TE OGH 1955/8/17 1Ob513/55

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Veröffentlicht am 17.08.1955
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Zweiten Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wahle als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Schuster, Dr. Stanzl und Dr. Zierer als weitere Richter in der Kuratelssache der "A*****gesellschaft m.b.H., infolge Revisionsrekurses der Gesellschafterin Else Maria J*****, vertreten durch Dr. Rudolf Skrein, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 28. Juni 1955, GZ 44 R 615/55, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt vom 25. Mai 1955, GZ 6 P 297/54-48, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurse wird Folge gegeben, die Beschlüsse der Untergerichte werden aufgehoben.

Text

Begründung:

Elsa Maria J***** und Vilma K***** stellten am 15. 5. 1954 den Antrag auf Bestellung eines Abwesenheitskurators für die A*****gesellschaft m. b.H. In ihrem Antrage führten sie aus, die bisherige Inhaberin der Geschäftsanteile habe in einem Rückstellungsvergleich die Erklärung abgegeben, dass sie den Antragstellern die Geschäftsanteile an der Gesellschaft zurückstelle, sie hätten darauf in einer Generalversammlung einen Geschäftsführer bestellt, das Bundesministerium für Finanzen habe die öffentliche Verwaltung aufgehoben, die Eintragung des Geschäftsführers in das Handelsregister sei aber abgelehnt worden. Da die noch von der Übergeberin bestellten und im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführer unbekannten Aufenthaltes und unerreichbar seien, sei die Gesellschaft ohne vertretungsbefugte Organe. Das Unternehmen sei ausgleichs- oder konkursreif. Das Erstgericht hat über diesen Antrag, den es als begründet bezeichnete, einen Kurator bestellt. Mit Beschuss vom 25. 5. 1955 erklärte das Erstgericht die Kuratel mit Rechtskraft dieses Beschlusses einzustellen. Es ist nun der Meinung, dass das Vorbringen der Antragsteller die Bestellung eines Kurators nicht gerechtfertigt hätte. Die Antragsteller seien in der Lage, ihre Rechte selbst wahrzunehmen. Soweit sie aber durch die Bestimmungen des 2. Kontrollabkommens genötigt seien, die Zustimmung des Alliierten Kontrollrates einzuholen, vermöge dies die Bestellung eines Abwesenheitskurators nicht zu begründen, da dadurch das Vermögen nicht aus dem Begriffe des Deutschen Eigentums herausfalle und auch der Abwesenheitskurator einer Zustimmung des Alliierten Kontrollrates bedürfe. Die Behinderung der Berechtigten liege nicht in ihrer Person betreffenden Umständen sondern in einer Anordnung der Alliierten; für die Bestellung eines Abwesenheitskurators sei daher kein Raum.

Das Rekursgericht hat diesen Beschluss bestätigt. Es führt aus, dass die "A*****" existent sei und ihre Geschäfte betreibe. Sie könne daher nicht als abwesend betrachtet werden. Dass es ihr an der Handlungsfähigkeit infolge des Mangels an vertretungsbefugten Organen fehle, vermöge das für die Bestellung eines Kurators nach § 276 ABGB erforderliche Kriterium der Abwesenheit nicht zu ersetzen, zumal die Gesellschafter jederzeit in der Lage seien, Abhilfe zu schaffen. Der Umstand, dass das Unternehmen unter den Begriff des Deutschen Eigentums falle und aus diesem Grunde die Bestellung von vertretungsbefugten Organen nicht möglich sei, habe im Rahmen der nach § 276 ABGB zu beurteilenden Umstände außer Betracht zu bleiben, weil nicht auf dem Umwege über die Bestellung eines Abwesenheitskurators die Bestimmungen des Kontrollabkommens über das Deutsche Eigentum umgangen werden können. Die nunmehr eingetretene Handlungsunfähigkeit könne nur dadurch behoben werden, dass die Gesellschafter sich nachträglich um die Zustimmung des Allliierten Rates zur Eintragung des von ihnen bestellten Geschäftsführers im Handelsregister bemühen. Für die Bestellung eines Abwesenheitskurators bestehe jedoch kein Raum.

Die Revisionsrekurswerberin beantragte Abänderung des angefochtenen Beschlusses dahin, dass die Kuratel nicht eingestellt werde. Sie beruft sich in ihrem Rekurse insbesondere darauf, dass sie und die zweite Gesellschafterin abwesend seien.

Rechtliche Beurteilung

Es erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit den Gründen der Untergerichte und des Revisionsrekurses. Die Beschlüsse der Untergerichte sind aber mit einer Nullität behaftet. Denn auch im Außerstreitverfahren ist der Richter an die einmal gefassten Beschlüsse gebunden und kann von denselben nur bei einer Änderung der Verhältnisse allenfalls bei einer Aufklärung der tatsächlichen Lage abgehen, nicht aber dann, wenn er zu erkennen glaubt, dass der ursprünglich gefasste Beschluss rechtlich verfehlt war (§ 9 AußStrG). Es hat sich aber an dem bei Einleitung der Kuratel gegebenen tatsächlichen Verhältnisse nichts geändert. Die Untergerichte waren also durch die Rechtskraft des früheren Beschlusses gebunden. Die Tatsache, dass das Kontrollabkommen seit Erlassung des erstgerichtlichen Beschlusses mit der Ratifizierung des Staatsvertrages außer Kraft getreten ist, ist nicht zu berücksichtigen, weil die Rechtslage nach den bei Erlassung des erstgerichtlichen Beschlusses gegebenen Sachverhalt zu beurteilen ist. Es kommt auch nicht darauf an, aus welchen Gründen Personen, die die Gesellschaft m.b.H. vertreten könnten, fehlen, sondern darauf, dass das Handelsgericht rechtskräftig die Eintragung des von der Antragstellerin und der zweiten Gesellschafterin in einer Generalversammlung bestellten Geschäftsführers abgelehnt und auch bisher nicht eingetragen hat, die eingetragenen Geschäftsführer aber abwesend sind.

Der Revisionsrekurs erweist sich also als gerechtfertigt.

Anmerkung

E73395 1Ob513.55

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1955:0010OB00513.55.0817.000

Dokumentnummer

JJT_19550817_OGH0002_0010OB00513_5500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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