Norm
ABGB §1008Kopf
SZ 29/42
Spruch
Hat ein Angestellter im Rahmen der ihm erteilten Vollmacht für seine Firma einen Wechsel unterfertigt, so wurde daraus nur die Firma selbst wechselmäßig verpflichtet, gleichgültig, ob der Angestellte mit seinem eigenen Namen oder mit dem Namen der Firma unterzeichnet hat.
Hat der Handlungsbevollmächtigte schon früher mehrmals Geschäfte gleicher Art unbeanstandet vorgenommen, so muß der Geschäftsherr die Erklärungen seines Angestellten gegen sich in demselben Umfang gelten lassen, als ob er dem Angestellten eine Vollmacht erteilt hätte, vorausgesetzt, daß er bei entsprechender Kontrolle von den Geschäften seines Angestellten Kenntnis erlangen mußte.
Entscheidung vom 16. Mai 1956, 1 Ob 94/56.
I. Instanz: Landesgericht Feldkirch; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.
Text
Die beklagte Partei ist eine Einzelfirma, deren Alleininhaber Ferdinand Mü. ist. Sie erzeugt Gummiwaren. Ihr Kautschuklieferant ist Florian Ma., der wieder den Kautschuk von der klagenden Partei aus T. bezieht. Dr. Kurt Mü., der Sohn des vorgenannten Alleininhabers, war im Betriebe der beklagten Partei tätig und besaß Handlungsvollmacht. Er gab im Sommer 1953 an Ma. ein mit der Stampiglie der Beklagten und mit seiner Unterschrift versehenes Blankoakzept. Ma. hat dieses am 7. April 1954 an den Kläger weitergegeben (mit dem genannten Tag als Ausstellungstag), mit der von ihm eingesetzten Wechselsumme von 250.000 S und der eingesetzten Fälligkeit vom 7. Juli 1954. Gegen den Wechselzahlungsauftrag vom 20. Juli 1954 erhob die beklagte Partei Einwendungen des Inhaltes, Dr. Kurt Mü. sei nicht ermächtigt gewesen, das Akzept zu unterfertigen, weshalb eine Wechselverbindlichkeit nicht entstanden sei. Ma. habe den Wechsel, den er nur ins Depot genommen hatte, vereinbarungswidrig weitergegeben, ferner habe am 7. April 1954 keine Schuld der Beklagten an Ma. bestanden, der Kläger sei von der vertragswidrigen Begebung in Kenntnis gewesen und habe somit den Wechsel bösgläubig erworben.
Das Erstgericht hat die wechselrechtliche Bevollmächtigung Dris. Kurt Mü. auf Grund des von der beklagten Partei gesetzten äußeren Tatbestandes als erwiesen angenommen; es hat ferner die nachträgliche Genehmigung der wechselrechtlichen Verpflichtung durch den Alleininhaber der Beklagten zufolge Stillschweigens und Billigung der Wechselunterschrift seines Sohnes sowie zufolge Zuwendung des entstandenen Vorteiles durch die Beklagte gleichfalls als erwiesen angenommen und somit den Wechselzahlungsauftrag aufrechterhalten.
Das Berufungsgericht hat das Ersturteil bestätigt.
Beide Untergerichte nahmen die Legitimation des Dr. Kurt Mü. zur Wechselunterschrift auf Grund des äußeren Tatbestandes deshalb an, weil der Genannte nicht nur in führender Stellung im Unternehmen seines Vaters tätig war, sondern auch in anderen Fällen für die beklagte Partei Wechselunterschriften abgegeben habe, wobei aber nachträglich die Zustimmung des Vaters erteilt worden war. Dies war zumindest in drei Fällen feststellbar, wobei diese Wechsel im Februar 1954, also vor dem klagsgegenständlichen Akzept, in Erscheinung getreten sind. Es handelte sich auch bei den vorangegangenen Wechseln um die beklagte Partei und um Florian Ma. Einer von diesen Wechseln - mit der Wechselsumme von 150.000 S - wurde eingelöst, ein zweiter mit 100.000 S wurde von Florian Ma. zurückgezogen bzw. umgetauscht. Ob und wann der Alleininhaber der beklagten Partei von den Wechselunterschriften seines Sohnes Kenntnis erhalten hatte, war nicht feststellbar. Die Untergerichte meinten, daß die Tatsache, daß der Namenszug des Dr. Kurt Mü. nicht genau lesbar war, der klagenden Partei keine Verpflichtung auferlegt habe, die schlecht leserliche Unterschrift des Akzeptanten auf seine Legitimation zur Wechselerklärung zu prüfen. Es bestehe keine derartige Prüfungspflicht eines Indossatars bei der erstmaligen Übernahme eines Akzeptes von einem Geschäftspartner. Wohl aber habe der Alleininhaber der beklagten Partei es unterlassen, das Schreiben des Klagevertreters vom 7. Juni 1954, das seine Erinnerung an die Fälligkeit des Wechsels am 