Norm
ABGB §33Kopf
SZ 28/223
Spruch
Das Hofdekret vom 22. Juli 1812, JGS. Nr. 997, über die Abhandlung nach im Auslande verstorbenen Ausländern ist geltendes Recht.
Entscheidung vom 12. Oktober 1955, 2 Ob 583/55.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Vater des Klägers, der am 3. Jänner 1936 in Budapest verstorbene ungarische Staatsangehörige Ferdinand H., hat im Abschnitt III Punkt 7 seiner am 23. Dezember 1935 in Budapest errichteten letztwilligen Verfügung u. a. bestimmt, daß er der Beklagten die ihm gehörige Hälfte der Liegenschaft, Zinshaus in W., K.-Gasse 47, vermache. Mit der am 1. Juli 1940 erhobenen Klage hat der Sohn des genannten Erblassers die Gültigkeit der bezeichneten letztwilligen Verfügung angefochten. Die Tochter des Erblassers, Charlotte H., ist dem Kläger im Rechtsstreite beigetreten.
Mit Urteil vom 14. April 1955 hat das Erstgericht gemäß dem Klagebegehren festgestellt, daß das Testament vom 23. Dezember 1935 in Bezug auf das Legat der Beklagten ungültig sei und das Erbrecht des Klägers gegenüber der Verlassenschaft nach seinem Vater Ferdinand H. "bezüglich seiner Vermögenschaft in W., das ist ein Haus in W., K.-Gasse 47" auf Grund des Gesetzes zu Recht bestehe. Das Erstgericht hat ausgeführt, daß das österreichische Gericht für den Erbrechtsstreit über den in Österreich liegenden unbeweglichen Nachlaß allein zuständig sei. Für den unbeweglichen Nachlaß seien die Realstatuten maßgeblich, so daß für die Erbfolge in österreichische Liegenschaften eines Ausländers österreichisches Recht anzuwenden sei, nach dem die Erbfolgeordnung, die Testierfähigkeit, die Erbfähigkeit und das Pflichtteilsrecht zu beurteilen seien. Für die Form einer letztwilligen Anordnung gelte aber zufolge des § 37 ABGB. und der diese Vorschrift ergänzenden Bestimmungen des Hofdekretes vom 2. Juli 1812, JGS. Nr. 997, nach dem Grundsatz: "locus regit Actum" das Gesetz des Ortes der Errichtung, also vorliegendenfalls ungarisches Recht. Mangels der in den §§ 9 und 10 des ungarischen Gesetzartikels XVI/1876 vorgeschriebenen Form sei aber die Legatsanordnung vom 23. Dezember 1935 ungültig. In diesem Zusammenhang hat das Erstgericht auf die damit übereinstimmende Beurteilung der ungarischen Gerichte bezüglich der Ungültigkeit bestimmter in der letztwilligen Verfügung vom 23. Dezember 1935 angeordneter Legate (Entscheidung der Königlichen Ungarischen Kurie vom 28. Juni 1938 in letzter Instanz) verwiesen.
Der Berufung der beklagten Partei hat das Berufungsgericht nicht Folge gegeben und ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Verfahren für mängelfrei erachtet, die Feststellungen des Erstgerichtes übernommen und auch dessen rechtliche Beurteilung gebilligt.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revisionswerberin macht unter Bezugnahme auf die Revisionsgrunde des § 503 Z. 4 oder Z. 2 ZPO. geltend, daß ein Teil der Zeugen verstorben sei und andere Zeugen unbekannten Aufenthaltes seien; demnach habe das Erstgericht keinen dieser Zeugen vernehmen können und somit überhaupt keine Beweise aufgenommen; die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß wegen der Unmöglichkeit der Zeugenvernehmung kein prozessuales Hindernis bestehe, die in den Protokollen der ungarischen Gerichte niedergelegten Zeugenaussagen als Urkundenbeweis zu verwerten, sei "höchst bedenklich und wohl unrichtig"; nach richtiger Ansicht sei vielmehr in dem Falle, daß Zeugen wegen Todesfalles oder dauernder Abwesenheit nicht vernommen werden könnten, das Tatsachenmaterial, über welches sie vernommen werden sollten, als nicht erwiesen anzunehmen; demnach sei das Prozeßvorbringen des Klägers hinsichtlich der Ungültigkeit der für den vorliegenden Prozeß maßgeblichen letztwilligen Verfügung des Ferdinand H. nicht nachgewiesen und das Klagebegehren schon aus diesem Gründe abzuweisen.
