Norm
ABGB §1331Kopf
SZ 29/11
Spruch
Umfang des Schadenersatzes bei vorsätzlicher Schädigung. Keine Eindeckungspflicht des Beschädigten.
Entscheidung vom 14. Februar 1956, 4 Ob 179/55.
I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Nach den Feststellungen des Erstgerichtes war der Beklagte in der Zeit vom 1. September 1946 bis 28. Februar 1947 in dem Kleiderwaren-Unternehmen des Klägers als Geschäftsführer beschäftigt. Am 1. März 1947 verließ er seinen Dienstposten unter Mitnahme von zwei Kupons Anzugstoffen a 3 m, eines Kupons Jerseystoff im Ausmaß von 9 1/2 m und 6 m Seidenponge mit der Begründung, daß diese Stoffe zur Sicherstellung seiner Gehaltsforderung von angeblich 8742 S 48 g zu dienen hätten. In der Folge wurden die Stoffe von ihm verschenkt, so daß sie nicht mehr vorhanden sind. Der Kläger begehrt nunmehr den Ersatz des Wertes dieser Stoffe im Betrage von 8000 S, wobei er die Forderung des Beklagten aus nicht bezogenem Gehalt im Betrage von 1263 S 38 g anerkennt und auf seine Forderung verrechnet, so daß sich sein Begehren auf Bezahlung eines Betrages von 6736 S 62 g richtet.
Das Erstgericht hat die beklagte Partei zur Bezahlung eines Betrages von 2190 S 86 g samt 4% Zinsen seit 1. März 1947 schuldig erkannt und das Mehrbegehren von 5809 S 14 g abgewiesen.
Der dagegen seitens des Klägers erhobenen Berufung wurde nicht Folge gegeben, dagegen der Berufung des Beklagten, und das Urteil des Erstgerichtes dahin abgeändert, daß der Beklagte zur Zahlung eines Betrages von 586 S 62 g samt 4% Zinsen seit 1. März 1947 schuldig erkannt, das Mehrbegehren aber abgewiesen wurde. Das Berufungsgericht führte hiezu unter anderem aus:
Der Kläger begehre Schadenersatz vom Beklagten wegen der eigenmächtigen Entziehung der Stoffe. Es möge bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben, ob der Gegenforderung des Beklagten die Bestimmung des § 1440 ABGB. entgegenstehe, da der Kläger eine Gegenforderung des Beklagten im Betrage von 1263 S 38 g anerkannt und sein Begehren um diesen Betrag eingeschränkt hat. Das Erstgericht durfte daher die vom Kläger selbst vorgenommene Aufrechnung nicht ablehnen, da der Schuldner des zur Herausgabe Verpflichteten trotz der Bestimmung des § 1440 ABGB. aufrechnen könne. Das Berufungsgericht könne aber auch die Auffassung des Erstgerichtes nicht teilen, daß dem Schadenersatzanspruch des Klägers der heutige Wert der Stoffe zugrunde zu legen sei. Wie aus § 1332 ABGB. hervorgehe, erfolge die Ermittlung des Schadenersatzes nach dem Zeitpunkt der Beschädigung. Wenngleich der Beklagte nach § 1331 ABGB. auch zum Ersatz des entgangenen Gewinnes verpflichtet sei, so könne ein Zuspruch in einem den gemeinen Wert der Sache übersteigenden Betrag nicht erfolgen, weil dem Kläger die Beweispflicht obliege, er aber keinen Beweis erbracht habe, daß sein Schaden den gemeinen Wert der Stoffe im Zeitpunkt der Entziehung übersteige. Er begehre lediglich den Ersatz der Stoffe und könne daher nur den gemeinen Wert derselben verlangen. Den entgangenen Gewinn, den der Kläger durch Verkauf der Stoffe am freien Markt hätte erzielen können, könne er aber vom Beklagten, wie bereits das Erstgericht zutreffend ausführte, nicht ersetzt begehren, weil dieser Gewinn nur durch ein verbotenes Verhalten hätte erzielt werden können. Daher sei es auch unerheblich, ob dem Kläger seinerzeit von der Telegraphenagentur T. die Ermächtigung eingeräumt wurde, Stoffe zu überhöhten Preisen