TE OGH 1956/3/7 1Ob110/56

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Veröffentlicht am 07.03.1956
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Norm

ABGB §469
ABGB §828
ABGB §833
Grundbuchsgesetz 1955 §80

Kopf

SZ 29/19

Spruch

Hat einer der beiden Miteigentümer einer Liegenschaft die auf der ganzen Liegenschaft haftende Hypothekarschuld zur Gänze bezahlt, kann er die Löschung dieser Hypothek bezüglich seines Liegenschaftsanteiles begehren.

Entscheidung vom 7. März 1956, 1 Ob 110/56.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Klägerinnen verlangen, die Beklagten schuldig zu erkennen, in die grundbücherliche Löschung des für die Beklagten je zur Hälfte ob dem der Erstklägerin gehörigen ideellen Hälfteanteil der EZ. 1942 Katastralgemeinde O. (unter Postzahl 81 als Haupteinlage) und ob dem Achtelanteil der Erstklägerin sowie dem Dreiachtelanteil der Zweitklägerin an der EZ. 52 Katastralgemeinde O. (unter Postzahl 37 als Nebeneinlage) für die Darlehensforderung von nunmehr 21.333 S 33 g samt Anhang einverleibten Simultanpfandrechtes einzuwilligen.

Unbestritten ist, daß die beiden anderen Hälften der Liegenschaften - auf denen ebenfalls das Pfandrecht haftet - der am Verfahren nicht beteiligten Katharina T. gehören, und ferner, daß durch die geleisteten Zahlungen Kapital und Zinsen ohne Berücksichtigung der vereinbarten Wertsicherung zur Gänze gezahlt wurden. Die Wertsicherungsklausel lautet: "Zur Sicherung der Wertbeständigkeit des obigen Darlehens samt Nebengebühren erklären wir Endesgefertigten ausdrücklich, daß wir auf jeden Fall verpflichtet sind, dem Gläubiger Kapital und Zinsen im vollen Werte zurückzuzahlen bzw. zu bezahlen, so daß aus einer etwaigen Entwertung des Schillings dem Gläubiger kein Nachteil entstehen darf."

Das Erstgericht erkannte gemäß dem Klagebegehren. Es hielt die Wertsicherungsklausel wegen ihrer Unbestimmtheit für unwirksam und bejahte die aktive Klagslegitimation, obwohl nur die Eigentümer der einen Liegenschaftshälfte die Löschungsklage erhoben hatten; auch eine notwendige Streitgenossenschaft liege nicht vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Parteien Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Es stimmte zwar dem Erstrichter darin bei, daß der Wertsicherungsklausel mangels eines bestimmten Aufwertungsmaßstabes keine Wirkung zukomme, hielt aber dennoch den Klagsanspruch aus folgenden Erwägungen für unbegrundet:

