Norm
ABGB §366Kopf
SZ 27/288
Spruch
Eine Feststellungsklage des Mieters, daß er Hauptbestandnehmer sei, ist nicht deshalb unzulässig, weil die gleiche Feststellung auch mittels eines Zwischenantrages auf Feststellung in dem vom Hauseigentümer gegen ihn anhängig gemachten Räumungsprozeß begehrt werden könnte.
Entscheidung vom 10. November 1954, 3 Ob 737/54.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Kläger stellt in der am 22. Feber 1954 überreichten Klage das Begehren, dem Beklagten gegenüber festzustellen, daß er Hauptmieter des im Hause des Beklagten gelegenen und aus einer Glaserwerkstätte und einem Verkaufsraum bestehenden Mietobjektes Nr. 3 sei, und begrundet sein Interesse an der alsbaldigen Feststellung damit, daß der Beklagte behaupte, es stehe dem Kläger an dem Mietobjekt kein Recht zu, er werde ihn aus dem Lokal hinauswerfen, und daß der Vertreter des Beklagten dem Klagsvertreter mitgeteilt habe, er habe bereits die Räumungsklage gegen den Kläger eingebracht.
Das Prozeßgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, es mangle dem Kläger ein Interesse an der alsbaldigen Feststellung, weil der Beklagte bereits am 11. Feber 1954 zu 4 C 119/54 des Bezirksgerichtes Hernals die Räumungsklage gegen den Kläger eingebracht habe, daher die Fortsetzung des Verfahrens über die Feststellungsklage unzulässig, zweck- und wertlos sei und der Prozeßökonomie widerspreche. Die Feststellungsklage sei nur dann zulässig, wenn besondere Umstände dargetan werden, aus denen sich ergebe, daß das vorhandene Interesse nur im Wege einer Feststellungsklage befriedigt werden könne. Solche Umstände habe der Kläger gar nicht behauptet.
Das Berufungsgericht hob das Urteil des Prozeßgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht zurück. Es vertrat die Ansicht, daß neben oder statt einer Leistungsklage eine Feststellungsklage dann zulässig sei, wenn das rechtliche Interesse des Feststellungsklägers durch die Entscheidung über die Leistungsklage nicht voll befriedigt werden könne. Dies sei aber hier der Fall. Denn es decke sich das Leistungsbegehren des Beklagten in der Leistungsklage 4 C 119/54 des Bezirksgerichtes Hernals und das Feststellungsbegehren des Klägers weder im Inhalt noch im Umfang, es könnte aber auch das Räumungsbegehren unter Umständen aus Gründen abgewiesen werden, die es offenlassen, ob zwischen den Streitteilen ein Bestandvertrag bestehe oder nicht, so daß das rechtliche Interesse des Klägers auf Feststellung seiner Rechtsbeziehungen zum Beklagten auch nicht durch einen Zwischenantrag auf Feststellung befriedigt werden könne. Es genüge daher schon das Vorbringen des Klägers in der Klage zur Dartuung, daß er an der Klärung seiner Dauerrechtsbeziehung zum Beklagten ein rechtliches Interesse habe, das durch eine Abweisung der Räumungsklage nicht voll befriedigt werden könne.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Rekurs wendet sich zunächst gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, es bestehe trotz der Anhängigkeit des Räumungsstreites 4 C 119/54 des Bezirksgerichtes Hernals zwischen den Streitteilen noch ein rechtliches Interesse des Klägers an der alsbaldigen Feststellung seiner Hauptmietrechte im Hause des Beklagten, und führt hiezu aus, der Beklagte habe bereits eine Räumungs-, somit eine Leistungsklage eingebracht, eine Feststellungsklage sei in einem solchen Falle aber nur dann zulässig, wenn der Kläger besondere Umstände dartue, nach denen das rechtliche Interesse nur im Wege eines separaten Feststellungsprozesses befriedigt werden könne. Dies habe aber der Kläger in erster Instanz nicht getan, das Berufungsgericht habe unter Verletzung des Neuerungsverbotes auf die erst in der Berufung geltend gemachten besonderen Umstände Bedacht genommen.
