TE OGH 1955/3/16 3Ob136/55

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.03.1955
beobachten
merken

Norm

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9

Kopf

SZ 28/78

Spruch

Eine Gattungsbezeichnung wie "Wach- und Schließgesellschaft" genießt im allgemeinen nicht den Schutz des § 9 UWG.

Entscheidung vom 16. März 1955, 3 Ob 136/55.

I. Instanz: Landesgericht Salzburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, die Benützung des Firmenwortlautes "Wach- und Schließgesellschaft C. & Co." oder eines anderen, die Wortverbindung "Wach- und Schließgesellschaft" enthaltenden Firmenwortlautes im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, ab. Es gelangte hiebei zu dem Ergebnis, daß die Wortverbindung "Wach- und Schließgesellschaft" nach der Verkehrsübung zur Sachbezeichnung für Unternehmen des Bewachungsbetriebes geworden sei und daß diese Wortverbindung keinen Schlagwortcharakter für das Unternehmen der Klägerin erlangt habe.

Der dagegen seitens der klagenden Partei erhobenen Berufung wurde nicht Folge gegeben. Das Berufungsgericht ging bei seiner Entscheidung von folgenden Feststellungen aus, die es aus den auch vom Erstgericht herangezogenen Urkunden gewonnen hat:

Die Klägerin wurde bereits am 30. August 1904 als "Wiener Wach- und Schließgesellschaft und Versicherungsaufnahme S. & Co." im Handelsregister des Handelsgerichtes Wien eingegetragen, aber am 24. September 1920 wieder gelöscht. Unter der gleichen Bezeichnung wurde sie wieder am 22. Jänner 1924 eingetragen und führt nun seit dieser Zeit nur mit einer Unterbrechung vom 21. Juni 1939 bis 30. Juni 1948, während welcher Zeit die klagende Firma arisiert war und den Firmenwortlaut "Wiener Wach- und Schließgesellschaft J. & Co." bzw. "Wiener Wach- und Schließgesellschaft B. & Co." führte, den gleichen Firmenwortlaut wie heute. Die beklagte Firma wurde am 3. Juni 1941 in das Handelsregister des Landesgerichtes Salzburg unter der Firmenbezeichnung "Ostmärkische Wach- und Schließgesellschaft C. & Co. in Salzburg" eingetragen. Am 23. Februar 1951 wurde dieser Firmenwortlaut dahin geändert, daß das Wort "ostmärkische" im Firmenwortlaut entfallen ist. Wie aus den Beilagen hervorgeht, wurden beiden Gesellschaften und auch der Schwestergesellschaft der Beklagten, der Firma "Österreichischer Wachdienst C. & Co. Kommanditgesellschaft" von den Kunden und von den Behörden Briefe mit der Anschrift "Wach- und Schließgesellschaft" mit und ohne weiteren Zusatz zugesendet. Nach dem vorgelegten Zeitungsausschnitt des Salzburger Volksblattes vom 27. März 1952 wurde nur kurz von "Wach- und Schließgesellschaft" gesprochen und damit irgend ein bewachungsunternehmen gemeint. Eine "Innsbrucker Wach- und Schließgesellschaft m. b. H." sowie eine "Salzburger Wach- und Schließgesellschaft" und eine "Erste Tiroler Wach- und Schließgesellschaftsunternehmung" bestanden bereits in den Jahren 1921, 1923 und 1929. Ein "Wach- und Schließinstitut" war bereits in den Jahren seit 1908 in Linz- Urfahr und in Klagenfurt tätig. Eine "Wach- und Schließunternehmung" besteht auch in Wels. Unter dem Stichwort "Wach- und Schließgesellschaft" bzw. "Wach- und Schließanstalten" haben nicht nur der "österreichische Wachdienst C. & Co. Kommanditgesellschaft", sondern auch die klagende Firma und andere Bewachungsunternehmen in den verschiedensten Nachschlagewerken wie Telefonbüchern, Adreßbüchern, Branchenführern u. ä. ihre Unternehmungen angekundigt.

Auf Grund dieser Feststellungen gelangte das Berufungsgericht zu nachstehendem rechtlichen Ergebnis:

