TE OGH 1954/12/22 1Ob849/54

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Veröffentlicht am 22.12.1954
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Norm

ABGB §1165
ABGB §1167

Kopf

SZ 27/324

Spruch

Ist der Baumeister verpflichtet, ein Haus "schlüsselfertig" herzustellen, hat er auch für die baubehördliche Genehmigung zu sorgen.

Entscheidung vom 22. Dezember 1954, 1 Ob 849/54.

I. Instanz: Landesgericht Salzburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Das Erstgericht gab dem auf Bezahlung von Zinsen aus 15.000 S für die Zeit vom 1. Juni 1951 bis 9. Mai 1953 sowie auf Ersatz der Prozeßkosten eingeschränkten Klagebegehren in der Erwägung Folge, daß die "nach Fertigstellung des Hauses" zu zahlende Rate des Baukostenbetrages in der Höhe von rund 15.000 S bereits am 1. Juni 1951 fällig war, aber vom Beklagten dem Kläger erst am 9. Juni 1953 bezahlt wurde. Das Erstgericht fand, daß unter "Fertigstellung des Hauses" die Vollendung des in Auftrag gegebenen Werkes (Einfamilienholzhaus) ohne Rücksicht auf irgendwelche Vorschreibungen durch die Baubehörde und ohne Rücksicht auf eine baubehördliche Benützungsbewilligung zu verstehen sei, dies umsomehr, als der Beklagte das Haus schon Ende November 1949 bezogen habe.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren auf Grund folgender Erwägungen ab: Es sei festgestellt, daß sich die klagende Partei im Bauvertrage verpflichtet habe, das Bauwerk schlüsselfertig herzustellen, alle Arbeiten fachgemäß auszuführen, alle baupolizeilichen Vorschriften einzuhalten und rechtzeitig alle notwendigen Eingaben und Meldungen einzureichen. Im Bauvertrage sei ferner vorgesehen, daß die einzelnen Raten des vereinbarten Baukosten-Pauschbetrages "nach sachgemäßer Leistung" auszubezahlen seien und daß die letzte Teilzahlung des Baukosten-Pauschbetrages nach Endbesichtigung des Hauses durch die "Gesellschaft der Freunde von Wüstenrot" zu bezahlen sei. Es sei ferner festgestellt, daß das Haus von der klagenden Partei ohne Erteilung einer baubehördlichen Genehmigung errichtet worden sei, daß weder ein Baubewilligungsbescheid noch eine auch nur mündliche Genehmigung der Bauführung ergangen sei und daß das Objekt bezogen worden sei, ohne daß jemals um die Kollaudierung angesucht worden sei. Am 5. September 1951 sei wahrgenommen worden, daß die Kellerstiege nicht massiv hergestellt worden sei, wie es die Vorschrift verlange, sondern als einfache Holztreppe ausgeführt worden sei. Damals seien auch andere Mängel in der Bauführung beanstandet worden, weshalb der Bescheid ergangen sei, daß die Baubewilligung erteilt werde, wenn die in fünf ausdrücklich angeführten Punkten verlangten Verbesserungen bis 31. Dezember 1951 durchgeführt seien. Erst am 8. Mai 1953 seien die Bedingungen im wesentlichen erfüllt gewesen. Das Berufungsgericht schloß aus diesen Feststellungen, daß die klagende Partei ihrer im Bauvertrage übernommenen Verpflichtung, "alle baupolizeilichen Vorschriften einzuhalten" nicht einmal bis zum 8. Mai 1953 restlos nachgekommen sei. Nach der Ansicht des Berufungsgerichtes könne ein Bauwerk nicht früher als schlüsselfertig und als fertiggestellt angesehen werden, bevor nicht die Bedingungen für die baupolizeiliche Benützungsbewilligung restlos erfüllt seien. Es komme nicht darauf an, ob der Bauherr (Beklagte) das Haus beziehe, weil er es als für seine Bedürfnisse mehr oder weniger fertiggestellt ansehe, sondern darauf, ob es auch wirklich fertiggestellt und schlüsselfertig sei, was solange nicht der Fall sei, als die baubehördlichen Vorschreibungen noch nicht erfüllt seien. Das Berufungsgericht erachtete daher nicht einmal noch am 9. Mai 1953, als der Beklagte die letzte Baukostenrate erlegte, seine Verpflichtung zu dieser Zahlung für gegeben und demnach das von der Annahme einer Fälligkeit am 1. Juni 1951 ausgehende Zinsenbegehren nicht für gerechtfertigt. Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen des Obersten Gerichtshofes:

