TE Vwgh Erkenntnis 2005/2/28 2003/03/0134

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Veröffentlicht am 28.02.2005
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E13206000;
E6J;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
91/01 Fernmeldewesen;

Norm

31990L0387 ONP-RL Einführung Art5a Abs3 idF 31997L0051;
61999CJ0462 Connect Austria VORAB;
B-VG Art133 Z4;
EURallg;
TKG 1997 §125 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:* Ausgesetztes Verfahren: 2000/03/0125 B 29. Jänner 2003 * EuGH-Entscheidung: EuGH 61999CJ0462 22. Mai 2003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Berger, Mag. Samm und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der T AG in W, vertreten durch Cerha Hempel & Spiegelfeld Partnerschaft von Rechtsanwälten in 1010 Wien, Parkring 2, gegen den Bescheid der Telekom-Control-Kommission vom 27. März 2000, Zl. Z 30/99-88, betreffend Zusammenschaltungsanordnung (mitbeteiligte Partei:

C GmbH in W, vertreten durch Dr. Stefan Köck, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilergasse 16), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Spruchpunkte A. und B.1. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit dem angefochtenen Bescheid ordnete die belangte Behörde im Spruchpunkt A. ("Zusammenschaltungsanordnung") gemäß § 41 Abs 3 in Verbindung mit § 111 Z 6 Telekommunikationsgesetz, BGBl. I Nr. 100/1997 idF BGBl. I Nr. 188/1999 ("TKG") auf Antrag der mitbeteiligten Partei Bedingungen für die Zusammenschaltung des öffentlichen Telekommunikationsnetzes der mitbeteiligten Partei mit dem öffentlichen Telekommunikationsnetz der Beschwerdeführerin an. Im Spruchpunkt B. ("Sonstige Anordnungen") wurden Informationspflichten festgelegt (Punkt 1.) und der mitbeteiligten Partei die Tragung von Sachverständigengebühren auferlegt (Punkt 2.).

Entsprechend der Präambel gilt die Anordnung ab Rechtskraft des Bescheides (Zustellung an beide Verfahrensparteien) auf unbestimmte Zeit. Demgegenüber werden die Regelungen betreffend die verkehrsabhängigen Zusammenschaltungsentgelte mit 31. März 2001 befristet. Wesentlicher Inhalt der Zusammenschaltungsbedingungen gemäß Spruchpunkt A. ist die Neufestlegung der Entgelte. Diese werden für die jeweiligen Verkehrsarten (Originierung, Terminierung, Transit) in ATS pro Minute angegeben, wobei zwischen peak-Zeiten (Montag bis Freitag, werktags von 8 Uhr bis 18 Uhr) und off-peak-Zeiten (alle übrigen Zeiten) unterschieden wird; die Entgelte sollen verkehrsvolumenunabhängig und auf der Grundlage einer Sekundenabrechnung der zustande gekommenen Verbindungen verrechnet werden.

Begründend führte die belangte Behörde (bezogen auf die Entgelthöhe) im Wesentlichen Folgendes aus:

Basis für die Bewertung der verkehrsabhängigen Zusammenschaltungsentgelte sei das - auf Grundlage eines Top-Down-Ansatzes erstellte - Kostenrechnungsmodell der Beschwerdeführerin gewesen, das von den betriebswirtschaftlichen Amtssachverständigen in mehreren Bereichen angepasst und korrigiert worden sei. Die Anpassungen hätten insbesondere die Abschreibungsdauer, die Wiederbeschaffungs- und Verkehrswerte für das Jahr 2000 und den Kapitalkostenzinssatz betroffen. Daneben sei ein - in Kooperation mit dem wissenschaftlichen Institut für Kommunikationsdienste ("WIK") erstelltes - Bottom-up-Modell herangezogen worden.

Die belangte Behörde erörterte Annahmen und Grundsätze dieser beiden Modelle; die Ergebnisse von Bottom-up-Modellen seien als Untergrenze für die kostenorientiert festzusetzenden Entgelte heranzuziehen gewesen. Bei einem Top-Down-Ansatz gelte es, alle für die Zusammenschaltung nicht relevanten Kosten zu eliminieren, nämlich nicht direkt zurechenbare Kosten, Altlasten, Überkapazitäten und Ineffizienzen. Die unterschiedlichen Ergebnisse der beiden Ansätze hätten gezeigt, dass sowohl in der Netzstruktur, bei der eingesetzten Technologie und bei den unterstützenden Prozessen Effizienzpotentiale noch nicht ausgeschöpft seien (so werde bei der Mietleitungsnachfrage keine zukunftsorientierte Betrachtungsweise angestrengt und eine alte Netzstruktur mit Stand 31. Dezember 1998 verwendet). Die deshalb geboten gewesenen Anpassungen seien nur im Wege einer Schätzung möglich gewesen, weil den betriebswirtschaftlichen Amtssachverständigen keine Daten hinsichtlich der verfügbaren Kapazitäten in der Übertragungstechnik und der Reservekapazitäten, der tatsächlichen und zukünftigen Entwicklung der Mietleitungsnachfrage, des derzeitigen Standes des Netzes und hinsichtlich der zukünftigen Netzoptimierungspläne sowie hinsichtlich der Optimierung der Geschäftsprozesse vorgelegt worden seien. Die betriebswirtschaftlichen Amtssachverständigen seien deshalb von einer mindestens 20 %igen möglichen Effizienzverbesserung ausgegangen. Die auf der Basis des Top-Down-Modells unter Annnahme eines 20 %igen Verbesserungspotentiales berechneten FL-LRAIC eines effizienten Netzbetreibers hätten die Obergrenze für die Zusammenschaltungskosten ergeben.