Es sei zwar herrschende Rechtsansicht, daß der Schutz des § 9 UWG. sich auch auf die schlagwortartigen Abkürzungen erstrecke, welche im Verkehr für die Firmen und für die Namen gebraucht werden, doch könne der Inhaber einer Firma nicht den Gebrauch eines seiner Firma als Bestandteil angehörenden Wortes verbieten, wenn dieses Wort sich vor oder nach seiner Aufnahme in den Firmenwortlaut - innerhalb oder außerhalb des Geschäftsverkehrs - zum Gattungsbegriff entwickelt hat. Bloße Gattungsbegriffe als Bezeichnung eines Unternehmens genießen im Regelfall nicht den Schutz des § 9 UWG., weil ihnen das unterscheidende Merkmal fehle und eine Ausnahme dieser Regel nur mit Hilfe stärkster Werbetätigkeit denkbar wäre, wobei an den Beweis strenge Anforderungen zu stellen wären. Der Begriff der Firma als eines individuellen Namens setze eine gewisse individuelle, von allgemeinen Gattungsbezeichnungen sich abhebende Bezeichnung voraus. Ebenso wie sich ein eingetragenes Warenzeichen zum Warennamen oder zum Freizeichen entwickeln könne und wie das gleiche bei der Ausstattung und beim Namen möglich sei, so könne auch eine Firmenbezeichnung zum freien Warennamen oder zur Gattungsbezeichnung werden. Unbezweifelbar wirken die Telefon- und Branchenverzeichnisse sowie die Adreßbücher, aus denen sich Angehörige aller Verkehrskreise zu unterrichten pflegen, an der Entwicklung eines Wortes zur Gattungsbezeichnung mit. Nach den obigen Feststellungen habe aber das Wort "Wach- und Schließgesellschaft" die Bedeutung einer Gattungsbezeichnung erlangt. Die Beilagen ergeben mit aller Deutlichkeit die Verwendung dieser Bezeichnung als Gattungsbezeichnung für ein Bewachungsunternehmen. Die Wortverbindung "Wach- und Schließgesellschaft", wobei es im wesentlichen auf die Worte "Wach- und Schließ-" ankomme, sei zumindest im Laufe der Zeit zum Gattungsbegriff geworden, ebenso wie z. B. die Bezeichnung "Milchhof", "Markenschutzverband", "Kurhaus", "Sparkasse", "Bauhütte", "Buchgemeinschaft", "Kraftverkehr" u. dgl. Gattungsbezeichnungen können aber nicht monopolisiert werden. Sie können regelmäßig auch keinen Schutz genießen, soweit ihnen das unter scheidende Merkmal fehle, ihre Wortzusammensetzung kein charakteristisches Gepräge mehr aufweise und auch im Verkehr nicht mehr als Schlagwort (Kennwort) nur für eine bestimmte Firma wirke. Es lasse die Art der Verwendung der Worte "Wach- und Schließgesellschaft" in den einzelnen Nachschlagebehelfen in aller Öffentlichkeit in Verbindung mit der Tatsache, daß von der Klägerin gegen diese Bezeichnungsart kein Widerspruch erhoben wurde, keinen Zweifel darüber zu, daß sich diese Worte nunmehr zu einem Gattungsbegriff in dem von der beklagten Partei behaupteten Sinn entwickelt haben. Damit aber handle die Beklagte nicht rechtswidrig, wenn auch sie sich dieser Worte in ihrem Firmenwortlaut bediene, da diese Bezeichnung in weitesten Kreisen nur noch als Gattungsbezeichnung, nicht aber als schlagwortartige Bezeichnung der klägerischen Firma gelte. Es könne daher nicht nach § 9 UWG. der Beklagten die Führung dieser Worte in ihrer Firma verboten werden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Eine nach § 9 UWG. geschützte besondere Bezeichnung muß etwas Individuelles, etwas besonders Charakteristisches an sich haben, um als Kennzeichnung eines bestimmten Unternehmens dienen zu können. Die Bezeichnung darf nicht dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, es muß ihr vielmehr eine besonders charakteristische Note zukommen. Ein solches charakteristisches Gepräge ist allerdings der Wortverbindung "Wach- und Schließ-" im Zusammenhalte mit dem Worte "Gesellschaft" zuzuerkennen, da sie zweifellos nicht dem allgemeinen Sprachgebrauch angehört. Aus den Feststellungen ergibt sich jedoch, daß der Ausdruck "Wach- und Schließ-" in Verbindung mit dem Worte "Gesellschaft" oder in anderen Wortverbindungen schon seit Jahrzehnten und auch derzeit von verschiedenen Unternehmungen des Bewachungsdienstes im gesamten Bundesgebiet zur Bezeichnung ihres Unternehmens verwendet wird, dieser Ausdruck sich zum Gattungsbegriff entwickelt hat. Ob die Klägerin die erste Firma gewesen ist, welche diese Bezeichnung gebraucht hat, oder ob die Bezeichnung Wach- und Schließgesellschaft schon früher für Bewachungsunternehmungen gebräuchlich war, kann offen bleiben. Laut Mitgliederverzeichnis der Fachgruppe Bewachungsgewerbe vom September 1939, das im Akt erliegt, führten 1939 83 Firmen in Deutschland die Bezeichnung Wach- und Schließgesellschaft, dazu kam noch eine ungefähr gleich große Zahl von Wach- und Schließinstituten. Die Klägerin kann daher diesen längst zur Gattungsbezeichnung gewordenen Ausdruck nicht für sich monopolisieren. Sie selbst nennt sich ja auch selbst "Wiener Wach- und Schließgesellschaft". Auch der Umstand, daß die Klägerin im Verkehr schlechthin als Wach- und Schließgesellschaft bezeichnet wird, gibt ihr kein Monopol auf diese Bezeichnung. So könnte auch beispielsweise eine Firma, die allgemein als Kleiderhaus oder Kaufhaus bekannt ist, deshalb einer anderen Firma die Verwendung dieses Wortes noch nicht verbieten. Nur dann, wenn die beklagte Partei im Verkehr Handlungen Unternehmen würde, die eine Verwechslungsgefahr ihrer Firma mit der der Klägerin hervorzurufen geeignet wären, könnte gegen sie der Schutz des § 9 UWG. angerufen werden.

Anmerkung

Z28078

Schlagworte

Firmenschutz, Gattungsbezeichnung, Gattungsbezeichnung, Firmenschutz, Wettbewerb, Gattungsbezeichnung, Firmenschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1955:0030OB00136.55.0316.000

Dokumentnummer

JJT_19550316_OGH0002_0030OB00136_5500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten