Norm
ABGB §91Kopf
SZ 28/53
Spruch
Zur Auslegung des Spruches 38 neu: Wenn der Ehegatte die Alimentationsverpflichtung in Kenntnis eines bestehenden Konkubinates der Gattin eingeht, kann er sich nicht auf die Unsittlichkeit dieser Vereinbarung berufen.
Entscheidung vom 23. Februar 1955, 2 Ob 86/55.
I. Instanz: Bezirksgericht Bad Aussee; II. Instanz: Kreisgericht Leoben.
Text
Die Ehe der Streitteile ist mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 14. März 1952 rechtskräftig, ohne Ausspruch eines Verschuldens, nach § 55 EheG. geschieden worden. Die eheliche Gemeinschaft hatte schon seit 7. Jänner 1949 nicht mehr bestanden. Im Zuge des Scheidungsverfahrens haben die Streitteile einen Vergleich geschlossen, wonach sich der Kläger verpflichtete, der beklagten Partei zur ihrer Alimentation einen monatlichen Unterhaltsbeitrag in der Höhe eines Drittels seines Monatsnettogehaltes im vorhinein ab 1. April 1952; zu bezahlen.
Auf Grund dieses Vergleiches wurde der Beklagten als der betreibenden Partei nach Einholung einer Erklärung im Sinne des § 10a EO. eine Drittschuldnerexekution durch das Bezirksgericht Bad Aussee am 19. Mai 1953 unter E 441/53 bewilligt.
Die klagende Partei beantragte die Feststellung, daß der Anspruch erloschen oder doch gehemmt sei, weil die Beklagte mit Rupert K. eine Lebensgemeinschaft eingegangen sei.
Das Erstgericht hat festgestellt, daß der Kläger von der Existenz des Rupert K. schon vor der Scheidung im März 1952 Kenntnis hatte, daß der Kläger berechtigt angenommen habe, daß "dieses Verhältnis" zwischen der Beklagten und Rupert K. sich durch die Ehescheidung nicht geändert haben werde. Es sei aber nicht von wesentlicher Bedeutung, wann der Kläger vom vollen Umfang der "persönlichen Verhältnisse von K. und der Beklagten zueinander" Kenntnis erlangte. Es sei jedoch festzustellen, daß eine Lebensgemeinschaft zwischen K. und der Beklagten bereits seit 1950 bestehe, insbesondere aber seit 26. Juni 1953 ein völlig eheähnliches Verhältnis vorhanden sei.
Das Erstgericht hat im Sinne des Klagebegehrens festgestellt, daß der Anspruch, zu dessen Durchsetzung die Exekution E 441/53 bewilligt wurde, gehemmt sei. Nach Rechtskraft werde die Exekution eingestellt werden. Die Hemmung des Anspruches trete mit Wirkung vom 26. Juni 1953 bis auf weiteres ein.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige.
Der Oberste Gerichtshof hob auf die Revision der beklagten Partei die Urteile beider Vorinstanzen auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Beide Vorinstanzen haben die Auffassung vertreten, es sei entbehrlich, zu untersuchen, ob der Kläger im Zeitpunkte des Vergleichsabschlusses im Scheidungsverfahren von dem damals bereits bestandenen Konkubinat seiner Ehefrau gewußt hat. Dabei sind die beiden Vorinstanzen davon ausgegangen, daß nach dem Spruchrepertorium 38 neu (EvBl. 1954 Nr. 228) eine Verpflichtung, die im Konkubinat lebende Gattin zu alimentieren, rechtswirksam nicht übernommen werden könne.
Der Oberste Gerichtshof vermag sich dieser Auffassung nicht anzuschließen. Aus dem erwähnten Spruch: "Durch das Eingehen einer Lebensgemeinschaft der geschiedenen Gattin mit einem anderen Manne tritt das Ruhen ihres Unterhaltsanspruches gegenüber dem geschiedenen Gatten ein" ergibt sich mit hinlänglicher Deutlichkeit, daß er sich auf den Fall einer bereits im Zeitpunkt der Übernahme der Unterhaltsverpflichtung bestehenden Lebensgemeinschaft nicht bezieht, sondern voraussetzt, daß die Lebensgemeinschaft der Übernahme der Unterhaltsverpflichtung nachfolgt.
Es hieße den dem erwähnten Spruch zugrunde liegenden Gedanken überspannen, wollte man Unsittlichkeit und damit im Zusammenhang Unwirksamkeit der Übernahme einer Unterhaltsverpflichtung auch dann annehmen, wenn der Ehegatte, sei es um die Erörterung ihm unliebsamer Vorkommnisse im Scheidungsverfahren zu vermeiden, sei es aus anderen Gründen, die Alimentationsverpflichtung in Kenntnis eines bestehenden Konkubinates eingeht. Der Oberste Gerichtshof ist daher unbeschadet des Spruchrepertoriums 38 neu der Ansicht, daß der geschiedene Ehemann in einem solchen Fall dem auf der Unterhaltsvereinbarung beruhenden Begehren seiner geschiedenen Ehefrau nicht den Einwand der Unsittlichkeit der Vereinbarung und einer daraus entspringenden Unwirksamkeit entgegensetzen könne.
Es kommt daher darauf an, ob der Kläger bereits im Zeitpunkt der Vereinbarung von dem Konkubinat seiner Gattin gewußt hat (vgl. SZ. XII 49). Mag auch das Konkubinat schon früher bestanden haben, so ist darum die Oppositionsklage nicht nach § 35 Abs. 1 EO. ausgeschlossen, weil es nicht auf die Tatsache an sich, sondern auf die Kenntnis des Oppositionsklägers von ihr im Zeitpunkt der Entstehung des Exekutionstitels ankommt.
Anmerkung
Z28053Schlagworte
Alimentation der geschiedenen Ehegattin, Ruhen während Lebensgemeinschaft Konkubinat der geschiedenen Gattin, Unterhaltsanspruch Lebensgemeinschaft der geschiedenen Gattin, Ruhen ihres Unterhaltsanspruches Ruhen des Unterhaltsanspruches der geschiedenen Gattin, Lebensgemeinschaft Sittenwidrigkeit Lebensgemeinschaft der geschiedenen Gattin, Unterhalt Unterhaltspflicht des geschiedenen Gatten bei Lebensgemeinschaft der GattinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1955:0020OB00086.55.0223.000Dokumentnummer
JJT_19550223_OGH0002_0020OB00086_5500000_000