TE OGH 1955/10/26 3Ob380/55

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Veröffentlicht am 26.10.1955
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Norm

ABGB §906
ABGB §1438
ZPO §391
ZPO §410

Kopf

SZ 28/236

Spruch

Bei Abfindungsbefugnis, die bereits damit entsteht, daß die Erklärung, einen Abfindungsbetrag annehmen zu wollen, dem Beklagten zukommt, können einer unteilbaren, auf Herausgabe von Gegenständen gerichteten Klagsforderung nur solche Gegenforderungen entgegengesetzt werden, die der Höhe nach die Klagsforderung zumindest erreichen.

Entscheidung vom 26. Oktober 1955, 3 Ob 380/55.

I. Instanz: Bezirksgericht Innsbruck; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Die Beklagten waren in der Zeit vom April 1939 bis Oktober 1952 Pächter des den Klägern gehörigen Gasthofes D. in I.-M. Die Kläger begehren mit der Begründung, die Beklagten hätten sich verpflichtet, von ihnen bei der Übergabe des Pachtgegenstandes an die Kläger als fehlend anerkannte Küchen- und Bettwäsche zu ersetzen, ferner die Verpflichtung übernommen, für die unterlassene Instandsetzung des Pachtgegenstandes für die Pachtzeit jährlich 1000 S zu bezahlen, und seien auch verpflichtet, andere fehlende Wäschestücke, Geschirr, Waschbecken, Klosettschalen, Kokosläufer, Bettvorleger und Vorhänge zu ersetzen und offen gelassene Rechnungen zu bezahlen, die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand,

1.) nachstehende Gegenstände in tadellosem Zustande den Klägern zurückzustellen:

a) 42 Servietten, 16 Leintücher, 27 farbige Polsterbezüge, 17 weiße Tischtücher, 24 Küchenhangerln, 24 Küchenhandtücher im Gesamtanschaffungswert von 2684 S,

b) 35 farbige Tischdecken, 100 Leintücher, 35 Bettbezüge, 50 Polsterbezüge, Gesamtanschaffungswert 9350 S,

c) 2 Dtzd. Eßlöffel, 5 Dtzd. Kaffeelöffel, 6 1/2 Dtzd. Messer, 10 Gabeln, Gesamtanschaffungswert 1362 S 60 g,

d) 11 Stück Silit-Stahlkochgeschirre, Gesamtanschaffungswert 2000 S, 39 flache Teller, 26 Dessertteller, 68 Suppenteller, Gesamtanschaffungswert 1758 S,

e) 10 neuwertige Waschbecken, 4 neuwertige Klosettschalen, einen Kokosläufer von 26 m Länge, 10 Bettvorleger, 20 Vorhänge für Gast- und Fremdenzimmer, Gesamtanschaffungswert 4000 S;

2.) den Klägern die Beträge von 12.000 S und 1146 S 62 g samt 4% Zinsen seit 1. Dezember 1952 zu bezahlen;

3.) den Klägern die Prozeßkosten zu ersetzen, wobei sich

4.) die Beklagten von der Verpflichtung zu 1.) a) bis e) durch Bezahlung eines Betrages von 21.154 S 60 g lösen könnten.

Die Beklagten bestritten die Klagsforderungen und wendeten aufrechnungsweise zahlreiche Gegenforderungen ein. Das Klagebegehren wurde schließlich auf Rückstellung der im Punkt 1.) lit. a angeführten Gegenstände, von deren Rückstellung sich die Beklagten durch Bezahlung eines Betrages von 2684 S lösen könnten, und auf Zahlung von 1152 S 62 g eingeschränkt, während die Beklagten ihre Gegenforderungen auf den Betrag von 3888 S 15 g, und zwar von 349 S für Wassermehrverbrauch, 211 S 65 g für Überwasser, 1000 S für einen von den Beklagten zurückgelassenen Ofen, 460 S für eine zurückgelassene Reklametafel, 500 S für eine Holzlattenumzäunung, 815 S für zurückgelassene Müllblechtonnen, 240 S für zwei zurückgelassene Ottomanen und 2500 S für zurückgelassene Speisekarten, einschränkten.