abzugeben. Der Kläger sei daher lediglich auf die gesetzliche Verzinsung der Ersatzsumme vom Zeitpunkte der Schädigung an zu verweisen. Nach der Aussage des sachverständigen Zeugen K. hätten nun die Anzugstoffe einen Wert von 80 S bis 100 S pro Meter. Da die Gattin des Beklagten, Maria F., den Wert der Anzugstoffe mt 100 S bis 120 S angebe, ergebe sich ein Durchschnittswert von 100 S pro Meter, so daß sich der Schaden des Klägers für die vom Beklagten mitgenommenen Anzugstoffe mit 600 S errechne. Der Wert des Jerseystoffes werde vom Zeugen K. mit 100 S pro Meter angegeben. 9 1/2 m dieser Stoffart bezifferten sich daher mit einem Wert von 950 S. Die 6 m Seidenponge seien nach der Aussage des genannten Zeugen mit insgesamt 300 S zu bewerten. Die Gesamtziffer des Schadens zur Zeit der Schädigung betrage daher 1850 S, von welchem Betrag die anerkannte Gegenforderung des Beklagten in der Höhe von 1268 S 38 g in Abzug komme, so daß das Begehren des Klägers mit insgesamt 586 S 62 g begrundet sei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers teilweise Folge und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 927 S 48 g.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Da der Beklagte sich die Stoffe eigenmächtig angeeignet und diese sogar veräußert hat, so hat er zumindest ein Zivildelikt begangen. Da nur in den Fällen eines minderen Grades des Versehens oder der Nachlässigkeit von der Fiktion der sofortigen Eindeckungspflicht des Beschädigten auszugehen ist (§ 1332 ABGB.), nicht aber in den Fällen vorsätzlicher Schädigung, ist der dem Beschädigten zustehende Ersatzanspruch im vorliegenden Fall nicht auf den gemeinen Wert, den die Sache zur Zeit der Beschädigung hatte, beschränkt, sondern ist der Beklagte gemäß § 1331 ABGB. zum Ersatz des Betrages verpflichtet, den der Kläger im gegenwärtigen Zeitpunkt aufwenden muß, um die entzogenen Stoffe wieder zu erlangen, also den vorigen Zustand wiederherzustellen (§ 1323 ABGB.). Gegen die vom Erstgericht der Bemessung des Ersatzes zugrunde gelegten Meterpreise von 150 S für Anzugstoff, 91 S 67 g für den (fehlerhaften) Jerseystoff und 70 S für den Seidenpongestoff, die dem heutigen Verkehrswert entsprechen, besteht daher kein rechtliches Bedenken. Da demnach von der vom Erstgericht zutreffend ermittelten Gesamtsumme der Ersatzansprüche des Klägers in der Höhe von 2190 S 86 g der Betrag von 1263 S 38 g, welcher als restliche Gehaltsforderung des Beklagten vom Kläger anerkannt und unter Einschränkung des Klagebegehrens auf die Klagsforderung selbst aufgerechnet wurde, in Abzug zu bringen ist, war der Beklagte zur Zahlung eines Betrages von 927 S 48 g schuldig zu erkennen, das Mehrbegehren aberabzuweisen. Da der zugesprochene Ersatzbetrag nicht nach dem gemeinen Wert zur Zeit der Schädigung, sondern nach dem heutigen Verkehrswert der entzogenen Stoffe bemessen wurde, konnten die gesetzlichen Zinsen des zuerkannten Betrages auch nicht aus dem Titel des Schadenersatzes vom Zeitpunkte der Schädigung an zugesprochen werden, sondern lediglich vom Tage der Klagseinbringung.
Anmerkung
Z29011Schlagworte
Beschädigung, vorsätzliche, Eindeckungspflicht, Eindeckungspflicht, Schadenersatz, Schadenersatz Umfang, Eindeckungspflicht, Umfang des Schadenersatzes, Eindeckungspflicht, Vorsätzliche Beschädigung, EindeckungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1956:0040OB00179.55.0214.000Dokumentnummer
JJT_19560214_OGH0002_0040OB00179_5500000_000