Dieses Vorbringen der Revisionswerberin ist unter dem Revisionsgrunde des § 503 Z. 4 ZPO. verfehlt, weil sich der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache auf die materiell-rechtliche Beurteilung bezieht und es sich schon nach diesem Vorbringen der Revision um Verfahrensfragen handelt. Aber auch unter dem Gesichtspunkte der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nach § 503 Z. 2 ZPO. kann der Revision in diesem Punkte kein Erfolg beschieden sein, weil sich das bezügliche Vorbringen der Revisionswerberin nur als Wiederholung ihrer Mängelrüge in der Berufung darstellt; mit dieser Rüge hat sich aber das Berufungsgericht eingehend befaßt und ist dabei zum Ergebnis gekommen, daß das erstinstanzliche Verfahren mängelfrei sei, so daß das Berufungsgericht auch die im erstgerichtlichen Verfahren gewonnenen Feststellungen übernommen hat. Damit ist diese Frage auch für das Revisionsverfahren abschließend entschieden, weil nach ständiger Rechtsprechung des Revisionsgerichtes (vgl. z.B. SZ. XXII 106) nur einmal, nämlich in nächsthöherer Instanz, zu prüfen ist, ob das Verfahren in der Vorinstanz mangelhaft geblieben sei.
Diese Ausführungen der Revision sind also verfehlt, und es ist bei der rechtlichen Beurteilung von jenem Sachverhalte auszugehen, den das Erstgericht festgestellt und das Berufungsgericht als letzte Tatsacheninstanz übernommen hat.
Es kommt aber auch der Rechtsrüge der Revision (§ 503 Z. 4 ZPO.) keine Berechtigung zu.
Die Revisionswerberin macht geltend, daß bei der Abhandlung von österreichischen Liegenschaften eines Ausländers österreichisches Recht maßgebend sei, so daß nach österreichischem Recht diesbezüglich die Erbfolgeordnung, die Testierfähigkeit, die Erbfähigkeit und das Pflichtteilsrecht zu beurteilen seien; mit diesen Grundsätzen sei es schwer zu vereinbaren, daß bezüglich der Form der Errichtung von Testamenten nicht auch österreichisches Recht maßgebend sein sollte, zumindest in der Weise, daß das Testament gültig sei, wenn es entweder der österreichischen Testamentsform oder der Form des Errichtungsortes entspreche; die Vorinstanzen hätten unrichtigerweise das "Wirkungsstatut" nicht angewendet und damit der letztwilligen Verfügung die Gültigkeit bezüglich der inländischen Liegenschaft versagt, obwohl das Testament nach den Bestimmungen des österreichischen Testamentsrechtes in Österreich gültig sei.
Diese Auffassung der Revisionswerberin wird der besonderen Regelung des vorliegenden Problems im österreichischen internationalen Privatrechte nicht gerecht. Zufolge der herrschenden Lehre (vgl. Schnitzer, Handbuch des internationalen Privatrechts, 3. Aufl. II S. 476 f.) ist zunächst festzuhalten, daß das Problem der Form einer letztwilligen Verfügung ein Teilproblem jenes der Form im internationalen Privatrecht überhaupt darstellt. Grundsätzlich entscheidet über die Form das eigene Gesetz des Rechtsverhältnisses (die lex causae). Das Erbstatut kann also die für internationale Testamente erforderliche Form vorschreiben. Es ist hiebei souverän, die Form eines Rechtes zwingend vorzuschreiben oder die Formen mehrerer Rechte wahlweise zur Verfügung zu stellen. Ein Recht kann aber auch umgekehrt von sich aus ein besonderes Formstatut für ein internationales Testament aufstellen, das dann unabhängig von der materiellen Rechtsanwendung ist. Unter diesem Gesichtspunkte ist die Regelung der vorliegenden Frage durch das im Einvernehmen mit der Hofkommission in Justizgesetzsachen erlassene Hofdekret vom 22. Juli 1812, JGS. Nr. 997, über "die Abhandlung des zurückgelassenen Vermögens außer Landes verstorbener fremder Untertanen" zu beurteilen. Nach lit. b) des Hofdekrets steht den österreichischen Gerichtsstellen die Abhandlung in ihrem vollen Umfange, die Beurteilung der Rechte aller Teilnehmenden und die Obsorge über die Berichtigung sämtlicher Abhandlungsgebühren dann zu, wenn das im österreichischen Gebiete befindliche Vermögen des Ausländers bloß aus unbeweglichen Gütern besteht; nur insofern die Gültigkeit eines letzten Willens von der äußeren Form desselben abhängt, ist darüber nach den Gesetzen des Ortes, wo er errichtet worden ist, zu entscheiden. Diese Vorschrift stellt eine "Kollisionsnorm" im Sinne der Lehre vom internationalen Privatrechte (vgl. Ehrenzweig 2. Aufl. I/1 S. 96) dar, deren Beachtung die Entscheidung der Untergerichte rechtfertigt. Die Zweifel der Revisionswerberin an der Gültigkeit