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L72007 Beschaffung Vergabe Tirol;Norm
AVG §13 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der T GesmbH in W, vertreten durch Dr. Wilhelm Schuster, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Universitätsstraße 11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 20. Dezember 2004, GZ uvs-2004/21/093-3, betreffend Zurückweisung eines Nachprüfungsantrages (mitbeteiligte Parteien: 1. T GmbH, I, Astraße 35, 2. M GmbH, D- B, Lstraße 6), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 20. Dezember 2004 hat der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol den Antrag der Beschwerdeführerin, die Entscheidung der erstmitbeteiligten Partei im Vergabeverfahren betreffend den Bauauftrag "Bettenschienen, Intensivschienen, Krankenzimmerinstallationseinheiten" für die Universitätsklinik Innsbruck der zweitmitbeteiligten Partei den Zuschlag erteilen zu wollen, für nichtig zu erklären, zurückgewiesen.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde - soweit hier wesentlich - aus, dass der gegenständliche Nachprüfungsantrag am 13. Dezember 2004 in der Zeit von 14.05 Uhr bis 14.08 Uhr bei der belangten Behörde eingelangt sei. Diesem Antrag sei als Beilage ./B eine Kurzmitteilung an die Auftraggeberin betreffend die Übersendung einer Kopie des Nachprüfungsantrages beigelegt gewesen. Unstrittig sei diese Kurzmitteilung mit einer Kopie des Nachprüfungsantrages am 13. Dezember 2004 erst etwa um 14.31 Uhr an den Auftraggeber per email übermittelt worden.
Die Verständigung des Auftraggebers im Sinn des § 5 Abs. 2 Tiroler Vergabenachprüfungsgesetz 2002, LGBl. Nr. 123/2002 (TVergNprG), sei somit nicht wie in dieser Gesetzesstelle gefordert spätestens gleichzeitig mit der Einbringung des Nachprüfungsantrages erfolgt, sondern erst etwa eine halbe Stunde später.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei auch eine in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Nachprüfungsantrag, aber erst kurz nach diesem abgesendete Verständigung als "spätestens gleichzeitig" anzusehen. Bei dem diesem Erkenntnis zu Grunde liegenden Fall sei die Verständigung des Auftraggebers zeitgleich mit dem Nachprüfungsantrag per Telefax abgesendet, jedoch versehentlich zuerst der Nachprüfungsantrag und erst dann die Verständigung in das Gerät eingelegt worden. Im Gegensatz dazu sei im vorliegenden Fall der Nachprüfungsantrag per Telefax übermittelt und die Verständigung des Auftraggebers erst etwa eine halbe Stunde danach per e-mail versendet worden. Ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang sei hiedurch nicht mehr gewährleistet. Der Beschwerdeführerin wäre es durchaus möglich und zumutbar gewesen, die Verständigung zeitlich mit dem Nachprüfungsantrag abzusenden.
Der Nachprüfungsantrag sei daher mangels spätestens gleichzeitiger Verständigung des Auftraggebers gemäß § 8 Abs. 2 Z. 3 TVergNprG zurückzuweisen gewesen.
Überdies ergebe sich aus § 8 Abs. 2 Z. 3 iVm § 5 Abs. 2 TVergNprG, dass dem Nachprüfungsantrag ein Nachweis über die Verständigung des Auftraggebers beizuschließen sei. Die dem gegenständlichen Antrag beigelegte Kurzmitteilung betreffend die Übersendung einer Kopie des Antrages an die Auftraggeberin enthalte keinen Nachweis über deren Übersendung und stelle daher keinen ausreichenden Nachweis der Verständigung des Auftraggebers dar. Auch aus diesem Grund sei der Antrag zurückzuweisen gewesen.
Über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung sei nicht mehr abzusprechen gewesen, weil innerhalb einer Woche bereits in der Sache selbst entschieden worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, die Auftraggeberin erst etwa 26 Minuten nach Einbringung des Nachprüfungsantrages davon verständigt zu haben, bringt jedoch vor, dass es sich dabei um einen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang im Sinn der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes handle, der für die vom Gesetz geforderte Gleichzeitigkeit ausreiche. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde stelle die dem Nachprüfungsantrag beigelegte Kopie der an die Auftraggeberin gerichteten Kurzmitteilung einen ausreichenden Nachweis der gleichzeitigen Verständigung der Auftraggeberin dar. Die belangte Behörde hätte daher den Antrag nicht zurückweisen dürfen und hätte auch über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung absprechen müssen.
Gemäß § 5 Abs. 2 TVergNprG hat ein Unternehmer, der der Ansicht ist, dass eine vom Auftraggeber getroffene Entscheidung gegen die Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2002 verstößt, den Auftraggeber unverzüglich elektronisch oder mittels Telefax von der beabsichtigten Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens nachweislich zu verständigen. In dieser Verständigung ist die geltend gemachte Rechtswidrigkeit zu bezeichnen. Die Verständigung hat spätestens gleichzeitig mit der Einbringung des Nachprüfungsantrages zu erfolgen.
Gemäß § 8 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. ist der Antrag unzulässig, wenn keine Verständigung nach § 5 Abs. 2 erfolgt ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 19. November 2003, Zl. 2003/04/0129, zu § 3 Abs. 2 des Oberösterreichischen Vergabenachprüfungsgesetzes, nach welcher Bestimmung der Nachprüfungswerber - ebenso wie nach § 5 Abs. 2 TVergNprG - den Auftraggeber spätestens gleichzeitig mit der Einbringung des Antrages nachweislich elektronisch oder mittels Telefax zu verständigen hat, Folgendes ausgeführt:
"Der Gesetzgeber hat keine Formulierung in der Art getroffen, dass 'jedenfalls vor' der Einbringung des Nachprüfungsantrages der Auftraggeber von der beabsichtigten Einleitung des Nachprüfungsverfahrens zu verständigen sei.