Daß die Klägerinnen mit der Miteigentümerin der anderen Liegenschaftshälften hinsichtlich der Löschung des Pfandrechtes einig wären, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Durch die vorliegende Prozeßführung würden aber die Klägerinnen, obwohl sie nur die Löschung des Pfandrechtes bezüglich ihrer Anteile begehrten, auch über jene der Miteigentümerin Katharina T. verfügen. Denn gemäß § 469 ABGB. könnten sie im Falle der Löschung des Pfandrechtes hinsichtlich ihrer Anteile über die Pfandstelle verfügen, wodurch die Rechte allfälliger Nachhypothekare auf der Hälfte der Katharina T. und damit auch deren Rechte berührt würden. Aus diesem Gründe stunden seit der III. Teilnovelle zum ABGB. Lehre und Rechtsprechung auf dem Standpunkt, daß § 80 GBG. für die Löschung von Simultanpfandrechten auf Liegenschaften oder Liegenschaftsanteilen, die verschiedenen Eigentümern gehören, nicht anwendbar sei. Die Löschung eines solchen Pfandrechtes könne daher - von dem Fall der angemerkten Löschungsverpflichtung abgesehen - nur von der Gesamtheit der Miteigentümer begehrt werden (Klang 2. Aufl. II 531; Bartsch, Das österreichische allgemeine Grundbuchsgesetz 7. Aufl. S. 49; Berger in der NotZ. 193O S. 10; NotZ. 1931 S. 79). Es bestehe somit nicht nur für den Fall einer späteren Sonderprozeßführung der Katharina T. die Gefahr unlösbarer Verwicklungen (Neumann, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, 4. Aufl. I S. 437; ZBl. 1932 Nr. 53), sondern darüber hinaus ein sich aus § 469 ABGB. ergebendes gesetzliches Verbot hiefür (Petschek in der Glosse zur vorzitierten Entscheidung), da das Verbot der alleinigen Verfügung eines Miteigentümers über seinen Anteil an der Sachhaftung durch die Erwirkung eines Urteiles umgangen werden könnte, auf Grund dessen der obsiegende Miteigentümer im Exekutionswege die unzulässige Löschung des auf der ganzen Liegenschaft haftenden Pfandrechtes hinsichtlich seines Anteiles erzwingen könnte. Kraft dieser besonderen Beschaffenheit des Rechtsverhältnisses erstrecke sich somit die Wirkung eines allfälligen Urteiles auch auf die Miteigentümer. Das entspreche auch dem allgemeinen Grundsatz, daß mehrere Personen, die in Rechtsgemeinschaft stunden, aus diesem Rechtsverhältnis, wie es im gegenständlichen Fall durch das dingliche Pfandrecht begrundet sei, nur alle gemeinsam klagen oder geklagt werden müßten. Daraus ergebe sich, daß für alle Miteigentümer nur das gleiche Urteil ergehen könne; ein Rechtsverhältnis, ein Prozeß, eine Partei (Pollak, System des österreichischen Zivilprozeßrechtes, 2. Aufl. S. 200; Neumann a. a. O.). Es könnten also auch im vorliegenden Fall nur alle Miteigentümer gemeinsam, nicht aber einzelne von ihnen als Kläger auftreten.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerinnen Folge und stellte das erstgerichtliche Urteil wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Berufungsgericht hat bei der rechtlichen Beurteilung der Streitsache den Umstand nicht richtig gewürdigt, daß die Klägerinnen die ganze Darlehensforderung bezahlt haben, aber die Löschung der Hypotheken nur insoweit begehren, als sie auf ihren Miteigentumsanteilen haften. Wieso dadurch die Klägerinnen, die nur die Löschung der Pfandrechte bezüglich ihrer Anteile verlangen, auch über jene der Miteigentümerin Katharina T. verfügen sollten, ist nicht einzusehen.

Wenn gemäß dem Begehren der Klägerinnen erkannt wird, so werden die auf ihren Liegenschaftsanteilen haftenden Pfandrechte gelöscht werden, dagegen bleiben die Pfandrechte auf den Liegenschaftsanteilen der Katharina T. eingetragen. Der Miteigentümerin Katharina T. bleibt es daher unbenommen, hinsichtlich ihrer Liegenschaftsanteile gemäß § 469 ABGB. zu verfügen. Nur hiezu ist sie aber berechtigt. Ein Recht, über die frei werdenden Pfandstellen hinsichtlich der Liegenschaftsanteile der Klägerinnen zu verfügen, steht ihr nicht zu.

§ 828 BGB. sieht zwar vor, daß mehrere Liegenschaftseigentümer nur eine Person vorstellen; dies aber nur insolange, als alle Teilhaber einverstanden sind. Ein solcher Fall liegt aber nicht vor, weil bloß die Klägerinnen die Löschung verlangen, während sich Katharia T. nicht darum kümmert. Überdies kann nach dem Gesetz (§ 829 ABGB.) jeder Liegenschaftseigentümer seinen Liegenschaftsanteil belasten. Tilgt er eine solche Hypothek, so ist an seiner alleinigen Löschungsbefugnis nicht zu zweifeln. Nicht anders kann aber der Fall liegen, in dem er die auf der ganzen Liegenschaft haftende Hypothek bezahlt hat und dann die Löschung der Hypothek nur hinsichtlich seines Miteigentumsanteiles begehrt.

