TE OGH 1955/2/23 7Ob91/55

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Veröffentlicht am 23.02.1955
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Norm

Gerichtsorganisationsgesetz §56a
Verordnung über den erweiterten Wirkungskreis der gerichtlichen Geschäftsstelle §14 Abs1
Handelsgesetzbuch §118

Kopf

SZ 28/58

Spruch

Die Entscheidung über einen Antrag auf Gewährung der Bucheinsicht gehört nicht zur Zuständigkeit eines Rechtspflegers.

Entscheidung vom 23. Februar 1955, 7 Ob 91/55.

I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Der Rechtspfleger im erweiterten Wirkungskreis in Sachen des Handels- und Genossenschaftsregisters ließ nach vorausgegangener Tagsatzung den Beschluß ergehen, womit der Antrag des einen Gesellschafters einer offenen Handelsgesellschaft dem anderen Gesellschafter aufgetragen wurde, an Stelle des schwerkranken Antragstellers seiner Gattin unter Beiziehung eines Buchsachverständigen gemäß § 118 HGB. Bucheinsicht zu gewähren, die erforderlichen Aufklärungen zu erteilen und zu diesem Zwecke dem Antragsteller oder seiner Gattin als Vertreterin und dem Buchsachverständigen Zutritt in die Privatwohnung des Antragsgegners zu gestatten.

Infolge Rekurses des Antragsgegners hob das Rekursgericht den Beschluß des Rechtspflegers sowie die von ihm abgehaltene Tagsatzung vom 10. Dezember 1954 als nichtig auf. Es trug dem Erstgerichte auf, über den Antrag im gesetzmäßigen Verfahren zu entscheiden. Die vorstehende Angelegenheit (Entscheidung über einen Antrag auf Gewährung der Bucheinsicht gemäß § 118 HGB.) sei unter den in § 37 Abs. 1 Z. 1 bis 14 GOG. aufgezählten Geschäften nicht angeführt. Eine andere Bestimmung in der Zivilprozeßordnung oder im Gerichtsorganisationsgesetz, daß über derartige Anträge der Einzelrichter zu entscheiden hat, bestehe aber nicht. Es komme daher die Entscheidung über diesen Antrag nach § 7 Abs. 1 JN. dem Senate zu. Geschäfte, die vom Senat zu erledigen seien, gehörten nach § 14 Abs. 1 der Verordnung über den erweiterten Wirkungskreis der gerichtlichen Geschäftsstelle (BGBl. Nr. 184/1950) nicht zum erweiterten Wirkungskreis in Sachen des Handels- und Genossenschaftsregisters. Es habe daher über diesen Antrag der Senat des Kreisgerichtes Wels zu entscheiden, weshalb der vom Rechtspfleger erlassene Beschluß und die von ihm durchgeführte Tagsatzung nichtig seien.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Antragstellers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es steht hier nicht die Frage zur Erörterung, ob die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag des Gesellschafters einer oHG. auf Gewährung der Bucheinsicht, sei es durch ihn selbst, sei es aus bestimmten Gründen durch einen Dritten als Stellvertreter für ihn unter Beiziehung eines Buchsachverständigen, zu den Geschäften gehört, die dem Einzelrichter oder dem Senat zustehen, weshalb auch auf die Auslegung der Bestimmungen des § 37 GOG., in Sonderheit der Z. 11 und 12 dieser Gesetzesstelle, nicht eingegangen zu werden braucht. Zu prüfen ist vielmehr nur, ob dem Rechtspfleger nach der auf § 56a des Gerichtsorganisationsgesetzes, RGBl. Nr. 217/1896, in der Fassung des Bundesgesetzes vom 5. Juli 1950, BGBl. Nr. 182, beruhenden Verordnung des Bundesministeriums für Justiz vom 13. September 1950, BGBl. Nr. 184, über den erweiterten Wirkungskreis der gerichtlichen Geschäftsstelle die Kompetenz zur Abhaltung von Tagsatzungen und zur Erledigung des vom Antragsteller erhobenen Begehrens zukommt. Dies ist aber auf jeden Fall zu verneinen, weil sich weder aus § 14 Abs. 1 und 2 noch aus den sonstigen Bestimmungen der bezogenen Verordnung eine derartige Befugnis des Rechtspflegers entnehmen läßt. Die auf den Rechtspfleger gemäß der Verordnung übertragbaren Geschäfte sind in ihr taxativ aufgezählt, eine ausdehnende Auslegung ihrer Bestimmungen verbietet sich. Wie sich die Zuständigkeit für Beschlüsse bei Anmeldungen im Handelsregister verteilt, ob diesfalls die vom Beschwerdeführer unter Berufung auf Fachleute vertretene Meinung richtig ist oder nicht, erscheint gegebenenfalls belanglos, weil das zu erledigende Geschäft keine Anmeldung zum Handelsregister betrifft, überhaupt kein mit der Führung des Handelsregisters zusammenhängendes Geschäft ist. Zum Ausspruch der Nichtigkeit genügte es vollauf, daß die, beiläufig bemerkt nicht immer einfach zu lösende, Frage der Gewährung der Bucheinsicht durch einen Dritten als Stellvertreter des Gesellschafters nicht zu jenen Geschäften zählt, die in die Zuständigkeit eines Rechtspflegers nach der Verordnung fallen können.

Anmerkung

Z28058

Schlagworte

Bucheinsicht bei OHG., Unzuständigkeit des Rechtspflegers, Offene Handelsgesellschaft Bucheinsicht, Zuständigkeit des, Rechtspflegers, Rechtspfleger, Unzuständigkeit bei Antrag auf Bucheinsicht, Zuständigkeit des Rechtspflegers, Bucheinsicht bei OHG.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1955:0070OB00091.55.0223.000

Dokumentnummer

JJT_19550223_OGH0002_0070OB00091_5500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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