TE OGH 1955/4/27 1Ob49/55

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Veröffentlicht am 27.04.1955
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Norm

ABGB §1009
ABGB §1016
Vierte Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art8 Nr. 11

Kopf

SZ 28/107

Spruch

Die Haftung des Vertreters nach Art. 8 Nr. 11 der 4. EVzHGB. besteht nicht, wenn der Vertreter nach den ihm bekanntgegebenen Weisungen des Vertretenen gehandelt hat.

Entscheidung vom 27. April 1955, 1 Ob 49/55.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Das Erstgericht wies die auf Bezahlung eines Schadensbetrages von 15.000 S gegen vier Beklagte gerichtete Klage ab. Die jugoslawische Firma B. habe mit der zweitbeklagten Firma D., vertreten durch den Dritt- und den Erstbeklagten, am 6. August 1953 einen Vertretungsvertrag geschlossen. Danach sei die Zweitbeklagte berechtigt, Kauf- und Verkaufsverträge im Namen und auf Rechnung der Firma B. zu schließen. Die Zweitbeklagte sollte verpflichtet sein, sich bei Abschluß zur Gänze an die Verkaufs-, Zahlungs- und sonstigen von der B. von Fall zu Fall gegebenen Bedingungen zu halten. Die bei voller Einhaltung dieser Bedingungen durch die Zweitbeklagte abgeschlossenen Verträge auf den Namen und auf Rechnung der B. sollten für diese bindend sein. Die Behauptung der Klägerin, sie habe mit der B., vertreten durch die Zweitbeklagte, einen bindenden Kaufvertrag über 1000 t gepreßtes Weizenstroh zum Preis von 11 US-Dollar geschlossen, habe sich nicht bestätigt. Die Klägerin habe zwar im September 1953 den Erst- und Zweitbeklagten ein Kaufoffert gemacht. Mangels Genehmigung des Vertrages durch die B. sei es aber zum verbindlichen Abschluß des Kaufvertrages nicht gekommen, so daß die Klägerin aus diesem Rechtstitel auch gegen die Beklagten keine Ansprüche erheben könne. Auch habe die Klägerin den Schlußbrief nicht unterschrieben. Selbst wenn aber der Kaufvertrag zustandegekommen wäre, könnte der Klage gegen die Zweitbeklagte und deren Gesellschafter, die Dritt- und Viertbeklagten, nach der Meinung des Erstgerichtes nicht stattgegeben werden, denn diese hätten ihre Vertretungsmacht für die B. nachgewiesen und der Kläger könne sich daher auf Art. 8 Nr. 11 der 4. EVzHGB. nicht berufen. Was den Erstbeklagten betreffe, habe dieser von der B. eine direkte Vollmacht nicht erhalten. Die Klägerin könne sich aber auf den äußeren Tatbestand einer Bevollmächtigung des Erstbeklagten durch die Zweitbeklagte berufen und könnte diesen als falsus socius der Zweitbeklagten belangen. Da aber ein Kaufvertrag zwischen der Klägerin und der B., bzw. der Zweitbeklagten nicht zustandegekommen sei, bestehe auch gegen den Erstbeklagten kein Schadenersatzanspruch der Klägerin.