Aus der vom Berufungsgericht herangezogenen Literatur und Rechtsprechung ist für den gegenteiligen Standpunkt nichts zu gewinnen, weil dort entweder deutlich ausgesprochen oder doch stillschweigend davon ausgegangen wird, daß der Miteigentümer die Löschung des Pfandrechtes hinsichtlich der ganzen Liegenschaft begehrt. In einem solchen Falle wird in der Tat das Verfügungsrecht der übrigen Eigentümer gemäß § 469 ABGB. hinsichtlich ihrer Anteile verletzt. Der Grundsatz, daß das Verfügungsrecht der Miteigentümer - und auch die Nachhypothekare - nicht beeinträchtigt werden dürfen, liegt auch der Entscheidung SZ. XVII 66 (trotz des dort abweichend angegebenen Aktenzeichens 1 Ob 161/35 offenbar identisch mit der im ZBl. 1935 Nr. 225 abgedruckten Entscheidung) zugrunde, wenn sie den Rechtssatz entwickelt, daß nach Tilgung der Forderung, die auf einer im Miteigentum stehenden Liegenschaft pfandrechtlich sichergestellt ist, die Miteigentümer das Verfügungsrecht über die Hypothek hinsichtlich der einzelnen Liegenschaftsanteile nur nach Maßgabe des § 222 EO. ausüben dürfen. Auf den vorliegenden Fall angewendet, würde dies bedeuten, daß die Klägerinnen in diesem Verhältnis ihre Eigentumsanteile im Range der rückgezahlten Hypothek belasten, während sie hinsichtlich der überschießenden Teile das Pfandrecht auf eine neue Forderung nicht übertragen könnten. Umso mehr müssen dann aber die Klägerinnen die Pfandrechte hinsichtlich ihrer Liegenschaftsanteile überhaupt löschen lassen können.

Ein Nachteil mag dadurch entstehen, daß das Verfügungsrecht über den Pfandrang eines Miteigentumsanteiles geringwertiger sein kann als das gemeinsam auszuübende und jedem Teilhaber zur Hälfte zugute kommende Verfügungsrecht über den Pfandrang der ganzen Realität. Dieser Nachteil ist wieder eine notwendige Folge der Uneinigkeit der Teilhaber. Auch dann, wenn ein Teilhaber seinen Anteil veräußert, wird der Anteil des anderen weniger wert sein als der halbe Wert der gesamten Liegenschaft. Eine Pflicht, den anderen Teilhaber bei der Veräußerung oder Belastung heranzuziehen, kennt aber das Gesetz nicht. Der Miteigentümer kann ohne Verständigung seines Genossen seinen Anteil veräußern oder belasten. Das vorliegende Löschungsbegehren stellt aber einen vollständig analogen Fall dar.

Fehlt es im vorliegenden Fall an einer materiell-rechtlichen Wirkung der Löschung der Pfandrechte ob den Liegeschaftsanteilen der Klägerinnen gegenüber der Miteigentümerin T., so liegen auch die Voraussetzungen des § 14 ZPO. nicht vor.

Wenn sich die Beklagten in ihrer Revisionsbeantwortung insbesondere auf die Entscheidung ZBl. 1932 Nr. 53 berufen, so kann dies schon deswegen nicht ausschlaggebend sein, weil es sich dort um einen ganz anderen Fall, nämlich darum handelte, daß Mitmieter in Bestandstreitigkeiten als notwendige Streitgenossen erachtet wurden.

Der vom Berufungsgericht gebrauchte Abweisungsgrund hält daher einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Anmerkung

Z29019

Schlagworte

Hypothek, Teillöschung, Miteigentum, Liegenschaft, Miteigentum, Teillöschung einer Hypothek, Löschung, teilweise - einer Hypothek, Miteigentum, Miteigentum, Teillöschung einer Hypothek, Teillöschung einer Hypothek, Miteigentum

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1956:0010OB00110.56.0307.000

Dokumentnummer

JJT_19560307_OGH0002_0010OB00110_5600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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