TE OGH 1955/5/10 4Ob23/55

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Veröffentlicht am 10.05.1955
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Norm

ABGB §1158
ABGB §1162
ABGB §1444

Kopf

SZ 28/123

Spruch

Grundsätzliche Gültigkeit der beim Dienstaustritt abgegebenen Erklärung, lohnbefriedigt zu sein.

Entscheidung vom 10. Mai 1955, 4 Ob 23/55.

I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtsachen Wien.

Text

Die Kläger verlangen angeblich rückständige Lohnbeträge (Trennungsgeld) nach § 9 Abs. 2 des Kollektivvertrages der Bauarbeiter.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens, weil das Trennungsgeld ohnedies im Akkordsatz enthalten gewesen sei und weil die Kläger bei ihrem Austritt schriftlich erklärt hätten, das ihnen zustehende Entgelt richtig und vollkommen erhalten zu haben.

Das Erstgericht erkannte gemäß dem Klagebegehren.

Das Berufungsgericht wies es ab. Es stellte fest, daß das Dienstverhältnis der Kläger spätestens am 4. September 1953 geendet habe und daß sie am 11. September 1953 gleichlautende Erklärungen unterfertigt hätten, in denen sie bestätigten, bei ihrem Austritt mit den erhaltenen, in ihren Erklärungen genannten Beträgen das ihnen "zustehende Entgelt richtig und vollständig erhalten" zu haben.

Die Revision blieb ohne Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Daß die Anwendung der in der Entscheidung ArbSlg. 5990 dargelegten Rechtsauffassung die Abweisung der Klagebegehren ergibt, vermögen die Revisionswerber nicht zu bestreiten. Von dieser Rechtsauffassung abzugehen, bieten aber die Ausführungen der Revision keinen Anlaß. Der Versuch der Revisionswerber, die Erklärungen, das "Entgelt richtig und vollständig erhalten" zu haben, als bloße rechtsunerhebliche Wissenserklärungen hinzustellen und eines Gehaltes als Willenserklärungen zu entkleiden, geht fehl. Schon in der oben zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes ist dargelegt, daß nach den Übungen des Verkehrs der Arbeitnehmer beim Verlassen seines Dienstplatzes zu erklären pflegt, mit seinen gesamten Ansprüchen aus dem Dienstverhältnis befriedigt zu sein. Die Form, in der solche Erklärungen abgegeben werden, sei verschieden, der Sinn sei aber stets derselbe, nämlich daß keine Entgeltsrückstände mehr bestehen und daß die Ansprüche bereinigt seien. Um solche Erklärungen handelt es sich hier. Sie können nicht als rechtlich unerhebliche tatsächliche Mitteilungen verstanden werden, sondern verfolgen sehr wohl einen rechtsgeschäftlichen Zweck, nämlich die beiderseitigen Ansprüche klarzustellen und damit die rechtlichen Beziehungen aus den Dienstverhältnissen endgültig abzuwickeln. Dabei kommt es nicht auf den Wortlaut, insbesondere nicht darauf an, ob das Wort "Verzicht" gebraucht ist, sondern nur auf den Sinn, der eben dahin geht, daß die Kläger mit ihren Ansprüchen aus dem Dienstvertrag vollkommen abgefunden sind.

Für eine Anwendung der Auslegungsregel des § 915 ABGB., wonach bei einseitig verbindlichen Verträgen im Zweifel angenommen wird, daß sich der Verpflichtete eher die geringere als die schwerere Last auflegen wollte, besteht kein Raum, weil die vorliegenden Erklärungen keinen Anlaß zum Zweifel geben können. Schon der Wortlaut der Erklärungen, aber auch die Übung des redlichen Verkehres ergibt, daß eine Erklärung, das "Entgelt richtig und vollkommen erhalten" zu haben, nur dahin verstanden werden kann, daß die Dienstnehmer weitere Entgeltsansprüche gegen den Dienstgeber nicht zu stellen haben.

Daß auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Umständen ein Verzicht auf Entgeltsansprüche unter Zwang abgegeben sein kann, trifft zu. Dies hat der Oberste Gerichtshof in seinem Plenarbeschluß vom 8. Juni 1927, JB. 26 neu, erkannt und dort für die Überstundenentlohnung ausgesprochen, daß in einem solchen Falle der Verzicht ungültig wäre. Als Beispiel wurde herangezogen, daß der Dienstnehmer die Erklärung bloß auf die Zusicherung hin abgegeben habe, daß er in einem späteren Zeitpunkt wieder bei demselben Unternehmer Arbeit finden werde, wie es bei Saisonarbeitern vorkomme. Daß im vorliegenden Fall ein solcher Zwang ausgeübt worden wäre oder auch nur bestanden hätte, ist von den Klägern weder behauptet noch erwiesen worden, insbesondere auch nicht in der Richtung, daß die Auszahlung der quittierten Beträge von der Abgabe der Erklärung abhängig gemacht worden wäre, das "Entgelt richtig und vollständig erhalten" zu haben.

Anmerkung

Z28123

Schlagworte

Gültigkeit eines Verzichtes auf Lohnrückstände, Lohnrückstände, gültiger Verzicht, Verzicht auf Lohnrückstände, Gültigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1955:0040OB00023.55.0510.000

Dokumentnummer

JJT_19550510_OGH0002_0040OB00023_5500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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