TE OGH 1956/6/13 1Ob249/56

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.06.1956
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Fellner als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schuster, Dr. Gitschthaler, Dr. Stanzl und Dr. Zierer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Österreichische-*****gesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Werner Delpin, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei Kommunistische Partei Österreichs, *****, vertreten durch Dr. Bronislaw Bardasz, Rechtsanwalt in Wien III., wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes vom 29. Februar 1956, GZ R 2012/56-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Leoben vom 22. Dezember 1955, GZ C 1589/55-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird mit der Maßgabe nicht Folge gegeben, dass der zweite Absatz des erstgerichtlichen Urteiles dahin berichtigt wird, dass es zu lauten hat:

Das Begehren der klagenden Partei, die beklagte Partei sei schuldig, bis 31. 5. 1956 um 24 Uhr das Haus D*****, heute P*****straße Nr. 93, mit allen darin enthaltenen Räumen und dem anschließenden Hof und Garten bei Zwangsfolge zu räumen und der Klägerin zu übergeben, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 490 S 05 g bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei beantragt in ihrer Kündigung, der beklagten Partei aufzutragen, bis 31. 5. 1956 um 24 Uhr das Haus D*****, heute P*****straße Nr. 93, mit allen darin enthaltenen Räumen und dem anschließenden Hof und Garten zu räumen. Sie führt aus, die Kündigungsbeschränkungen seien unanwendbar, weil der Vertrag auf bestimmte Zeit geschlossen worden sei. Es werde aber jedenfalls der Kündigungsgrund nach § 19 Abs 1 MietG geltend gemacht, weil dringende öffentliche Interessen die Rückgabe des Bestandgegenstandes erfordern, während der Antragsgegnerin aus der Rückgabe keinerlei Nachteile erwachsen, da sie ausreichende Räume in der Bezirksleitung Leoben zur Verfügung habe. Es müssen nämlich von dem Blasstahlwerk aus zwei Geleise gelegt werden, was jedoch nur dann möglich sei, wenn jenes Plateau, auf welchem das Blasstahlwerk stehe, durch eine Anschüttung vergrößert werde. Bei den jetzigen örtlichen und betrieblichen Verhältnissen wären die Anlagen nur mit starken Krümmungen und sonstigen zweckwidrigen Mängeln zu errichten, was insbesondere wegen der Erhöhung der Betriebsgefahr beim Transport von flüssigem Eisen und flüssiger Schlacke nicht zulässig sei. Die vorgesehene Lösung mache es notwendig, dass jenes Gebäude, in welchem gegenwärtig das Postamt D***** untergebracht sei, geräumt werde. Diese Räumung sei gegenwärtig nicht möglich, weil für das Postamt eine andere Unterbringung nicht zu finden sei; hiefür könne nur das gekündigte Haus verwendet werden.

Die beklagte Partei erhob rechtzeitig Einwendungen. Das Erstgericht hob die Kündigung auf. Die von der beklagten Partei selbst bestrittene Partei- und Prozessfähigkeit der beklagten Partei bejahte das Erstgericht deswegen, weil im Statut der Kommunistischen Partei die Gebietsorganisationen (hier die Bezirksleitung) als Parteiorganisationen bezeichnet seien und weil die Parteiorganisationen wirtschaftliche Unternehmungen errichten dürfen (§§ 5, 28 des Statuts). Ein wichtiger Kündigungsgrund sei trotz der Befristung des Mietverhältnisses erforderlich. Ein solcher werde durch den vorgetragenen Sachverhalt nicht gebildet. Die Berufung der klagenden Partei blieb erfolglos.

Die Klägerin bekämpft nunmehr das Urteil des Berufungsgerichtes aus den Gründen des § 503 Z 2 bis 4 ZPO mit Revision und beantragt, es dahin abzuändern, dass die Kündigung für wirksam erklärt werde, allenfalls es aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung an das Berufungsgericht, allenfalls an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben. Die Revision ist nicht begründet.

Zuzustimmen ist den Untergerichten darin, dass auch bei Mietverträgen, die vertragsgemäß durch Ablauf der Zeit ohne Kündigung erlöschen sollen, im Falle einer 1/2 Jahr übersteigenden Dauer der Vermieter bei Ablauf der Mietzeit die Auflösung des Mietverhältnisses nur aus wichtigen Gründen erreichen kann (§ 23 MietG; OGH 11. 3. 1953, 3 Ob 144/53, MietSlg 3387).