Auch ist der Sinn des § 3 Abs. 2 OÖ Vergabenachprüfungsgesetz vorzugsweise darin zu sehen, dass der Auftraggeber von der Stellung eines Nachprüfungsantrages Kenntnis erlangen soll, nicht aber etwa, dass dem Auftraggeber die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, vor Stellung des Nachprüfungsantrages - in welcher Form immer - tätig zu werden; derartiges könnte auch bei einer Verständigung unmittelbar vor der Stellung des Nachprüfungsantrages nicht erreicht werden und deckt sich der Sinn der Regelung nicht mit jener des Art. 1 Abs. 3 letzter Satz der Rechtsmittelrichtlinie (s. unten). Der Zweck des Regelung ist aber auch erreicht, wenn die Verständigung in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Einbringung des Nachprüfungsantrages, aber erst kurz nach diesem abgesendet wird (vgl. Thienel, Ausgewählte Probleme der Antragstellung im Nachprüfungsverfahren nach dem BVergG 2002, RPA 2003, 7).
Der Verwaltungsgerichtshof teilt daher die in der Lehre vertretene Auffassung (vgl. Thienel, a.a.O), dass dem Gebot des "spätestens gleichzeitig" im Sinn des § 3 Abs. 2 OÖ Vergabenachprüfungsgesetz auch dann - wie im Beschwerdefall - entsprochen ist, wenn die Verständigung in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Einbringung des Nachprüfungsantrages (wenn auch kurz nach diesem) steht.
...
Die belangte Behörde übergeht dabei, dass nach Art. 1 Abs. 3 zweiter Satz der genannten Richtlinie (Rechtsmittelrichtlinie) die Mitgliedstaaten insbesondere verlangen können, dass derjenige, der ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten beabsichtigt, den öffentlichen Auftraggeber zuvor von dem behaupteten Rechtsverstoß und von der beabsichtigten Nachprüfung unterrichten muss. Es handelt sich also um eine den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit ...; mag die zitierte Richtlinienbestimmung auch dazu dienen, den Weg für eine gütliche Einigung vor Klagserhebung frei zu machen ..., so trifft dies, wie oben bereits gesagt, bei der in Frage stehenden nationalen Regelung ... nicht zu."
Entgegen der von der belangten Behörde erkennbar vertretenen Ansicht besteht ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang im Sinn der dargestellten Judikatur nicht nur in Fällen, in denen - wie im Fall des zitierten hg. Erkenntnisses, Zl. 2003/04/0129 - der Nachprüfungsantrag und die Verständigung des Auftraggebers unmittelbar hintereinander, aber in der unrichtigen Reihenfolge in das Faxgerät eingelegt (oder elektronisch versendet) wurden. Dem Nachprüfungswerber steht es frei, den Nachprüfungsantrag per Telefax und die Verständigung des Auftraggebers elektronisch zu versenden. Bei einem Abstand von etwa einer halben Stunde kann man noch von einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang dieser beiden Verrichtungen sprechen. Wie im zitierten Erkenntnis dargelegt, hat die Verständigung in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang nicht den Zweck, dem Auftraggeber ein Tätigwerden vor Einbringung des Nachprüfungsantrages zu ermöglichen. Der Auftraggeber soll vielmehr dadurch von der Stellung des Antrages in Kenntnis gesetzt werden. Damit besteht für ihn schon ab Antragseinbringung - und nicht erst ab Zustellung des Antrages durch die Nachprüfungsbehörde - die Möglichkeit, seine Dispositionen für das Vergabekontrollverfahren zu treffen, insbesondere die übrigen Bieter gemäß § 5 Abs. 3 TVergNprG zu verständigen. Dieser Zweck wird bei einer Zeitverzögerung von etwa einer halben Stunde nicht in relevantem Ausmaß beeinträchtigt.
Die Verständigung des Auftraggebers erfolgte daher entgegen der Ansicht der belangten Behörde "spätestens gleichzeitig" im Sinn von § 5 Abs. 2 TVergNprG.
Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung auch darauf gestützt, dass die dem Nachprüfungsantrag beigelegte Kurzmitteilung betreffend die Übersendung einer Antragskopie an die Auftraggeberin keinen ausreichenden Nachweis der Verständigung im Sinn des § 5 Abs. 2 TVergNprG darstelle, weil kein Nachweis der Übersendung beigelegt worden sei.
Es kann dahinstehen, ob es erforderlich ist, einem Nachprüfungsantrages eine Bestätigung der Übersendung der Verständigung gemäß § 5 Abs. 2 TVergNprG beizulegen, weil es sich bei deren Fehlen jedenfalls um einen gemäß § 13 Abs. 3 AVG verbesserbaren Mangel handeln würde und die belangte Behörde diesbezüglich kein Verbesserungsverfahren eingeleitet hat. Schon deshalb stellt das Fehlen der genannten Bestätigung für sich keinen Grund für die Zurückweisung des Antrages dar.
Hinzugefügt sei, dass das Unterbleiben einer Entscheidung über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nicht mit der vorliegenden Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid, der nicht über diesen Antrag abspricht, geltend gemacht werden kann.
Aus den dargestellten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil im pauschalierten Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.
Wien, am 1. März 2005
Schlagworte
Verbesserungsauftrag BejahungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004040235.X00Im RIS seit
29.03.2005Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008