Die konkrete Höhe der Zusammenschaltungsentgelte sei nun zwecks bestmöglicher Annäherung an die zukunftsorientierten langfristigen zusätzlichen Kosten eines effizienten Netzbetreibers aus dem arithmetischen Mittel aus dem Bottom-up-Modell und dem Top-Down-Modell (unter Annahme eines 20 %igen Verbesserungspotentiales) errechnet worden. Die daraus resultierenden Werte lägen zwar geringfügig über den Benchmarks der (nicht verbindlichen) Empfehlung der Europäischen Kommission vom 20. März 2000, bewegten sich im internationalen Vergleich aber immerhin im besseren Mittelfeld. Doch lasse sich eine Entgeltfestlegung allein auf der Basis von Vergleichswerten anderer Länder ohnehin nicht rechtfertigen (was näher begründet wurde).

In der gegen den angefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die Beschwerdepunkte werden wie folgt ausgeführt:

"Der angefochtene Bescheid verletzt die T in ihrem Recht gemäß § 41 Abs 3 TKG auf kostenorientierte Festlegung von Zusammenschaltungsentgelten. Der angefochtene Bescheid verletzt die Beschwerdeführerin auch in ihrem durch die gemeinschaftsrechtlichen Grundrechte gewährleisteten Erwerbsfreiheits- und Eigentumsrecht, dass ihr nicht kostendeckende Zusammenschaltungsentgelte nicht vorgeschrieben werden. Sodann verletzt der bekämpfte Bescheid die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Nichtanwendung einer gesetzlich nicht normierten Beweislastregel zu ihrem Nachteil. Schließlich verletzt der bekämpfte Bescheid die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf nicht rückwirkende Festsetzung von Zusammenschaltungsentgelten gemäß § 41 Abs 3 TKG."

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit hg. Erkenntnis vom 9. September 2003, Zl. 2003/03/0095, auf welches gemäß § 43 Abs 2 VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass nach der - auch im Beschwerdefall geltenden - Rechtslage (TKG idF vor der Novellierung durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 26/2000) gemäß Art 133 Z 4 B-VG Angelegenheiten, über die die belangte Behörde entschieden hat, nach österreichischem nationalen Recht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgenommen waren und dass sich die vom EuGH mit Urteil vom 22. Mai 2003 (Rechtssache C-462/99) aus Art 5a Abs 3 der Richtlinie 90/387/EWG idF der Richtlinie 97/51/EG abgeleitete Verpflichtung des Verwaltungsgerichtshofes zur Nachprüfung nur auf den Schutz der dem Einzelnen vom Gemeinschaftsrecht eingeräumten materiellen Rechte, nicht aber auch auf den Schutz bloß im nationalen Recht verankerter individueller Rechte beziehen kann.

Es war somit auch im Beschwerdefall bloß auf das Beschwerdevorbringen, das die Beschwerdepunkte des Rechtes auf kostenorientierte Festlegung von Zusammenschaltungsentgelten (siehe den in Erwägungsgrund 10 der Richtlinie 97/33/EG verankerten Grundsatz der Kostenorientierung für die Bestimmung von Zusammenschaltungsentgelten für Organisationen mit beträchtlicher Marktmacht) bzw. des aus dem gemeinschaftsrechtlich garantierten Eigentumsgrundrecht abgeleiteten Rechtes, dass nicht kostendeckende Zusammenschaltungsentgelte der Beschwerdeführerin nicht vorgeschrieben werden dürfen, betraf, einzugehen.

Da der dem Beschwerdeverfahren zu Grunde liegende Sachverhalt im Wesentlichen dem dem hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 2002, Zl. 2000/03/0190, zu Grunde liegenden Sachverhalt gleicht, mit dem vor dem Hintergrund der identen Rechtslage über die in der vorliegenden Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen, die das gemeinschaftsrechtlich verankerte Recht auf Festlegung von Zusammenschaltungsentgelten für Organisationen mit beträchtlicher Marktmacht auf der Grundlage der Kostenorientierung betreffen, bereits entschieden wurde, kann gemäß § 43 Abs 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen werden.

Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang der Spruchpunkte A. und B.1. im Hinblick auf die festgestellten wesentlichen Verfahrensfehler - Unschlüssigkeit des Gutachtens betreffend die Bestimmung der Kapitalkosten im Hinblick auf die im Wesentlichen auf einen im Jahr 1998 erzielten Verkaufserlös gestützte Bestimmung des Marktwertes der Beschwerdeführerin; Abzug von unverzinslichem Fremdkapital; nicht schlüssig begründete Heranziehung des Planungswertes BHCA im Zusammenhang mit der Kostenzurechnung für Signalisierungsrechner - wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG aufzuheben. Im Übrigen, also hinsichtlich des Spruchpunktes B.2., war die Beschwerde gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, weil die Beschwerdeführerin durch die Auferlegung der Sachverständigengebühren an die mitbeteiligte Partei nicht in ihren Rechten verletzt wurde.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 28. Februar 2005

Gerichtsentscheidung

EuGH 61999CJ0462 Connect Austria VORAB

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang, partielle Nichtanwendung von innerstaatlichem Recht EURallg1Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Bescheide von Kollegialbehörden iSd B-VG Art133 Z4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003030134.X00

Im RIS seit

25.03.2005

Zuletzt aktualisiert am

03.05.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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