sie nur im Interesse des Anvertrauenden zu verwerten.
Zum Begriff der unbefugten Verwertung.
Entscheidung vom 27. Oktober 1954, 3 Ob 658/54.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Oberlandesgericht Graz.
Text
Die gefährdete Partei beantragt in ihrer Klage die Erlassung einer einstweiligen Verfügung durch Verwahrung der in der Gewahrsame der Antragsgegnerin befindlichen, nach Mustern der gefährdeten Partei erzeugten Elektrogeräte, insbesondere des Volksherdes 350 und der Backrohre Type 131 und 101 zur Sicherung ihres Anspruches auf Unterlassung der Verwertung der der Antragsgegnerin anvertrauten Vorlagen und Vorschriften technischer Art mit der Begründung, auf Grund des Vertrages vom 29. Dezember 1952 habe sich die Antragsgegnerin verpflichtet, von der gefährdeten Partei entwickelte, mustergeschützte und zum Patent angemeldete Elektrogeräte, und zwar verschiedene Typen von Elektrobackrohren zu erzeugen, welche Vereinbarung auch auf Kochplatten und Elektroherde, die gleichfalls von der gefährdeten Partei entwickelt wurden, ausgedehnt wurde, über die der gefährdeten Partei das ausschließliche Verfügungsrecht zukomme. Im Vertrag sei es der Antragsgegnerin untersagt worden, die erwähnten Geräte ohne Wissen der gefährdeten Partei an andere Personen abzugeben. Die Antragsgegnerin habe jedoch derartige Geräte, und zwar Volksherde der Type 2/350 und Volksbackrohre der Type 1/101 und 1/131 durch eine Firma S. beim Villacher Volksfest ausstellen und verkaufen lassen.
Das Erstgericht bewilligte die beantragte einstweilige Verfügung und machte den Vollzug vom Erlag eines Betrages von 500 S für Vollzugskosten abhängig. Es nahm auf Grund der Vereinbarung vom 29. Dezember 1952 als bescheinigt an, daß die gefährdete Partei das alleinige Verfügungsrecht über die von ihr zum Patent angemeldeten mustergeschützten Artikel habe und daß es der Antragsgegnerin ausdrücklich untersagt wurde, die Geräte ohne Wissen der gefährdeten Partei an andere Personen zu verkaufen. Durch den Inhalt des Aktes 8 Cg 199/54 sei bescheinigt, daß die Antragsgegnerin einen größeren Posten von solchen Geräten über die Bestellung der gefährdeten Partei hinaus weiter erzeugt und auf Lager gehalten habe. Durch eine vorgelegte Photographie sei bescheinigt, daß die Antragsgegnerin beim Villacher Volksfest auf dem Stand der Firma H. S. die im Auftrage der gefährdeten Partei von ihr erzeugten Elektrogeräte habe ausstellen und verkaufen lassen.
Das Rekursgericht wies den Antrag ab. Es war der Meinung, daß der Anspruch der gefährdeten Partei nur dann gegeben sei, wenn auf den Sachverhalt die gesetzlichen Voraussetzungen des § 12 UWG. in Verbindung mit § 1 des zitierten Gesetzes Anwendung zu finden hätten. Eine unbefugte Verwertung würde aber nur dann vorliegen, wenn die Antragsgegnerin die ihr von der gefährdeten Partei anvertrauten Vorlagen auch noch für eine weitere Erzeugung verwendet hätte. Dies sei aber nicht bescheinigt. Es sei aber auch keine hinreichende Bescheinigung dafür erbracht worden, daß die auf dem Lichtbild des Ausstellungsstandes der Firma S. beim Villacher Volksfest abgebildeten Elektrogeräte mit den auf Grund der Vorlagen der gefährdeten Partei erzeugten ident seien. Es verstoße aber auch das Vorgehen der Antragsgegnerin nicht gegen die guten Sitten, weil der Antragsgegnerin gegen die gefährdete Partei auf Grund des noch nicht rechtskräftigen Urteiles im Rechtsstreit 8 Cg 199/54 eine Forderung von rund 121.000 S s. A. zustehe und ihr durch die einstweilige Verfügung der Befriedigungsfonds für diese Forderung entzogen würde. Es sei vielmehr das Vorgehen der gefährdeten Partei selbst sittenwidrig, die der Antragsgegnerin durch die beantragte einstweilige Verfügung den Befriedigungsfonds für deren Forderung entziehen wolle. Es müsse auch das Vorliegen einer Wettbewerbshandlung durch die Antragsgegnerin verneint werden, da diese die Elektrogeräte nur deshalb verkauft habe, um ihre Forderung gegen die gefährdete Partei befriedigen zu können.
