Kopf
Der Oberste Gerichtshof als Revisionsgericht hat durch den Senatspräsidenten Dr. Fellner als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten Dr. Bernard und die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Sabaditsch und Dr. Turba sowie den Rat des Oberlandesgerichtes Dr. Lachout als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Dr. Virgil F*****, 2) Hedwig F***** und vertreten durch Dr. Josef Riz, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Dr. Alfons L*****, wegen S 24.000,- infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 25. Februar 1955, GZ R 452/54-19, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 30. September 1954, GZ 15 Cg 481/52-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben; das angefochtene Urteil und das Urteil des Gerichtes erster Instanz werden aufgehoben und die Sache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind gleich Kosten erster Instanz zu behandeln.
Text
Begründung:
Die Kläger behaupten, es sei ihnen ein Schaden von S 24.000,-
entstanden, weil der Beklagte sie als Rechtsanwalt beim Kaufe eines Grundstückes mangelhaft vertreten habe. Der am 5. 9. 1947 von den Klägern mit den Verkäufern Alois und Erwin H***** abgeschlossene Kaufvertrag sei nicht verbüchert worden, weil der Beklagte ihn nicht der Grundverkehrskommission zur Genehmigung vorgelegt habe. Er habe den Verkäufern trotzdem den Kaufpreis von S 24.000,- ausgezahlt und eine bücherliche Sicherstellung unterlassen. Da später das Grundstück versteigert und über das Vermögen der Verkäufer der Konkurs verhängt worden und der Betrag von S 24.000,- nicht mehr einbringlich sei, sei den Klägern ein Schaden von S 24.000,- erwachsen.
Die Untergerichte haben die Voraussetzungen im Sinne von §§ 1299, 1300, 1009 f ABGB nicht für gegeben erachtet und das Klagebegehren abgewiesen.
Die Kläger machten die Revisionsgründe nach § 503 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrage geltend, dem Klagebegehren stattzugeben, allenfalls das angefochtene Urteil aufzuheben.
Rechtliche Beurteilung
Der behauptete Verfahrensmangel liegt nicht vor, denn das Gericht konnte auch ohne Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Kreise der Rechtsanwälte beurteilen, welche Pflichten einem Rechtsanwalt bei Führung einer Vertretung obliegen. Hingegen ist die Rechtsrüge zum Teile begründet. Laut Feststellung des Berufungsgerichtes haben der Erstkläger und der Beklagte sich gegenseitig Hilfe in geschäftlichen Angelegenheiten zugesagt, ohne dass der Beklagte die ständige Vertretung der Kläger in ihren rechtlichen Angelegenheiten übernommen hatte. Die Vereinbarung eines Honorars wurde nicht erwiesen. Der Beklagte hatte von den Klägern den Auftrag, den Kaufvertrag über ein Wiesengrundstück zu verfassen und den Vertrag bücherlich durchzuführen. Der Vertrag wurde vom Beklagten verfasst und am 5. 9. 1947 schriftlich abgeschlossen.
Zur bücherlichen Durchführung ist es nicht gekommen, weil der Beklagte nach dem Vertragsabschlusse und nach Zahlung des Kaufpreises auf seine Erkundigung vom Bezirkssekretär der Bauernkammer die Auskunft erhalten hatte, dass mit einer Genehmigung seitens der Grundverkehrskommission nicht zu rechnen sei. Der Beklagte hat mit dem Antrage auf Genehmigung zugewartet, da er auf den Eintritt eines günstigeren Zeitpunktes hoffte. Über das Vermögen des Alois H***** ist der Konkurs am 27. 7. 1950 verhängt worden, über das des Erwin H***** am 28. 9. 1950.
Es muss davon ausgegangen werden, dass die Abfassung eines Kaufvertrages und die Durchführung desselben als eine einheitliche Aktion zu werten sind.
Sie stellen eine rechtsanwaltliche Vertretungshandlung dar, für deren sachgemäße Ausführung der Rechtsanwalt gemäß § 1299 bzw § 1012 ABGB haftet.
Die Genehmigung der Grundverkehrskommission war eine Voraussetzung für die dem Beklagten obliegende Durchführung des Kaufvertrages und ihre Erwirkung ist in den Rahmen seines Auftrages gefallen. War der Beklagte auch mit der Auszahlung des Kaufpreises befasst, dann wäre es seine Pflicht gewesen, sich bereits vor der Auszahlung für die fraglichen Aussichten auf Genehmigung des Kaufvertrages zu interessieren. Hätte der Beklagte die Auskunft des Bezirkssekretärs der Bauernkammer rechtzeitig eingeholt, wäre es voraussichtlich gar nicht zur Auszahlung des Kaufpreises gekommen und die Kläger hätten keinen Schaden erlitten. Die Sache ist nicht spruchreif, weil klare Feststellungen darüber fehlen, ob und inwieweit der Beklagte im Rahmen seines Auftrages mit der Auszahlung des Kaufpreises befasst gewesen ist.
Es kann aber schon jetzt gesagt werden, dass den Beklagten wohl nur ein Mitverschulden treffen könnte, denn auch die Kläger haben zu dem möglichen Verluste des Kaufpreises beigetragen. Dadurch, dass sie im Vertrage unwahre Angaben über den Kaufpreis gemacht und diesen mit S 9.000,- beziffert haben, mussten sie befürchten, im Falle einer Sicherstellung des wahren Kaufpreises unter dem Deckmantel einer Darlehensforderung wegen Gebührenhinterziehung belangt zu werden. Aus diesem Grunde ist nach den untergerichtlichen Feststellungen die Sicherstellung durch Einverleibung eines Pfandrechtes unterblieben. Was in der Revision dagegen vorgebracht wird, erweist sich als ein unzulässiger Angriff auf die Sachverhaltsfeststellung. Schließlich ist zu beachten, dass der Erstkläger, der Doktor juris ist und den Beruf eines Buchprüfers ausübt, auch selbst an das Erfordernis der Genehmigung durch die Grundverkehrskommission hätte denken und den Kaufpreis nicht voreilig flüssig machen sollen. Außerdem wäre es Aufgabe der Kläger gewesen, da die Verbücherung des Pfandrechtes nicht erfolgt ist, die Bonität der Verkäufer zu überwachen. Diese Aufgabe fiel dem Erstkläger umso eher zu, als er einen Beruf ausübt, der Einblick in das Wirtschaftsleben gibt. Falls der Erstkläger auch in Vertretung der Zweitklägerin aufgetreten ist, worüber keine klare Feststellung vorliegt, hätte diese sein Verhalten zu vertreten.
Hätten die Kläger sich rechtzeitig für die wirtschaftliche Lage der Verkäufer interessiert und ihren Anspruch früher geltend gemacht, wären die in der Klage behaupteten Folgen vielleicht nicht eingetreten.
Im fortgesetzten Verfahren wird Gelegenheit sein, den Hinweis der Revision, der Beklagte habe schuldhaft die Anmerkung der Rangordnung der Veräußerung unterlassen, nebst anderen Neuerungen zu erörtern. Sollte sich ein Verschulden des Beklagten ergeben, werden auch Feststellungen über die behauptete Uneinbringlichkeit der Forderung gegen die Verkäufer zu treffen sein.
Aus diesen Gründen waren die Urteile der Untergerichte aufzuheben.
Anmerkung
E73503 7Ob372.55European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1955:0070OB00372.55.1006.000Dokumentnummer
JJT_19551006_OGH0002_0070OB00372_5500000_000