Das Prozeßgericht erkannte 1.) die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig, a) 42 Servietten, 16 Leintücher, 27 farbige Polsterbezüge, 17 weiße Tischtücher, 24 Küchenhangerln und 24 Küchenhandtücher im Gesamtanschaffungswert von 2684 S zurückzustellen, b) den Klägern den Betrag von 803 S 62 g samt 4% Zinsen seit 1. November 1952 zu bezahlen, 2.) den Klägern 1/10 der bis 1. April 1954 aufgelaufenen Prozeßkosten und die gesamten späteren Prozeßkosten zu bezahlen, wobei sich die Beklagten von der Verpflichtung zu 1.) a) durch Bezahlung eines Betrages von 2684 S lösen können, und verpflichtete die Kläger zur ungeteilten Hand zur Bezahlung von 9/10 der bis 1. April 1954 aufgelaufenen Prozeßkosten, ohne das Mehrbegehren im Spruch abzuweisen. Nach den Feststellungen des Prozeßgerichtes haben die Beklagten das Begehren zu Punkt 1.) lit. a des Urteilsspruches anerkannt, ebenso die Forderung zu Punkt 1.) lit. b des Spruches, wobei von der Forderung per 1152 S 62 g die von den klagenden Parteien anerkannte Gegenforderung von 349 S für Wassermehrverbrauch abzuziehen sei, so daß sich für die Beklagten eine Zahlungsverpflichtung von 803 S 62 g ergebe. Die übrigen Gegenforderungen bestunden nach Ansicht des Prozeßgerichtes nicht zu Recht, da die in das Unternehmen eingebrachten Gegenstände Zugehör des letzteren geworden und an die klagenden Parteien nach Beendigung des Pachtvertrages zurückzustellen seien, während die Beklagten nur Aufwandersatz nach § 1097 ABGB. begehren könnten. Die Ansprüche auf Aufwandersatz seien aber infolge Ablaufes der Frist des § 1097 ABGB. verjährt. Hinsichtlich der Gegenforderung von 211 S 65 g für Überwasser vertrat das Prozeßgericht den Standpunkt, daß sich dieser Anspruch aus einer mündlichen Vereinbarung herleite, nach dem Pachtvertrag aber mündliche Abreden ungültig seien.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten zum Teil Folge und änderte Punkt 1.) lit. b des erstgerichtlichen Urteilsspruches dahin ab, daß dieses Begehren abgewiesen werde. Im übrigen bestätigte das Berufungsgericht das Urteil des Prozeßgerichtes in der Hauptsache. Es ergänzte das Beweisverfahren durch Vernehmung der Streitteile als Parteien und stellte fest, daß die Gegenforderungen von 211 S 80 g (richtig 211 S 65 g) für Überwasser als von den Klägern anerkannt, ferner von 1000 S für einen den Klägern überlassenen Ofen und von 240 S für den Klägern überlassene zwei Ottomanen zu Recht bestunden, da die Kläger sich zur Ablöse dieser Gegenstände in der behaupteten Höhe anläßlich der Rückstellung des Pachtobjektes verpflichtet hätten, während hinsichtlich der übrigen noch aufrecht erhaltenen Gegenforderungen ein Beweis für deren Bestand oder eine Anerkennung durch die Kläger nicht erbracht sei. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes könnten die Gegenforderungen aber nur bis zur Höhe des vom Prozeßgericht den Klägern zugesprochenen Betrages von 803 S 62 g aufgerechnet werden, während eine Aufrechnung gegen die Verpflichtung zur Rückstellung von Tisch- und Bettwäsche mangels Gleichartigkeit nicht erfolgen könne, da die Beklagten hinsichtlich der Ersetzungsbefugnis noch keine Wahl getroffen hätten.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Es ist zwar richtig, daß die Erklärung der Kläger in der Klage, einen Geldbetrag statt der begehrten Leistung annehmen zu wollen, eine Prozeßhandlung, gleichzeitig aber die privatrechtlich bindende Einräumung einer Abfindungsbefugnis an die Beklagten, sich durch Leistung eines Abfindungsbetrages ihrer Verbindlichkeit und ihrer zwangsweisen Durchsetzung entziehen zu können, darstellt. Die Abfindungsbefugnis entsteht bereits damit, daß die Erklärung, einen Abfindungsbetrag annehmen zu wollen, dem Beklagten zukommt (1 Ob 267/55). Allein die bloße Erklärung, zahlen zu wollen oder aufzurechnen, stellt noch keine Leistung dar. Die Beklagten können daher der Klagsforderung, die auf Herausgabe von Gegenständen gerichtet ist, bei Abfindungsbefugnis nur solche Gegenforderungen entgegensetzen, die, falls die Klagsforderung nicht teilbar ist, wie im vorliegenden Falle, die Klagsforderung der Höhe nach erreichen oder sogar übersteigen. Erreicht aber die Gegenforderung die Klagsforderung in einem solchen Falle nicht, so kann mangels Teilbarkeit der Klagsforderung und daher mangels der Voraussetzung der Gleichartigkeit trotz der eingeräumten Abfindungsbefugnis eine Aufrechnung im Prozeß nicht stattfinden. Das Begehren auf Herausgabe der im Spruch der ersten Instanz unter Punkt 1.) lit. a angeführten Fahrnisse ist unteilbar, da eine besondere Bewertung der einzelnen Fahrnisse nicht erfolgte und eine Verpflichtung hiezu im Hinblick auf die eingeräumte Abfindungsbefugnis hinsichtlich der Rückstellung aller im Punkt 1.) lit. a des erstinstanzlichen Spruches angeführten Fahrnisse für die Kläger gar nicht bestand. Von den ursprünglich geltend gemachten Gegenforderungen haben die Beklagten nur die in der Höhe von 349 S für Wassermehrverbrauch, von 211 S 65 g für Überwasser, von 1000 S für einen den Klägern überlassenen Ofen, von 3460 S für eine Reklametafel, von 500 S für eine zurückgelassene Holzlattenumzäunung, von 815 S für Mülltonnen, von 240 S für zwei zurückgelassene Ottomanen und von 312 S 50 g für Speisekartenvordrucke aufrecht erhalten.