der bezogenen Vorschrift sind nicht begrundet. Denn dieses Hofdekret ist nicht anders als das ABGB. in der absoluten Monarchie erlassen und in der Sammlung der "Gesetze und Verfassungen im Justizfache für die Deutschen Staaten der Österreichischen Monarchie" (in der 4. Fortsetzung, betreffend die Jahre 1812 bis 1817, S. 27 f.) verlautbart worden. Dieses Hofdekret ist auch in seinen materiellrechtlichen Bestimmungen niemals derogiert worden (vgl. die Ausführungen Eisingers in der NotZ. 1910 S. 221 ff., 230 ff. und 239 f.). Zwar sind gewisse Bestimmungen des Hofdekrets in die §§ 22 ff. AußStrG. übergegangen (diese Vorschriften sind ihrerseits nach Art VIII Z. 3 EGJN. unberührt geblieben); insoweit ist es gemäß Art. III des Einführungspatentes zum AußStrG. außer Kraft gesetzt worden. Die hier zur Erörterung stehende Kollisionsnorm hat aber nicht das Verfahren betroffen, das durch das AußStrG. in erster Linie geregelt werden sollte. Es ist richtig, daß die gebräuchlichen Gesetzesausgaben den Text des Hofdekrets vom 22. Juli 1812 nicht enthalten. Diesem Umstand kommt aber keine entscheidende Bedeutung zu, zumal auch noch die neueste Rechtslehre auf das genannte Hofdekret Bezug nimmt (vgl. Ehrenzweig a. a. O. S. 122 sowie Walker, Verdroß-Droßberg und Satter in Klang 2. Aufl. I 264 Anm. 283). In der erwähnten Kollisionsnorm bedeutet das Hofdekret vom 22. Juli 1812 eine Ergänzung der spärlichen Bestimmungen des ABGB. hinsichtlich des internationalen Privatrechts auf dem Gebiete des Erbrechts. Zutreffend haben also die Vorinstanzen darauf Bedacht genommen. Der Hinweis der Revisionswerberin auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes SZ. XXV 17 greift nicht durch, da die darin behandelte Frage aus dem internationalen Obligationenrechte von der vorliegenden verschieden ist und schon oben bemerkt worden ist, daß es in der Lehre vom internationalen Privatrechte anerkannt ist, daß eine Rechtsordnung ein besonderes Formstatut für ein internationales Testament aufstellen kann, das unabhängig von der materiellen Rechtsanwendung ist.
Nach Walker (Internationales Privatrecht, 5. Aufl. S. 909) ist die letztwillige Verfügung formgültig, wenn sie dem Personalstatut des Erblassers zur Zeit der Errichtung oder dem letzten Personalstatute des Erblassers oder dem Rechte des Errichtungsortes entspricht. Mit dieser Ansicht stimmen die Meinungen der Bearbeiter der Materie der §§ 33 bis 37 ABGB. in Klang 2. Aufl. überein (Walker, Verdroß - Droßberg und Satter a. a. O. 263 f.), ferner die Lehre Ehrenzweigs (a. a. O. S. 121 f.) sowie die Ausführungen von Köhler über die Geltung ausländischer Testamente in Österreich, NotZ. 1954 S. 49. Allerdings ist von diesen Autoren ein Fall wie der vorliegende nicht ausdrücklich behandelt worden, da er selten praktisch werden dürfte. Die von den Vorinstanzen auf der Grundlage der Regelung des Hofdekrets vom 22. Juli 1812, JGS. Nr. 997, getroffene Entscheidung wird aber der bezogenen Rechtslehre durchaus gerecht, zumindest ergibt sich daraus kein Anhaltspunkt für die von der Revisionswerberin vorgetragene Ansicht.
Zutreffend haben also die Untergerichte die äußere Form der Erklärung des letzten Willens des Vaters des Klägers vom 23. Dezember 1935 nach den Bestimmungen des ungarischen Rechtes beurteilt. Gegen die Ansicht der Vorinstanzen, daß die hier in Betracht kommende letztwillige Anordnung nach den Bestimmungen des ungarischen Gesetzartikels XVI/1876 mangels der vorgeschriebenen Form ungültig sei, hat aber die Revisionswerberin selbst nichts vorgebracht. Somit ist dem Klagebegehren zutreffend stattgegeben worden, ohne daß es erforderlich gewesen wäre, auf das Vorbringen des Klägers hinsichtlich der übrigen Anfechtungsgrunde einzugehen.
Die gerügte unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache (§ 503 Z. 4 ZPO.) ist also nicht gegeben.
Anmerkung
Z28223Schlagworte
Abhandlung nach Ausländern, anzuwendendes Recht, Ausländer, Abhandlung ihres unbeweglichen Nachlasses, Internationales Privatrecht Liegenschaftsnachlaß eines Ausländers, Liegenschaften eines verstorbenen Ausländers, Abhandlung, Nachlaß unbeweglicher - eines Ausländers, Abhandlung, Privatrecht internationales Liegenschaftsnachlaß eines Ausländers, Verlassenschaftsabhandlung nach Ausländern, anzuwendendes RechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1955:0020OB00583.55.1012.000Dokumentnummer
JJT_19551012_OGH0002_0020OB00583_5500000_000