TE OGH 1954/12/1 1Ob893/54

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Veröffentlicht am 01.12.1954
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Norm

Ehegesetz §49

Kopf

SZ 27/306

Spruch

Arbeitsunwilligkeit einer Jungbäuerin schwere Eheverfehlung nach dem § 49 EheG.

Entscheidung vom 1. Dezember 1954, 1 Ob 893/54.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Das Erstgericht schied die am 31. Jänner 1952 geschlossene Ehe der Streitteile gemäß § 49 EheG. aus beiderseitigem Verschulden und sprach aus, daß das Verschulden des Ehemannes überwiege. Die Ehefrau habe schon vom Anfang der Ehe an mit ihren Schwiegereltern nicht harmoniert, die ihre Landwirtschaft betrieben und bei denen der Ehemann als späterer Gutsübernehmer und die Ehefrau gearbeitet hätten. Diese habe es am ordentlichen Arbeitswillen fehlen lassen, sei morgens erst spät aufgestanden, habe die ihr aufgetragenen Arbeiten nur mit Unlust versehen, die Tätigkeit der Schwiegereltern kritisiert, nicht einmal das Nähen und Kochen besorgt und einigemale sogar den Hof verlassen und ihre Eltern aufgesucht, wenn sie sich von Arbeiten habe drücken wollen. Der Ehemann habe es an der nötigen Unterstützung und dem nötigen Beistand gegenüber dem unfreundlichen Verhalten seiner Eltern zu seiner Frau fehlen lassen, sei zu ihr lieblos gewesen, habe ihr bei einem Gasthausbesuch zwei Ohrfeigen gegeben, sie mit Drecksau beschimpft und sich um sie nach ihrem letzten Wegzug im Jänner 1953 nicht mehr gekümmert und ihr und dem Kind auch keinen Unterhalt geleistet. Bei Gegenüberstellung der beiderseitigen schweren Eheverfehlungen, die zur vollständigen Zerrüttung der Ehe geführt hätten, ergebe sich, daß diejenigen des Ehemannes überwögen.

Der Ausspruch des Erstgerichtes erwuchs in Rechtskraft, soweit er die Scheidung und das Vorliegen des beiderseitigen Verschuldens betraf.

Gegen die Feststellung seines überwiegenden Verschuldens wendete sich der Ehemann mit Berufung. Das Berufungsgericht bestätigte jedoch unter Übernahme seiner Feststellungen das erstgerichtliche Urteil. Beiden Ehegatten habe infolge ihres jugendlichen Alters eine entsprechende eheliche Gesinnung gefehlt. Die von ihnen begangenen Eheverfehlungen hätten sich bis zum Zeitpunkt der Entbindung der Ehefrau (20. November 1952) die Waage gehalten. Dadurch aber, daß der Ehemann für die Folgen der schweren Entbindung und die darauffolgende längere Krankheit der Frau kein Verständnis aufgebracht habe und nicht bereit gewesen sei, die Ehe wieder fortzusetzen, habe er diese endgültig zerrüttet. Aus diesem Grund müsse ihm das überwiegende Verschulden angelastet werden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Ehemannes Folge und erkannte, daß der Ausspruch der Untergerichte, das Verschulden des Ehemannes überwiege, zu entfallen habe.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In rechtlicher Beziehung berücksichtigen die Untergerichte die bäuerlichen Verhältnisse und Lebensansichten zu wenig. Das Erstgericht hat festgestellt, daß die Revisionsgegnerin trotz ihrer im Jahre 1948 überstandenen Gelbsucht bis zu ihrer Entbindung am 20. November 1952 gesund war und abgesehen von den üblichen Schwangerschaftsbeschwerden keine krankhaften Zustände hatte. Trotzdem hat sie die allerdings schwere bäuerliche Arbeit auf der Landwirtschaft ihrer Schwiegereltern von Anfang an nur mit Widerwillen verrichtet, obwohl sie selbst Bauerstocher ist und ihr schon vor der Eheschließung bekannt sein mußte, daß sie als die Gattin des späteren Hofübernehmers gemäß den eindeutigen bäuerlichen Gewohnheiten verpflichtet sein würde, ihre volle Arbeitskraft einzusetzen und ihrem Gatten und den Schwiegereltern nach Kräften beizustehen. Sie kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß das Verhalten der Schwiegereltern ihr die Arbeit verleidet habe. Denn wenn es sich auch bei der Schwiegermutter um eine energische und keine Widerrede duldende Frau handelt, hätte die Revisionsgegnerin als die unerfahrene jüngere Kraft es nie dahin kommen lassen dürfen, daß das Verhältnis zwischen ihnen derart gespannt wurde, daß sie von den Schwiegereltern schließlich abgelehnt wurde. Sicherlich hat es der Revisionswerber an der energischen Stellungnahme gegenüber den Unfreundlichkeiten der Schwiegereltern zu seiner Frau fehlen lassen. Der eigentliche Anlaß für die Zuspitzung der Lage war aber dennoch die Revisionsgegnerin, die nicht nur spät aufstand, die ihr zugewiesenen Arbeiten mangelhaft und unwillig versah und die Arbeit der Schwiegereltern kritisierte, was ihr überhaupt nicht zustand, sondern auch mehrmals den Hof aus dem bloßen Gründe verließ, um sich landwirtschaftlichen Arbeiten zu entziehen, die ihr nicht genehm waren. Dieses Verhalten widersprach gröblichst der auf einem Bauernhof geltenden Arbeitsmoral und muß als die eigentliche Ursache für die bald eingetretene Zerrüttung der Ehe angesehen werden. Die Reaktion der Schwiegereltern war ohne Zweifel ungebührlich, weil sie durch ihre Unfreundlichkeiten die Revisionsgegnerin noch widerspenstiger machten, als sie schon war, und auf ihre Schwangerschaft nur wenig Rücksicht nahmen. Es wäre auch die Pflicht des Revisionswerbers gewesen, die Gegensätze auszugleichen. Wenn dieser aber zu keinem Erfolg kam, lag dies vermutlich daran, daß er als der arbeitende Sohn gegenüber den besitzenden Eltern und besonders der energischen Mutter nicht aufkommen konnte. Zweifellos ist ihm in dieser Richtung eine schwere Eheverfehlung anzulasten, sie kann aber nicht als besonders gravierend angesehen werden. Dem Kläger kann auch nicht zum überwiegenden Verschulden angerechnet werden, daß es zu öfteren Gasthausbesuchen, einmal zu Schlägen gegen seine Gattin und zu deren Beschimpfung mit Drecksau gekommen ist. Alle diese Vorfälle können auf das arbeitsunwillige Verhalten der Revisionsgegnerin und die dadurch entstandenen Spannungen zurückgeführt werden, denen der Revisionswerber teils zu entgehen suchte, teils Reaktionshandlungen entgegensetzte.