Die Gegenforderung für Wassermehrverbrauch wurde bereits vom Erstgericht anerkannt und von der auf Geldzahlung gerichteten Klagsforderung in Abzug gebracht. Von den übrigen Gegenforderungen hat das Berufungsgericht unangefochten festgestellt, daß nur die von 211 S 80 g für Überwasser, von 1000 S für einen Ofen und von 240 S für zwei den Klägern überlassene Ottomanen zu Recht, die übrigen aber nicht zu Recht bestunden, und hat ausgesprochen, daß von diesen Gegenforderungen nur solche bis zur Höhe der auf Zahlung gerichteten Klagsforderung (Punkt 1.) lit. b des erstinstanzlichen Spruches) den Beklagten zuerkannt werden könnten. Der verbleibende Restbetrag erreicht nicht den Betrag von 2684 S, durch dessen Zahlung die Beklagten sich von der Verpflichtung zur Herausgabe der im Punkt 1.) lit. a des Spruches erster Instanz angeführten Fahrnisse befreien können. Mangels Unteilbarkeit der bezüglichen Klagsforderung und daher mangels Gleichartigkeit ist eine Aufrechnung der weiteren Gegenforderungen nicht möglich, weshalb das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum das Urteil des Prozeßgerichtes in seinem Ausspruch zu Punkt 1.) lit. a bestätigt hat.

Anmerkung

Z28236

Schlagworte

Abfindungsbefugnis Kompensation, Alternative Ermächtigung, Kompensation, Aufrechnung, Abfindungsbefugnis, Facultas alternativa Aufrechnung, Gegenforderung Kompensation bei Abfindungsbefugnis, Kompensation Abfindungsbefugnis, Lösungsbefugnis Kompensation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1955:0030OB00380.55.1026.000

Dokumentnummer

JJT_19551026_OGH0002_0030OB00380_5500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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