Infolge Berufung der Klägerin bestätigte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil. Wenn es auch richtig sei, daß dem vollständigen Mangel der Vertretungsmacht deren Überschreitung gleichstehe, könne doch im vorliegenden Fall von einer solchen Überschreitung nicht gesprochen werden. Auf Grund der Parteiaussage des Erstbeklagten treffe das Berufungsgericht die ergänzende Feststellung, daß ihm von der B. ein Preis für Weizenstroh nicht genannt worden sei; er habe nur den Auftrag gehabt, zum bestmöglichen Preis zu verkaufen. Aus der Tatsache allein, daß die B. dann die Lieferung des Weizenstrohs zum Preise von 11 Dollar pro Tonne verweigert habe, könne mangels eines Preislimits auf eine Überschreitung der Vollmacht nicht geschlossen werden. Da die Zweitbeklagte ihre Vertretungsmacht für die B. nachgewiesen habe, könne weder sie noch der mit ihrer Handlungsvollmacht das Geschäft abschließende Erstbeklagte nach Art. 8 Nr. 11 der 4. EVzHGB. haftbar gemacht werden. Damit falle auch die Haftung der Gesellschafter der Zweitbeklagten, nämlich der Dritt- und Viertbeklagten. Bei dieser Sach- und Rechtslage müsse auf die Frage, ob am 11. September 1953 ein Kaufvertrag bindend abgeschlossen worden sei, nicht eingegangen werden, denn die Klägerin könne jedenfalls die Beklagten zum Ersatz des Schadens aus dem Geschäft nicht heranziehen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Mit dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit macht die Revisionswerberin geltend, daß das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen habe, der Erstbeklagte sei der Klägerin als Vertreter der Zweitbeklagten vorgestellt worden. Nach dem Prozeßstandpunkt und den Parteiaussagen könnte nach der Ansicht der Revisionswerberin nur als erwiesen angenommen werden, daß der Erstbeklagte als direkter Vertreter der B. der Klägerin vorgestellt worden sei. Die Revisionswerberin übersieht, daß ihr Gesellschafter Franz F. in seiner Parteiaussage selbst angegeben hat, es sei erst nachträglich im Gespräch behauptet worden, daß der Erstbeklagte für die Zweitbeklagte nicht abschlußberechtigt gewesen sei. Aus dieser Aussage läßt sich der Schluß ableiten, das der Erstbeklagte bis dahin als Vertreter der Zweitbeklagten aufgetreten ist, wie das Berufungsgericht angenommen hat. Übrigens geht schon aus der Parteiaussage des Erstbeklagten und dem Schlußbrief vom 11. September 1953 hervor, daß der Erstbeklagte namens des Zweitbeklagten unterschrieben hat. Ebensowenig wie die erwähnte Feststellung mit den Akten in Widerstreit steht, liegt eine Aktenwidrigkeit darin, daß das Berufungsgericht angenommen hat, die B. habe ihrer Wiener Repräsentanz einen limitierten Preis für das Stroh nicht genannt. Denn der als Partei vernommene Erstbeklagte hat eine derartige Angabe ausdrücklich gemacht. Das Berufungsgericht hat schließlich auch noch festgestellt, daß die klagende Partei ihr Preisangebot von 10 auf zunächst 10 1/2 und dann auf 11 Dollar pro Tonne Weizenstroh gesteigert habe. Auch diese Feststellung und die Annahme, daß das erste Angebot von der klagenden Partei ausgegangen sei, ist nicht aktenwidrig. Denn der Erstbeklagte hat in seiner Parteienaussage darauf hingewiesen, daß er über die Preise für Weizenstroh überhaupt nicht informiert gewesen sei und daß Franz F. zuerst 10 Dollar genannt habe. Dasselbe hat der Drittbeklagte in seiner Parteiaussage angegeben.

Von Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens kann gleichermaßen nicht gesprochen werden.

In rechtlicher Hinsicht geht aus dem Vertretungsvertrag vom 6. August 1953 deutlich hervor, daß die Zweitbeklagte, vertreten durch den Erst- und den Drittbeklagten, von der B. das Recht eingeräumt erhalten hat, Kauf- und Verkaufsverträge im Namen und auf Rechnung der B. zu schließen, daß aber dies nur für Geschäfte gelten solle, bei denen alle generellen und von Fall zu Fall erteilten Aufträge der B. eingehalten würden. Wenn bedacht wird, daß nach der Feststellung des Berufungsgerichtes ein Preisauftrag der B. nicht vorlag, daß die Zweitbeklagte daher die Abmachungen innerhalb der allgemeinen Vollmachtsbefugnisse getroffen hat, kann nicht davon gesprochen werden, daß von den Beklagten die ihnen von der B. gegebene Vollmacht überschritten worden wäre. Abgesehen davon könnte möglicherweise angenommen werden, daß die Vollmachtsbeschränkungen auf den Drittkontrahenten, die Klägerin, keine Wirkung ausübte, wenn diese auf den von der B. vielleicht gesetzten äußeren Tatbestand unbeschränkter Bevollmächtigung vertraut hätte.