Nach der Ansicht des Revisionsgerichtes muß der Eintritt der vollständigen Zerrüttung der Ehe schon auf den Zeitpunkt verlegt werden, als die Revisionsgegnerin im Jänner 1953 den Ehemann endgültig verlassen hat. Wenn der Revisionswerber nachher keinerlei Interesse an der Ehe mehr gezeigt hat, mit der Rückkehr der Ehefrau nicht einverstanden war und am 22. April 1953 die Ehescheidungsklage einbrachte, gibt dies nur einen Hinweis auf das Vorliegen der Zerrüttung, ohne daß das Verhalten diese Zerrüttung erst herbeigeführt hätte, wie das Berufungsgericht meint. Beiden Ehegatten mußte im Jänner 1953 klar geworden sein, daß eine Fortsetzung der Ehe im bäuerlichen Rahmen nicht in Frage komme. Dabei darf nicht übersehen werden, daß die Revisionsgegnerin zwar nach der Entbindung leidend geworden ist, daß aber ihr vorheriges arbeitsunwilliges Verhalten für die Zerrüttung der Ehe maßgebend gewesen war. Was schließlich das Unterbleiben von Unterhaltszahlungen an die Ehefrau betrifft, kann dem Revisionswerber auch in dieser Hinsicht keine allzu schwere Eheverfehlung zur Last gelegt werden, da er ja annehmen mußte, daß die Revisionsgegnerin bei ihren Eltern in der Landwirtschaft mitarbeite und für ihren Unterhalt gesorgt sei.

Bei Abwägung der beiderseitigen Verfehlungen der Ehegatten vermeint das Revisionsgericht, daß von einem erheblichen Überwiegen der Verfehlungen des Ehemannes nicht gesprochen werden kann.

Anmerkung

Z27306

Schlagworte

Arbeitsunwilligkeit einer Jungbäuerin als Eheverfehlung, Ehescheidung, Arbeitsunwilligkeit einer Jungbäuerin, Eheverfehlungen, Arbeitsunwilligkeit einer Jungbäuerin, Jungbäuerin, Arbeitsunwilligkeit als Eheverfehlung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1954:0010OB00893.54.1201.000

Dokumentnummer

JJT_19541201_OGH0002_0010OB00893_5400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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