TE OGH 1955/3/25 7Ob140/55

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Veröffentlicht am 25.03.1955
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Norm

Ehegesetz §46
Erste Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §18
ZPO §232
ZPO §233

Kopf

SZ 28/85

Spruch

Zur Frage der Streitanhängigkeit zwischen einer im Jahre 1945 eingebrachten Klage auf Aufhebung oder Scheidung der Ehe wegen Unfruchtbarkeit, deren Bearbeitung als nicht dringlich zurückgestellt wurde, und einer im Jahre 1953 neu eingebrachten, auf § 49 EheG. gestützten Scheidungsklage.

Entscheidung vom 25. März 1955, 7 Ob 140/55.

I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Zur GZ. 2 Cg 1/45 des Kreisgerichtes Wels brachte der Kläger gegen die Beklagte eine Klage auf Aufhebung, eventuell Scheidung der Ehe wegen Unfruchtbarkeit der Beklagten ein. Mit Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 6. April 1945 wurde die Bearbeitung dieser Rechtssache als während des Krieges nicht dringlich zurückgestellt.

Am 28. September 1953 brachte der Kläger zur GZ. 2 Cg 358/53 des Kreisgerichtes Wels gegen die Beklagte eine Klage nach § 49 EheG. ein. Mit Urteil vom 16. Juli 1954, 2 Cg 358/53-25, schied das Erstgericht die Ehe der Streitteile aus dem Verschulden der Beklagten und sprach aus, daß den Kläger ein Mitverschulden treffe.

Aus Anlaß der von beiden Streitteilen gegen dieses Urteil erhobenen Berufung hob das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Beschluß das Urteil der ersten Instanz auf und wies die Klage wegen Vorliegens der Streitanhängigkeit zurück- Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers Folge und trug dem Berufungsgericht eine neue Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Mit Recht hat war das Berufungsgericht die Frage nach der Identität des Klagebegehrens in beiden Prozessen bejaht. Denn wenn auch die im Jahre 1945 erhobene Klage in erster Linie die Aufhebung der Ehe anstrebte, so ist sie zumindest eventualiter auf Scheidung gerichtet, während die nun vorliegende Klage nur die Scheidung der Ehe verlangt. Übrigens liegt auch ein wesentlicher Unterschied im Klagebegehren nicht vor, weil sowohl im Falle der Aufhebung die auch im Falle der Scheidung auszusprechen ist, daß die Ehe mit Wirkung von der Rechtskraft des Urteiles an aufgelöst ist, und auch in einem Aufhebungsurteil die Verschuldensfrage aufzurollen ist (JB. 57 neu).

Ebenso mit Recht hat er aber auch das Berufungsgericht die Frage nach der ldentität des Rechtsgrundes verneint. Die im Jahre 1945 erhobene Klage grundet sich auf die Behauptung der Unfruchtbarkeit der Beklagten, in der nunmehr eingebrachten Klage hingegen werden ganz andere Tatbestände geltend gemacht.

Mit der Verneinung der Frage nach der Identität des Klagegrundes ist aber auch schon klargestellt, daß einer auf die Bestimmungen der §§ 232 und 233 ZPO. gestützten Zurückweisung der Klage der Boden entzogen ist. Denn diese Gesetzesstellen setzen Identität der Streitsache voraus, die hier nicht gegeben ist (SZ. XXI 25).

Der Meinung des Berufungsgerichtes, es könne die Forderung nach der Gleichheit des Rechtsgrundes im Eheverfahren zufolge einer von der Grundnorm des § 232 ZPO. abweichenden Regelung nicht aufrechterhalten werden, vermag der Oberste Gerichtshof nicht beizutreten. Das Berufungsgericht begrundet diese Ansicht für den Gesamtbereich des Eherechtes mit dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Entscheidung in Ehesachen und für den besonderen Fall des Zusammentreffens einer Aufhebungsklage mit einer Scheidungsklage noch insbesondere mit dem Hinweis auf § 18 der 1. DVzEheG.

