TE OGH 1955/4/6 1Ob292/55

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Veröffentlicht am 06.04.1955
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Norm

ABGB §472
ABGB §488
ABGB §1488

Kopf

SZ 28/94

Spruch

Auch Servituten, die nur ein Unterlassen zum Gegenstande haben, verjähren gemäß § 1488 ABGB.

Entscheidung vom 6. April 1955, 1 Ob 292/55.

I. Instanz: Bezirksgericht Wels; II. Instanz: Kreisgericht Wels.

Text

Das Erstgericht hat das Klagebegehren "die Beklagte sei schuldig, in ihrem Hause das an der Westseite ausgebrochene Fenster so mit undurchsichtigem Glas zu verschließen, daß keine Möglichkeit mehr besteht, von dem dahinterliegenden Zimmer in den Garten und in die Küche der klagenden Parteien Einblick zu nehmen", abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zurückverwiesen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Klagebegehren ist auf eine Vereinbarung gestützt, die im Jahre 1924 vor Beginn des Hausbaues der Beklagten zwischen dem Rechtsvorgänger im Besitze des Hauses der Kläger und dem Gatten der Beklagten, der auch in ihrem Namen handelte, getroffen worden sein soll, nach der die beiden an der Westfront des Hauses anzubringenden Fenster feststehend und so verglast sein sollten, daß sie eine Durchsicht nicht gestatten. Die Fenster wurden auch zunächst mit dickem Milchglas versehen. Nach dem Tod des Gatten der Beklagten wurde der Raum hinter den Fenstern aus einer Werkstatt in eine Wohnung umgewandelt. Eines der Fenster wurde zugemauert. Im Jahre 1946 ersetzte der Schwiegersohn der Beklagten vier von den insgesamt noch vorhandenen zwölf Milchglasscheiben durch durchsichtige Scheiben. Im Grundbuch ist eine Dienstbarkeit nicht eingetragen.

Das Erstgericht hat den genauen Inhalt der getroffenen Vereinbarungen nicht geprüft. Nach seiner Meinung wäre aber selbst dann, wenn die in der Klage behauptete Vereinbarung abgeschlossen worden wäre, die durch sie begrundete außerbücherliche Dienstbarkeit gemäß § 1488 ABGB. erloschen, weil die Kläger es durch acht Jahre unterlassen haben, das von ihnen behauptete Recht geltend zu machen.

Das Berufungsgericht hat das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Nach seiner Meinung ist durch die getroffene Vereinbarung eine Dienstbarkeit begrundet worden, durch die die Beklagte berechtigt und die Kläger verpflichtet wurden. Die Kläger hätten, wenn für die Grundstücke die offene Bauweise gilt, der Beklagten gestattet, trotzdem unmittelbar an die Grenze des Grundstückes heranzubauen, und sich jedenfalls, mag die offene oder geschlossene Bauweise für die Gründe gelten, verpflichtet, die Beklagte nicht durch Bauten, Pflanzungen, Lagerungen oder sonst des Lichtes zu berauben, das sie durch das Fenster empfängt. Das der Beklagten gehörige Grundstück sei also das herrschende, die Beklagte sei es, die das Recht auf ein Fenster mit Milchglasscheiben nunmehr ohne Grund auf das Recht auf ein Fenster mit durchsichtigen Scheiben auszudehnen trachte. Durch die achtjährige Ausübung dieses weiteren Rechtes sei es aber keinesfalls ersessen. Es sei also der genaue Inhalt der zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vereinbarung zu prüfen.

Im Rekurs wird vor allem geltend gemacht, daß "logischerweise" nur das Grundstück der beklagten Partei das dienende sein könnte. Wenn aber die Annahme des Berufungsgerichtes richtig ist, daß auch die Kläger verpflichtet sind, den Lichteinfall durch das Fenster der Beklagten nicht zu stören, dann ist auch die rechtliche Auffassung des Berufungsgerichtes richtig. Denn dann ist die Pflicht, die Anbringung durchsichtiger Fenster zu unterlassen, oder richtiger die Pflicht, undurchsichtige Fenster anzubringen und zu erhalten, die Gegenleistung für die Einräumung und Aufrechterhaltung der die klagenden Parteien belastenden Dienstbarkeit. Immerhin wäre es denkbar, daß die Prüfung des Inhaltes der getroffenen Vereinbarung auch zur Feststellung führt, daß eine Verpflichtung nur auf Seite der Beklagten vorliegt, daß also nur die Beklagte die zivilrechtliche Befugnis, auf ihrem Grund ein Gebäude zu errichten und in diesem Gebäude beliebig nach innen zu öffnende Fenster anzubringen, zugunsten des Gründes der klagenden Parteien dahin beschränken muß, daß sie nur undurchsichtige Fenster anbringt, die nicht zu öffnen sind, ohne daß auch die Vorgänger der Kläger irgendeine Verpflichtung übernommen hätten, den Lichteinfall durch dieses Fenster ihrerseits nicht zu beschränken. In diesem Falle wäre die Ansicht des Erstgerichtes zutreffend. Es werden also nicht nur die vom Berufungsgericht angeführten Umstände zu prüfen sein, sondern auch die Frage, ob die Kläger hinsichtlich der Fenster überhaupt eine Verpflichtung trifft.

Es entspricht der Rechtslehre, daß auch Servituten, die nur ein Unterlassen zum Gegenstande haben, gemäß § 1488 ABGB. verjähren, wenn auf dem dienenden Grundstück der Verpflichtung entgegengehandelt wird, ohne daß von den Eigentümern des herrschenden Grundstückes dagegen eingeschritten würde. Dies gilt, obwohl die Fassung des § 1488 ABGB. anscheinend nur positive Dienstbarkeiten im Auge hat (Randa, der Besitz nach österreichischem Recht, 4. Aufl. S. 784 ff.).

Anmerkung

Z28094

Schlagworte

Dienstbarkeit Verjährung, Negative Dienstbarkeiten, Verjährung, Servitut Verjährung, Verjährung, Servituten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1955:0010OB00292.55.0406.000

Dokumentnummer

JJT_19550406_OGH0002_0010OB00292_5500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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