Der Oberste Gerichtshof bewilligte über Revisionsrekurs der gefährdeten Partei die beantragte einstweilige Verfügung unter Festsetzung einer Sicherheitsleistung.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das Rekursgericht hat selbst als bescheinigt angenommen, daß zwischen der gefährdeten Partei und der Antragsgegnerin Werkverträge bestanden haben, und zwar sowohl hinsichtlich der Herstellung von Volksbackrohren als auch durch fallweise Bestellungen hinsichtlich der Volksherde, und zwar auf Grund von Vorlagen, die von der gefährdeten Partei stammen und der Antragsgegnerin zum Zwecke der Herstellung der erwähnten Erzeugnisse übergeben wurden. In ihrem Rekurs gegen die vom Erstgericht erlassene einstweilige Verfügung hat die Antragsgegnerin zugegeben, daß sie Geräte, die nach diesen ihr von der gefährdeten Partei anvertrauten Vorlagen von ihr hergestellt wurden, mag es sich auch um Lagerware gehandelt haben, deren Annahme von der gefährdeten Partei verweigert wurde, abverkauft hat. Damit sind aber die Voraussetzungen des § 12 UWG. jedenfalls hinsichtlich der Volksbackrohre als im Verfahren über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hinlänglich glaubhaft gemacht anzusehen. Nach § 12 UWG. ist strafbar, wer die ihm im geschäftlichen Verkehr anvertrauten Vorlagen oder Vorschriften technischer Art zum Zwecke des Wettbewerbes unbefugt verwertet. Anvertraut sind Vorlagen oder Vorschriften, die vertraglich oder außervertraglich mit der ausdrücklich oder aus den Umständen folgenden Verpflichtung überlassen werden, sie nur im Interesse des Anvertrauenden zu verwerten. Dadurch, daß die gefährdete Partei die Vorlagen der Antragsgegnerin zum Zwecke der Erzeugung für die gefährdete Partei übergeben hat, hat sie diese Vorlagen der Antragsgegnerin im Sinne des § 12 UWG. anvertraut. Ob die gefährdete Partei die Annahme der auf Grund dieser Vorlagen von der Antragsgegnerin erzeugten Geräte verweigert hat oder nicht, ist ebenso wie der Umstand, ob es sich bei den von der Antragsgegnerin verkauften Geräten um Lagerware oder um nach Vertragsauflösung neu hergestellte Waren handelt, für die rechtliche Beurteilung der hier zu lösenden Rechtsfrage ohne Bedeutung; denn die Antragsgegnerin durfte die nach den Vorlagen der gefährdeten Partei hergestellten Waren nicht ohne Zustimmung der gefährdeten Partei an andere verkaufen. Die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, daß dieser Verkauf nicht unbefugt erfolgt sei, ist unrichtig, denn wenn auch die Antragsgegnerin von der gefährdeten Partei damit betraut war, die Geräte zu erzeugen, so durfte die Antragsgegnerin doch diese Geräte nicht ohne Zustimmung der gefährdeten Partei an Dritte verkaufen, ohne Unterschied, ob es sich um Lagerware oder nachträglich neu erzeugte Geräte handelte. Der Verkauf von Geräten, die nach Vorlagen der gefährdeten Partei hergestellt wurden, ohne deren Zustimmung ist daher eine unbefugte Verwertung. Als eine unbefugte Verwertung ist es anzusehen, wenn ein Gewerbsmann eine ihm mitgeteilte Idee oder Vorlage, bei deren Ausführung er im Rahmen seines Geschäftszweiges gegen Entgelt mitwirken soll, selbst verwertet und auf diesem Wege zu seinem Auftraggeber in einen Wettbewerb tritt. Es ist daher als bescheinigt anzusehen, daß die Antragsgegnerin Elektrogeräte nach Vorlagen, die ihr von der gefährdeten Partei anvertraut waren, zwar auftragsgemäß hergestellt, aber unbefugt an dritte Personen weiterveräußert hat.