7. Juli 1954 enthalten habe, unter Hinweis auf die angeblich mangelnde Vollmacht des Dr. Kurt Mü. zu beantworten. Hiezu wäre aber der Alleininhaber verpflichtet gewesen, wollte er nicht den gegen die Vollmacht sprechenden Schein aufrecht lassen. Die Untergerichte stellten weiter fest, daß Dr. Kurt Mü.s Dispositionen auch größeren Umfanges, z. B. die Honorierung des 150.000 S-Wechsels, vom Vater nachträglich genehmigt wurden. Wenn sich aber - nach der Behauptung der Beklagten - der Vater überhaupt nicht um derartige große Transaktionen gekümmert habe, so gehe dies eben auf Rechnung der Beklagten. Die Untergerichte haben schließlich festgestellt, daß Ma. bei der Weitergabe des Wechsels an den Kläger die Einschränkung gemacht habe, daß das Akzept nicht an das Ö.- Institut weiterzugeben sei. Die Untergerichte zogen daraus den Schluß, daß aus dieser Einschränkung nicht der Verdacht zu schöpfen sei, daß Ma. vom Wechsel einen vertragswidrigen Gebrauch gemacht oder ein Blankoakzept den getroffenen Abmachungen entgegen ausgefüllt hätte. Ferner nahmen die Untergerichte an, daß der Kläger bei Übernahme des Wechsels am 7. April 1954 "guten Glaubens" gewesen sei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die von den Untergerichten getroffene rechtliche Beurteilung ist unbedenklich. Es ist überflüssig, wenn die Revisionswerberin neuerlich darauf verweist, daß gemäß § 54 HGB. ein Handlungsbevollmächtigter zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten nur ermächtigt sei, wenn ihm eine solche Befugnis besonders erteilt wurde. Es ist aber der Hinweis auf den Mangel einer Vollmacht nach § 1008 ABGB., allenfalls sogar einer solchen schriftlichen Vollmacht, verfehlt. Eine besondere Art einer Vollmacht für den Einzelfall ist zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten nicht vorgeschrieben. Das Wechselgesetz enthält überhaupt keine Vorschrift darüber, ob und mit welcher Wirkung die Vertretung bei der Wechselzeichnung zulässig ist. Diese Frage ist nach bürgerlichem Recht zu beurteilen. Hat im vorliegenden Falle Dr. Kurt Mü. im Rahmen der erteilten Vollmacht für die Firma den Wechsel unterfertigt, so wurde daraus nur die Firma selbst wechselmäßig verpflichtet. Daher ist es irrelevant, ob Dr. Kurt Mü. unter dem eigenen Namen oder unter dem Namen der Firma unterzeichnet hat (RiZ. 1955 S. 16).
Auch gelten im vorliegenden Falle die Erwägungen, die sonst zur Annahme einer sogenannten Schein- oder Duldungsvollmacht angestellt werden. Die Handlungsvollmacht ergreift nach ihrem gesetzlichen Inhalt ungewöhnliche Geschäfte nicht. In derartigen Geschäften bedarf der Handlungsbevollmächtigte immer einer besonderen Vollmacht (Schlegelberger - Gessler - Hefermehl, HGB., 3. Aufl. I S. 289). Hat der Handlungsbevollmächtigte seit jeher (wohl richtiger: schon früher mehrmals) Geschäfte gleicher Art unbeanständet vorgenommen, so muß der Geschäftsherr die Erklärungen seines Angestellten gegen sich in demselben Umfang gelten lassen, wie wenn er dem Angestellten eine Vollmacht erteilt hätte, vorausgesetzt, daß er bei entsprechender Kontrolle von den Geschäften seines Angestellten Kenntnis erlangen mußte (Schlegelberger - Gessler - Hefermehl a. a. O. S. 293 und die dort angeführte Judikatur), z. B. wenn ihm das Verhalten des Handlungsbevollmächtigten nicht hätte entgehen können und sein Verhalten nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte als wissentliche Duldung aufgefaßt werden durfte (Reichsgerichtsräte-Kommentar zum HGB., 2. Aufl. I S. 466; ferner 7 Ob 117/55).
Anmerkung
Z29042Schlagworte
Angestellter, Wechselzeichnung, Vollmachtsüberschreitung, Duldungsvollmacht, Wechselzeichnung durch Angestellten, falsus procurator, Wechselzeichnung durch Angestellten, Handlungsvollmacht, Überschreitung, Wechselzeichnung durch Angestellten, Scheinvollmacht, Wechselzeichnung durch Angestellten, Überschreitung der Vollmacht, Wechselzeichnung durch Angestellten, Wechselzeichnung durch Angestellten, VollmachtsüberschreitungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1956:0010OB00094.56.0516.000Dokumentnummer
JJT_19560516_OGH0002_0010OB00094_5600000_000