Der Revisionswerber, der unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht, führt aus, daß die von der Baubehörde der Baubewilligung wegen aufgestellten Bedingungen "weder suspensive noch resolutive Bedingungen im Sinne des Privatrechtes seien, sondern öffentlichrechtliche Befehle, Auflagen, die äußerstenfalls behördlich im Wege der Ersatzvornahme verwirklicht werden konnten. Sie bedeuten nicht, daß die (Haus)Benützung erst mit ihrer Erfüllung erfolgen dürfe."

Diese Ausführungen sind nicht begrundet. Dem Beklagten war es allerdings nicht verwehrt, das Haus in Benützung zu nehmen, bevor noch die behördlichen Aufträge erfüllt waren. Damit ist aber noch nicht die Frage, ob das Haus in diesem Zeitpunkte "fertiggestellt" war, bejaht. Nach dem Inhalte des Bauvertrages war die klagende Partei u. a. auch verpflichtet, alle baupolizeilichen Vorschriften einzuhalten und rechtzeitig alle notwendigen Eingaben und Meldungen einzureichen. Von einer "Fertigstellung des Hauses" konnte daher erst dann die Rede sein, bis auch alle im Zusammenhang mit der Bauführung ergangenen Aufträge und Weisungen befolgt waren. Ihre Befolgung gehört ebenso in den Aufgabenkreis des Bauführers, wie die Befolgung der durch mangelhafte Bauarbeiten ausgelösten behördlichen Aufträge, z. B. in Ansehung der Kellerstiege oder eines Geländers. Der Revisionswerber gibt selbst zu, daß im Falle der Nichtbeachtung der baubehördlichen Aufträge durch den Bauführer mit Zwangsmitteln gegen den Bauherrn (Ersatzvornahme) vorgegangen werden kann. Solange aber eine solche Möglichkeit besteht, ist das Haus noch nicht fertiggestellt und der Bauherr noch nicht verpflichtet, eine erst nach Fertigstellung des Hauses fällige Rate zu bezahlen. Denn er haftet der Behörde und den zur Ersatzvornahme herangezogenen Professionisten und kann sich seinerseits nur an den Bauführer halten; er wird daher an diesen solange nicht zahlen müssen, als nicht feststeht, ob und wieviel er von ihm zu fordern hat. Das Berufungsgericht hat auch mit Recht darauf verwiesen, daß der Bauherr, der das Haus vor der Benützungsbewilligung bezogen hat, Gefahr läuft, das Haus räumen zu müssen, wenn die Baubehörde feststellt, daß die Bauführung einer Vorschrift nicht entspricht, und die Erfüllung der baubehördlichen Vorschreibungen zur Fertigstellung des Hauses für erforderlich erachtet. Wenn daher der Bauführer laut Bauvertrag die Baubewilligung einzuholen hatte und sie nicht besorgte oder sie deshalb nicht erhielt, weil er - baubehördlich gesehen - notwendige Arbeiten unterließ, dann hat er (im konkreten Falle) gegenüber dem Bauherrn vertragswidrig gehandelt und kann die nach Fertigstellung des Leistungen zu erbringen hat. Die Abweisung des Zinsen- und Kostenbegehrens durch das Berufungsgericht ist somit frei von Rechtsirrtum.

Der Revision mußte daher der Erfolg versagt bleiben.

Anmerkung

Z27324

Schlagworte

Bauauftrag, baubehördliche Genehmigung, Genehmigung, baubehördliche - eines Hauses, "Schlüsselfertig", baubehördliche Genehmigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1954:0010OB00849.54.1222.000

Dokumentnummer

JJT_19541222_OGH0002_0010OB00849_5400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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