Norm
Arbeitsgerichtsgesetz §2Kopf
SZ 27/323
Spruch
Zur Arbeitnehmerähnlichkeit eines Industrieorganisators.
Entscheidung vom 21. Dezember 1954, 4 Ob 180/54.
I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Der Kläger behauptet, er sei seit 8. Mai 1943 bei der beklagten Partei als ständiger Industrieorganisator tätig gewesen und habe als solcher laufend organisatorische Aufgaben zu erfüllen gehabt und führend an Ein- und Verkaufsangelegenheiten mitgearbeitet. Für seine Tätigkeit klagte er ein Entgelt von 93.809.50 S ein.
Das Arbeitsgericht hat sich nach Beweiserhebung für sachlich unzuständig erklärt und ausgeführt, daß der Kläger im wesentlichen die Tätigkeit eines Wirtschafts- und Steuerberaters ausgeübt habe. Er sei mit der betrieblichen Organisation und Reorganisation des Unternehmens beschäftigt, am Ein- und Verkaufe maßgebend beteiligt gewesen und habe auch die betriebswirtschaftliche Überwachung der Werke D. und S. übernommen. Der Kläger hat für den ordentlichen Einsatz von Personal und Material zu sorgen gehabt und gemeinsam mit dem Inhaber eine Reihe besonders schwieriger kommerzieller Transaktionen durchgeführt. Er hatte kein eigenes Büro und war nicht an bestimmte Bürostunden bei der beklagten Partei gebunden. Auch für zwei andere Firmen hat er gearbeitet. Auf Grund dieses Sachverhaltes kam das Gericht erster Instanz zu dem Ergebnis, daß der Kläger weder als Beschäftigter noch als arbeitnehmerähnliche Person im Sinne von § 2 ArbGerG. anzusehen war.
Das Rekursgericht wies die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit zurück und führte aus: Auch bei einer Person, deren Tätigkeit im wesentlichen der eines ständigen Wirtschafts- oder Steuerberaters gleichkommt, kann ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis vorliegen, wenn die wirtschaftliche Bindung an den Auftraggeber wirtschaftliche Unselbständigkeit zur Folge hat. Merkmal einer Arbeitnehmerähnlichkeit sei vor allem der Mangel einer eigenen Betriebsstätte und eigenen Personals wie im vorliegenden Falle. Auch die lange Dauer des Auftragsverhältnisses, die monatliche Honorierung in Form regelmäßiger Entnahmen, der sofortige Ersatz von Barauslagen durch die beklagte Partei sprechen nach Ansicht des Rekursgerichtes dafür, daß der Kläger im Verhältnisse zur beklagten Partei nicht als selbständiger Unternehmer anzusehen war. Die Arbeiten für die beiden anderen Firmen erachtete das Rekursgericht nicht als entscheidend, da sie nur vier bzw. neun Monate währten und die Tätigkeit für die beklagte Partei nicht beeinträchtigten.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Ob der Kläger berechtigt gewesen wäre, seine Tätigkeit in einem anderen Rahmen, nämlich als selbständiger Wirtschafts- und Steuerberater auszuüben, ist für die Frage, ob tatsächlich ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis vorgelegen und das Arbeitsgericht zuständig ist, ohne Bedeutung. Unerheblich ist auch für die von Amts wegen zu prüfende Zuständigkeitsfrage, wie der Kläger sich selbst bezeichnet hat.
Die vom Rekursgerichte hervorgehobenen Besonderheiten des Vertragsverhältnisses rechtfertigen die Feststellung wirtschaftlicher Unselbständigkeit im Sinne von § 2 ArbGerG. Die gleichzeitige vorübergehende Tätigkeit für andere Firmen steht dieser rechtlichen Beurteilung nicht entgegen, wie aus der Entscheidung SZ. XXIV/1 erhellt.
Die Tätigkeit eines Rechtsanwaltes für ein einziges Unternehmen kann nicht zum Vergleiche herangezogen werden, da der Stand der Rechtsanwälte besonderen Vorschriften unterliegt, die eine Verallgemeinerung nicht zulassen.
Anmerkung
Z27323Schlagworte
Arbeitnehmerähnlichkeit, Industrieorganisator, Arbeitsgericht Industrieorganisator, Industrieorganisator, ArbeitsgerichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1954:0040OB00180.54.1221.000Dokumentnummer
JJT_19541221_OGH0002_0040OB00180_5400000_000