Norm
ABGB §877Kopf
SZ 27/282
Spruch
Auch die bei Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages (§ 1175 ABGB.) erforderliche Bereinigung der gegenseitigen Ansprüche der Gesellschafter kann im weiteren Sinne des Wortes als eine "Auseinandersetzung" bezeichnet werden.
Entscheidung vom 10. November 1954, 1 Ob 834/54.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Streitteile betrieben auf Grund eines im Jahre 1949 geschlossenen Gesellschaftsvertrages bis zum 13. Mai 1952 eine handwerksmäßige Lederhandschuherzeugung. Dieser Gesellschaftsvertrag ist, da er gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig.
Die Klägerin begehrt das ihr nach ihrer Behauptung zustehende Auseinandersetzungsguthaben, berechnet mit 13. Mai 1952, in der Höhe von 15.568.34 S.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Infolge der Nichtigkeit des Vertrages habe die Klägerin nicht Anspruch auf ein Auseinandersetzungsguthaben. Da sie einen anderen Rechtsgrund nicht geltend gemacht habe, sei auf die Frage, ob ihr etwa aus dem Titel der Bereicherung ein Anspruch zustehe, nicht einzugehen.
Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Vorbehalt der Rechtskraft auf. Die Klägerin habe das Auseinandersetzungsguthaben ohne Rücksicht darauf verlangt, ob der Gesellschaftsvertrag gültig sei oder nicht. Eine Vermögensauseinandersetzung sei auch bei rückwirkender Nichtigkeit des Vertrages möglich. Hinsichtlich der Frage, in welcher Weise sie zu geschehen habe, schloß sich das Berufungsgericht der von Wahle in Klangs Komm. 2. Aufl., zu § 1175 ABGB. vertretenen Auffassung an.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Rekurswerber vertritt zunächst die Ansicht, daß der Klägeringerin allenfalls ein Versions- oder Bereicherungsanspruch zustehe, den sie aber nicht geltend gemacht habe. Das Verlangen nach einem Auseinandersetzungsguthaben setze die Gültigkeit des Vertrages voraus.
Dieser Ansicht kann nicht beigepflichtet werden. Wie das Berufungsgericht bereits zutreffend hervorgehoben hat, macht die Klägerin ihren Anspruch ohne Rücksicht auf die Gültigkeit des Gesellschaftsvertrages geltend. Sie stützt sich daher nicht ausschließlich auf die Gültigkeit des Vertrages. Sie bezeichnet ihren Anspruch als Auseinandersetzungsguthaben. Selbst wenn diese Bezeichnung unrichtig wäre, so wäre dies rechtlich belanglos, weil darin keine Festlegung auf einen bestimmten Rechtsgrund gelegen ist. Das Gericht hätte daher auch in diesem Falle prüfen müssen, ob der fälschlich als Auseinandersetzungsguthaben bezeichnete Anspruch bei Nichtigkeit des Vertrages gegeben wäre. Überdies ist diese Bezeichnung zumindest nicht vollkommen falsch, sondern bloß ungenau. Denn auch die bei rückwirkender Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages zwischen den Gesellschaftern erforderliche Bereinigung ihrer gegenseitigen Ansprüche kann im weiteren Sinne des Wortes als eine "Auseinandersetzung" bezeichnet werden. Es ist daher auch nicht richtig, daß der Anspruch der Klägerin nur unter der Voraussetzung der Gültigkeit des Vertrages gegeben sein kann.
Dem Rekurswerber ist allerdings beizupflichten, daß im bisherigen Verfahren seitens der Klägerin nicht alle jene Tatsachenangaben gemacht wurden, wie sie gemäß dem Auftrage des Berufungsgerichtes zur Substanzierung ihres Anspruches erforderlich sind. Auch dieser Mangel kann der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen. Denn das Erstgericht hätte bereits gemäß § 182 ZPO. auf seine Behebung dringen müssen. Es wurde daran nur durch seine unrichtige Rechtsansicht gehindert. Die Ergänzung der Klagsangaben in der vom Berufungsgericht bezeichneten Richtung bedeutet keine Änderung des Klagegrundes, sondern nur eine zulässige Ergänzung des tatsächlichen Vorbringens. Es liegt darin also entgegen der Meinung des Rekurswerbers auch keine Klagsänderung.
Anmerkung
Z27282Schlagworte
Auseinandersetzung bei Nichtigkeit eines Gesellschaftsvertrages, Gesellschaftsvertrag, Auseinandersetzung, Gesellschaftsvertrag Nichtigkeit, Nichtigkeit eines Gesellschaftsvertrages, Auseinandersetzung bei -European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1954:0010OB00834.54.1110.000Dokumentnummer
JJT_19541110_OGH0002_0010OB00834_5400000_000