Das Berufungsgericht steht deshalb mit Recht auf dem Standpunkt, daß sich die Klägerin auf die Bestimmung des Art. 8 Nr. 11 der 4. EVzHGB., wonach der Vertreter für den Mangel seiner Vertretungsmacht persönlich haftet, nicht berufen kann. Ebensowenig können aus diesem Grund die Dritt- und Viertbeklagten in Anspruch genommen werden, weil diese nur in ihrer Eigenschaft als öffentliche Gesellschafter der Zweitbeklagten in Frage kommen. Der Einwand der Revisionswerberin, das Geschäft könnte für die B. nicht verbindlich sein, weil der Preis von 11 Dollar pro Tonne Weizenstroh den von dieser Firma erlassenen Anweisungen nicht entsprochen habe, ist nicht begrundet. Nach dem Vertretungsvertrag waren von der Zweitbeklagten unter der Sanktion der sonstigen Unwirksamkeit der Abmachungen nur solche Bedingungen einzuhalten, die ihr von der B. vorher bekanntgegeben worden waren. Wenn die B. daher intern den Preis für gepreßtes Weizenstroh mit 13 Dollar pro Tonne limitiert haben sollte, dies der Zweitbeklagten aber nicht mitgeteilt hätte, könnte nicht gesagt werden, daß die B. sich auf die Ungültigkeit ihrer allfälligen Verpflichtung berufen könnte. Der Vertreter kann mit rechtlichen Wirkungen nur solchen Bedingungen zuwiderhandeln, von denen er in Kenntnis gesetzt worden ist. Aus der Tatsache, daß sich die Zweitbeklagte am Beginn des Verfahrens auf den Standpunkt gestellt hat, mit dem vorliegenden Geschäft nichts zu tun zu haben, kann die Klägerin, nachdem von den Untergerichten das Gegenteil festgestellt worden ist, nicht den für sie allerdings günstigen Schluß ziehen, die festgestellte Beteiligung beziehe sich nicht auf die Vertretung der B., sondern auf die Zweitbeklagte selbst. Diese Folgerung hieße dem Parteivorbringen der Beklagten den gegenteiligen Sinn seines klaren Inhaltes geben.

Was den Erstbeklagten betrifft, ist schon oben darauf hingewiesen worden, daß sich seine Vertretung nach dem von der Zweitbeklagten gesetzten äußeren Tatbestand nur auf die Zweitbeklagte und nicht auf die B. direkt bezogen hat. Sein Handeln verpflichtete im Verhältnis zur Klägerin nur die Zweitbeklagte und diese wieder nur als Repräsentantin der B.

Da sowohl die Zweitbeklagte und ihre öffentlichen Gesellschafter als auch der Erstbeklagte imstande waren, ihre Auftraggeber rechtlich zu binden, können sie für ihre eigene Person zum Schadenersatz nicht herangezogen werden. Der Sinn der Bestimmung des Art. 8 Nr. 11 der

4. EVzHGB. liegt ja darin, dem Kontrahenten die Möglichkeit zu geben, sich an den falschen Vertreter direkt zu halten, wenn keine Möglichkeit besteht, den fälschlich Vertretenen in Anspruch zu nehmen. Ob und inwieweit freilich im vorliegenden Fall eine endgültig zustandegekommene Vereinbarung zwischen der Klägerin und der B. anzunehmen ist, braucht in diesem Verfahren nicht geklärt zu werden, da sich die Beklagten einer Vollmachtsüberschreitung keinesfalls schuldig gemacht haben.

Anmerkung

Z28107

Schlagworte

Falsus procurator, Haftung im Handelsrecht, Haftung des falsus procurator im Handelsrecht, Handelsrecht, Haftung des Vertreters bei Vollmachtüberschreitung, Vertretungsmacht, Haftung bei Überschreiten der -, Vollmachtsüberschreitung, Haftung des Vertreters

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1955:0010OB00049.55.0427.000

Dokumentnummer

JJT_19550427_OGH0002_0010OB00049_5500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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