Was zunächst den Grundsatz der einheitlichen Entscheidung anlangt, muß allerdings auch für den Bereich des österreichischen Rechtes der selbstverständliche Satz gelten, daß eine bereits rechtskräftig geschiedene Ehe nicht noch einmal geschieden werden kann. Im übrigen aber läßt sich die Theorie von der Einheitlichkeit des Eheverfahrens und der Entscheidung aus dem Gesetze nicht ableiten, weil die §§ 614 bis 617 der deutschen Zivilprozeßordnung im österreichischen Recht nicht rezipiert wurden. Nach geltendem Recht kann daher einem Ehegatten die Einbringung einer auf einen neuen Rechtsgrund gestützten Ehescheidungsklage trotz Streitanhängigkeit eines Vorprozesses nicht grundsätzlich verwehrt werden. Selbst die Fällung eines zweiten Urteiles, das lediglich die Verschuldensfrage betrifft, ist trotz Rechtskraft der Scheidung nicht grundsätzlich ausgeschlossen (JB. 57 neu). Die Gefahr aber, daß es bei zwei nebeneinanderlaufenden Ehescheidungsprozessen dem Zufall überlassen bleibt, welcher der beiden Prozesse zuerst entschieden wird, kann in der Praxis kaum existent werden. Denn falls sich der erste Prozeß zur Zeit der Einbringung der zweiten Klage nicht schon im Stadium des Rechtsmittelverfahrens befindet, werden in der Regel beide Prozesse zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden sein. Im vorliegenden Falle aber ist die erste Klage infolge des Charakters des dort geltend gemachten Klagegrundes trotz ihrer formellen Streitanhängigkeit gegenstandslos geworden. Denn der Ehescheidungsgrund des § 53 EheG. wurde inzwischen aus dem Gesetze ausgeschieden und die weitere Geltendmachung der Unfruchtbarkeit der Beklagten als Aufhebungsgrund würde an der Bestimmung des Abs. 2 des § 37 EheG. scheitern, da der Kläger dadurch, daß er nach Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft das Zusammenleben mit der Beklagten wieder aufnahm, trotz Fortfalles des Kriegszustandes die Stellung eine Antrages auf Fortsetzung des Verfahrens unterließ und auch in der vorliegenden Klage auf die Unfruchtbarkeit der Beklagten nicht mehr zurückkam, zu erkennen gegeben hat, daß er trotz Entdeckung des angeblichen Irrtums über die Fruchtbarkeit der Beklagten deren Unfruchtbarkeit nicht mehr als Hindernis für die Fortsetzung der Ehe ansieht. Der Kläger hat auch im Zuge seiner Vernehmung als Partei erklärt, daß er das Scheidungsbegehren fallen ließ, um seine Frau nicht um die Pensionsbezüge zu bringen.

Mit der Klarstellung, daß das vom Kläger seinerzeit erhobene Aufhebungsbegehren nicht mehr zum Erfolg führen kann, erledigt sich auch der Hinweis des Berufungsgerichtes auf § 18 der 1. DVzEheG. Denn diese Gesetzesstelle hindert das Gericht nicht, bei Verbindung von Scheidungs- und Aufhebungsbegehren über jedes dieser Begehren getrennt zu entscheiden. Nur wenn sowohl der Scheidungsklage als auch der Aufhebungsklage stattzugeben wäre, sollen aus Zweckmäßigkeitsgrunden nicht die zum gleichen Ergebnis führenden Folgen der Aufhebung und Scheidung gleichzeitig ausgesprochen werden (Volkmar - Antoni S. 395). Wenn aber die Aufhebungsklage infolge Erlöschens des Klagerechtes gar nicht mehr zum Erfolg führen kann, erübrigt sich bei Entscheidung über das Scheidungsbegehren die Rücksichtnahme auf das seinerzeit gestellte Aufhebungsbegehren. Übrigens spricht § 18 der 1. DVzEheG. ausdrücklich von dem in demselben Rechtsstreit geltend gemachten Aufhebungs- und Scheidungsbegehren. Dieser klare Gesetzeswortlaut kann nicht durch Interpretation in sein Gegenteil verkehrt werden.

Anmerkung

Z28085

Schlagworte

Aufhebung Klage auf - der Ehe wegen Unfruchtbarkeit, Eheaufhebungsklage, Verhältnis zu späterer Scheidungsklage, Streitanhängigkeit, Eheaufhebungsklage u. Scheidungsklage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1955:0070OB00140.55.0325.000

Dokumentnummer

JJT_19550325_OGH0002_0070OB00140_5500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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