Norm
ABGB §608Kopf
SZ 27/266
Spruch
Die Prüfung des vom Vorerben gelegten Endausweises obliegt dem Abhandlungsgericht.
Entscheidung vom 27. Oktober 1954, 1 Ob 765/54.
I. Instanz: Bezirksgericht Kufstein; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.
Text
Josef R. hat in seinem Testament vom 3. März 1934 (4. Feber 1946) angeordnet, daß seine Witwe Katharina R. Universalerbin sein solle und daß nach ihrem Tod alles seinem Enkelkind Anneliese H. zuzufallen habe. Der mit der fideikommissarischen Substitution belastete Nachlaß wurde der Witwe, die sich unbedingt zur Erbin erklärt hatte, mit dem Beschluß vom 10. Mai 1948 eingeantwortet.
Nach einem mehrjährigen Verfahren genehmigte das Erstgericht die von der Vorerbin Katharina R. über das Substitutionsvermögen gelegte Endabrechnung und den Endausweis dieses Vermögens. Im Punkt 1 wurden die Aktiven und Passiven des Substitutionsvermögens einander gegenübergestellt und ausgesprochen, daß sich zugunsten der Masse ein offener Rest von 6415.25 S ergebe, den die Vorerbin an die Substitutionsmasse in bar zurückerstatten müsse. Im Punkt 2 wurde der Antrag der Nacherbin, die Vorerbin habe einen zusätzlichen Feuerversicherungsvertrag abzuschließen, abgewiesen und im Punkt 3 dem Antrag der Vorerbin, einen Betrag von 5000 S für verschiedene Reparaturen am Substitutionsobjekt freizugeben, nicht stattgegeben. Im Punkt 4 wurde die Vorerbin verpflichtet, die aus dem Vergleich mit Maria G. vom 9. Dezember 1953 eingehenden Beträge auf das Sparkonto der Substitutionsmasse zu erlegen. Zugleich wurde der Vergleich kuratelbehördlich genehmigt.
Infolge Rekurse der Vorerbin und der Nacherbin bestätigte das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluß im Punkt 3, hob ihn in den Punkten 1, 2 und 4 als nichtig auf und wies die zugrunde liegenden Anträge der Parteien zurück. Die Überwachung der Wirtschaftsführung der Vorerbin gehe nicht so weit, daß sich die Nacherbin oder deren Kurator einmengen dürften. Dem Substitutionsgericht fehle die rechtliche Handhabe, der Vorerbin aufzutragen, Rechnung zu legen. Ebensowenig sei das Gericht berufen, eine vorgelegte Rechnung zu genehmigen oder der Vorerbin Aufträge zu erteilen. Komme es zu Differenzen mit der Vorerbin und könnten diese nicht bereinigt werden, müsse sich die Nacherbin vom Substitutionsgericht die Ermächtigung zur Klage gegen die Vorerbin geben lassen. Das Erstgericht habe in den Punkten 1, 2 und 4 seines Beschlusses seine Befugnisse überschritten. Daher seien diese Teile des Beschlusses nichtig.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Nacherbin Folge, hob die Rekursentscheidung, die im bestätigenden Teil unberührt blieb, im übrigen auf und beauftragte das Rekursgericht, über die Rekurse der Vorerbin und der Nacherbin gegen den Beschluß des Erstgerichtes vom 17. März 1954 sachlich zu entscheiden.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Dem vom Erblasser eingesetzten Vorerben kommt nach § 613 ABGB. das eingeschränkte Eigentumsrecht mit den Rechten und Verbindlichkeiten eines Fruchtnießers zu. Als solcher hat er das Recht, die Sache mit Schonung der Substanz ohne alle Einschränkung zu genießen (§ 509 ABGB.). Dem Schutz der Erhaltung des Substitutionsvermögens dienen die im § 92 Z. 3 AußstrG. angeordnete Inventierung, die Eintragung des Substitutionsbandes im Grundbuch, die Sicherstellung und die gerichtliche Verwahrung (§ 158 AußstrG.), insbesondere im Interesse minderjähriger Nacherben. Dazu kommt nach § 175 AußstrG., daß auch die in den §§ 165 ff. enthaltenen Vorschriften über den Endausweis des Standes der reinen Verlassenschaft bei Substitutionserbschaften anzuwenden sind.
Bei der Berechnung der reinen Erbschaft ist nach § 167 AußstrG. zuerst das Verlassenschaftsvermögen nach dem Inventar, mithin nach dem Zustand, in dem es sich am Todestag befunden hat, anzusetzen. Es sind aber auch die späteren Vermehrungen und Verminderungen des Vermögens und der Betrag der Schulden und Lasten auszuweisen. Im Endausweis ist nach § 172 AußstrG. der reine Aktivstand der Verlassenschaft anzuführen. Dieser Ausweis hat bei der künftigen Führung der Kuratelsrechnung als Anhalts- und Ausgangspunkt zu dienen.
Wenngleich das Substitutionsgericht in erster Linie für die Erhaltung des Vermögensstammes zu sorgen hat und der Vorerbe im Bezug der Früchte frei ist, läßt sich beides voneinander nicht trennen, besonders, wenn das Substitutionsvermögen ein lebendes Unternehmen - wie hier den Gasthof in Th. - zum Gegenstand hat. Der reine Stand des Substitutionsvermögens läßt sich nur an Hand einer vollständigen Abrechnung bestimmmen, die von der Vorerbin dem Substitutionsgericht gelegt werden muß. Dieses hat klarzustellen, welche Aktiv- und Passivposten zum Vermögensstamm gehören und danach den Endausweis zu überprüfen. In die Fruchtgenußrechte der Vorerbin wird dadurch entgegen der Meinung des Rekursgerichtes nicht eingegriffen, weil erst die Scheidung der Früchte vom Vermögensstamm der Vorerbin den Fruchtgenuß ermöglicht und verhindert, daß der Stamm der Substitutionsmasse ohne Genehmigung des Substitutionsgerichtes angegriffen wird (vgl. auch OGH. E. v. 15. September 1926, SZ. VIII/259, v. 14. Juni 1925, SZ. VII/299).
Mit Recht verweist die Revisionsrekurswerberin darauf, daß das Verlassenschaftsgericht seine Befugnisse nicht überschritten hat und daß daher die vom Rekursgericht angenommene Nichtigkeit des Verfahrens nicht vorliegt. Es wäre vielmehr Sache des Rekursgerichtes gewesen, über die Rekurse der Vorerbin und der Nacherbin sachlich zu entscheiden und zu diesem Zweck die Erwägungen des Erstgerichtes, das die einzelnen strittigen Posten beurteilt hat, zu überprüfen.
Anmerkung
Z27266Schlagworte
Abhandlung Endausweis des Vorerben, Endausweis, Prüfung des - des Vorerben, Prüfung des Endausweises des Vorerben, Vorerbe, Prüfung seines EndausweisesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1954:0010OB00765.54.1027.000Dokumentnummer
JJT_19541027_OGH0002_0010OB00765_5400000_000