Es ist aber auch die Frage zu bejahen, ob der Verkauf in Wettbewerbsabsicht erfolgte. Denn ein Wettbewerbsverhältnis liegt bereits darin, daß beide Streitteile in der gleichen Branche ihre Geschäfte tätigen und damit zueinander in einem Wettbewerbsverhältnis stehen. Daß die Antragsgegnerin die Geräte nur zu dem Zweck weiter veräußert haben will, um für ihre Forderung gegen die gefährdete Partei Befriedigung zu erlangen, schließt ein Wettbewerbsverhältnis und damit ein Handeln zum Zwecke des Wettbewerbes nicht aus.
Hinsichtlich der Sittenwidrigkeit der Handlungsweise der Antragsgegnerin ist darauf zu verweisen, daß dann, wenn eine Handlung den Tatbestand einer im UWG. im besonderen verbotenen Handlung erfüllt, die Frage, ob diese Handlung im allgemeinen gegen die guten Sitten verstößt, nicht zu prüfen ist, weil das Gesetz durch die Stellung dieses Tatbestandes unter Strafsanktion zum Ausdruck bringt, daß es die Handlung für eine mit den Grundsätzen des Wettbewerbes nicht vereinbarliche hält (Rechtsprechung 1933 Nr. 119, JBl. 1933, S. 478). Es ist aber auch die Ansicht des Rekursgerichtes verfehlt, daß durch die beantragte einstweilige Verfügung der Antragsgegnerin der Befriedigungsfonds für ihre Forderungen gegen die gefährdete Partei entzogen würde. Denn es steht der Antragsgegnerin frei, auf Grund des im Rechtsstreit 8 Cg 199/54 gefällten Urteiles, sobald dieses in Rechtskraft erwachsen ist, Exekution zur Befriedigung und unter den Voraussetzungen der §§ 370 oder 371a EO. auch derzeit schon Exekution zur Sicherstellung auf die zu verwahrenden Gegenstände zu führen.
Was die Volksherde anlangt (daß auch Kochplatten oder sonstige Geräte, die nach Vorlagen der gefährdeten Partei hergestellt wurden, von der Antragsgegnerin verwertet wurden, hat die gefährdete Partei selbst nicht behauptet), so erscheint durch den Inhalt des Aktes 8 Cg 199/54 des Landesgerichtes für ZRS. Graz, auf den sich die gefährdete Partei zur Bescheinigung ihres Anspruches berufen hat, immerhin glaubhaft gemacht, daß auch die Volksherde nach Vorlagen der gefährdeten Partei hergestellt wurden. Da aber nicht voll bescheinigt ist, daß auch derartige Volksherde von der Antragsgegnerin weiterverkauft wurden, war zwar die einstweilige Verfügung in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang zu bewilligen, der Vollzug aber von einer angemessenen Sicherheitsleistung der gefährdeten Partei abhängig zu machen.
Anmerkung
Z27270Schlagworte
Betriebsgeheimnis, anvertraute Vorlagen, Geheimnisverrat, anvertraute Vorlagen, Verwertung, unbefugte - anvertrauter Vorlagen, Vorlagen, anvertraute, Werkspionage, anvertraute Vorlagen, Wettbewerb anvertraute VorlagenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1954:0030OB00658.54.1027.000Dokumentnummer
JJT_19541027_OGH0002_0030OB00658_5400000_000