Der Beklagte geht zwar von der an sich richtigen Meinung aus, daß im allgemeinen eine Feststellungsklage nicht zulässig sei, wenn eine Leistungsklage erhoben werden könne. Er übersieht aber, daß dem Kläger eine Leistungsklage gar nicht zustehe und er daher eine solche nicht einbringen kann. Daß der Beklagte eine Räumungsklage gegen den Kläger eingebracht hat, steht einer Feststellungsklage des Klägers, daß er Hauptmieter des Mietobjektes sei, auf dessen Räumung er vom Beklagten geklagt wurde, nicht entgegen. Davon abgesehen ist bei Dauerschuldverhältnissen, wie einem Bestandvertrag, die Feststellungsklage des Mieters, daß er Hauptbestandnehmer sei, auch dann zulässig, wenn hinsichtlich einzelner Ansprüche eine Leistungsklage möglich wäre. Das rechtliche Interesse des Klägers an der Feststellung seines Mietrechtes kann schon deshalb nicht bestritten werden, weil es sich um die Klarstellung eines sogar seinem Bestehen und dem Inhalte nach vom Beklagten bestrittenen Dauerschuldverhältnisses handelt, aus dem sich laufende Rechte und Pflichten der Beteiligten ergeben. Das rechtliche Interesse des Klägers besteht darin, daß er wissen will, ob und wie weit er mit der Fortdauer des Rechtsverhältnisses rechnen könne und welches seine Rechtsstellung sei. Bei Bestandverträgen von längerer Dauer ist daher im Zweifel ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung gegeben, u. zw. ohne Rücksicht darauf, ob eine Leistungsklage möglich ist oder nicht (GlUNF. 1055, SZ. XVIII/135, EvBl. 1950 Nr. 560, 1 Ob 951/52, 1 Ob 265/54, 2 Ob 658/52, 3 Ob 187/54, 4 Ob 197/53, u. a. m.). Daß der Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung seines Bestandrechtes habe, hat er bereits in der Klage ausreichend damit begrundet, daß der Beklagte den Bestand seines Mietrechtes bestreite, erkläre, ihn aus dem Objekt entfernen zu wollen, und daß er eine Räumungsklage gegen den Kläger eingebracht habe. Der Dartuung weiterer besonderer Umstände, die das Feststellungsinteresse rechtfertigen, bedarf es daher gar nicht, weshalb die Frage, ob das Berufungsgericht durch die Berücksichtigung weiterer, erst in der Berufung geltend gemachter besonderer Umstände das Neuerungsverbot verletzt hat, nicht erörtert zu werden braucht. Da nach der Rechtsprechung (SZ. XVIII/135 und 161, ZBl. 1935 Nr. 28 - die als gegenteilig in der Ausgabe der ZPO. von Stagel - Michlmayr, bei § 228 unter A Nr. 9 angeführten Entscheidungen ZBl. 1919 Nr. 125 und 1920 Nr. 94 besagen nicht ausdrücklich, daß eine Feststellungsklage bei Möglichkeit der Stellung eines Zwischenantrages unzulässig sei -), eine Feststellungsklage auch dann zulässig ist, wenn die gleiche Feststellung auch mittels eines Zwischenantrages unzulässig sei -, eine Feststellungsklage auch Kläger das Recht zu einer selbständigen Feststellungsklage eingeräumt werden, selbst wenn er die Möglichkeit hätte, im Räumungsprozeß gemäß § 259 ZPO. einen Zwischenantrag auf Feststellung seines Mietrechtes zu stellen. Das Recht auf Erhebung einer Feststellungsklage muß dem Kläger umso eher zugebilligt werden, als ihm ja im Zeitpunkte der Klagseinbringung die Räumungsklage noch nicht zugestellt worden war, er daher bei Richtigkeit der Rechtsansicht des Beklagten das Klagebegehren auf Kostenersatz einschränken müßte, wodurch aber ein gleichgroßer Prozeß- und Kostenaufwand für die Entscheidung über den Prozeßkostenersatz entstehen würde, da ja auch in diesem Falle Beweise über das Bestehen des Hauptmietverhältnisses aufgenommen werden müßten, um über die Berechtigung der Klagseinbringung selbst entscheiden zu können, andererseits aber bei Stellung eines Zwischenantrages im Räumungsverfahren der Kläger Gefahr laufen könnte, daß im Falle einer Zurückziehung der Räumungsklage über diesen Zwischenantrag nicht entschieden werden könnte.
Was der Rekurs hinsichtlich der Notwendigkeit weitergehender Feststellungen im Räumungsprozeß als im Feststellungsprozeß vorbringt, ist abgesehen davon, daß aus den vorerwähnten Gründen der Räumungsprozeß der Feststellungsklage nicht im Wege steht, auch deshalb unrichtig, weil im Räumungsprozeß lediglich festzustellen ist, ob dem Kläger ein Titel für die Benützung des zu räumenden Objektes zusteht oder nicht, während im Feststellungsprozeß auch über die Art des Titels (Hauptmiete, Pacht- oder Untermiete) Feststellungen notwendig sein könnten, wenn der Beklagte zwar das Bestehen eines Pacht- oder Untermietverhältnisses bejahen, aber das eines Hauptmietverhältnisses bestreiten sollte.
Wenn der Beklagte schließlich darauf verweist, es könnte die Gefahr entstehen, daß in zwei gleichen anhängigen Verfahren zwei Gerichte verschiedene Entscheidungen fällen könnten, so muß ihm entgegengehalten werden, daß das mit der Entscheidung über den Räumungsprozeß befaßte Gericht sein Verfahren gemäß § 190 ZPO. unterbrechen kann, da die Entscheidung über die Feststellungsklage von präjudizieller Bedeutung für das Räumungsverfahren ist.
Da somit das Berufungsgericht das rechtliche Interesse des Klägers an der alsbaldigen Feststellung und die Zulässigkeit der Feststellungsklage mit Recht bejaht hat, mußte dem Rekurs der Erfolg versagt bleiben.
Anmerkung
Z27288Schlagworte
Feststellungsklage des Mieters, Mieter, Feststellungsklage, Räumungsklage Feststellungsklage, Zwischenantrag auf Feststellung, MieterEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1954:0030OB00737.54.1110.000Dokumentnummer
JJT_19541110_OGH0002_0030OB00737_5400000_000