Auch in der Rechtsauffassung, dass im vorliegenden Fall eine Kündigung nur bei Beschaffung eines Ersatzlokales in Betracht käme, ist dem Berufungsgericht zu folgen. Es ist richtig, dass in Wahrheit nichts anderes als ein einer Eigenbedarfskündigung, und zwar einer Kündigung nach § 19 Abs 2 Z 6 MietG, ähnlicher Fall vorliegt. Der Vermieter benötigt nach seiner Behauptung den Bestandgegenstand für die Zwecke seines eigenen Betriebes und dazu, um das Postamt, das den Betriebszwecken des Vermieters entsprechend aus seinen Mieträumen entfernt werden soll, in den von der beklagten Partei frei zu machenden Räumen unterbringen zu können. Die von der klagenden Partei bezeichneten Fälle des § 19 Abs 2 Z 9, 9a und b sind keineswegs dem vorliegenden Sachverhalt ähnlich, weil es sich dort um den Sonderfall von eisenbahn- oder bundeseigenen Liegenschaften handelt, während hier Vermieter eine Aktiengesellschaft ist. Dass mit der Behauptung, es liege ein öffentliches Interesse an der Kündigung vor, die Problemlage verkannt und verschoben wird, hat - ganz abgesehen davon, ob durch diese Ausführungen der klagenden Partei ein wichtiger Kündigungsgrund dargestellt werden könnte - bereits der Erstrichter zutreffend erkannt. Das Gebäude, in dem sich das Postamt befindet, soll nach dem Vorbringen der klagenden Partei zum Zwecke einer Betriebsausdehnung entfernt werden. Insoweit handelt es sich sicher nicht um ein öffentliches Interesse, sondern um privatwirtschaftliche Belange der klagenden Partei. Ein öffentliches Interesse würde an der Unterbringung des Postamtes entstehen, wenn es wegen der Betriebszwecke der klagenden Partei entfernt wird. Das öffentliche Interesse würde also erst dadurch ausgelöst werden, dass die klagende Partei ihre privatwirtschaftlichen Bedürfnisse befriedigt. Die nächste Ursache und der Grund der Kündigung der beklagten Partei ist daher die Befriedigung privatwirtschaftlicher Bedürfnisse der klagenden Partei, die erst als Reflexwirkung das öffentliche Interesse auslösen könnte, das als Kündigungsgrund vorgeschoben wird. Folgt man der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, dass eine Kündigung jedenfalls das Anbot eines Ersatzes voraussetze, so sind die Untergerichte mit Recht auf die Frage, ob der von der klagenden Partei behauptete Kündigungsgrund, also der dem von ihr vorgetragene Eigenbedarf ähnliche Sachverhalt vorliegt, nicht eingegangen, weil auch bei Bejahung dieses Tatbestandes jedenfalls das Fehlen eines Ersatzanbotes zur Aufhebung der Aufkündigung führen müsste. Im Übrigen schlägt gerade die von der beklagten Partei in ihrer Revision herangezogene Bestimmung des Punktes II Abs 3 des Mietvertrages gegen sie aus, worauf im vorzeitige sechsmonatige Kündigung vorgesehen wird, wenn das Mietobjekt aus betrieblichen Gründen für eigene Verwendungszwecke der klagenden Partei dringend benötigt wird, für diesen Fall aber ausdrücklich entsprechende Ersatzräume versprochen werden. Es ist nicht einzusehen, warum anderes dann gelten soll, wenn das Mietverhältnis im Sinne des § 23 MietG im Ergebnis als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt und dann eben durch Kündigung aus betrieblichen Gründen aufgelöst werden soll. Gerade diese Bestimmung zeigt, dass die Untergerichte die Sachlage so beurteilt haben, wie die Parteien selbst bei Vertragsabschluss, dass nämlich in einem solchen Eigenbedarfsfall - aber auch eigenbedarfsähnlichen Fall - die Beistellung eines Ersatzes notwendig ist.

Die Rechts- und Parteifähigkeit der beklagten Partei haben die Untergerichte - das Berufungsgericht mit dem zutreffenden Hinweis auf SZ XXI/24 - mit Recht bejaht.

Aus welchen Gründen ein Pachtvertrag und nicht ein Mietvertrag vorliegen soll, führt die klagende Partei nicht aus. Insbesondere wird nicht dargelegt, worin etwa die von der beklagten Partei zu ziehenden Früchte bestehen sollten. Darauf, ob hinsichtlich der Wohnungen ein Bestandvertrag und nicht vielleicht ein bloßes Recht der beklagten Partei, die Mieter vorzuschlagen, besteht, kann von Amts wegen nicht eingegangen werden, weil die Parteien - insbesondere die beklagte Partei - diesen Umstand nicht geltend gemacht haben und der Mangel eines Bestandvertrages ebenfalls zur Erfolglosigkeit der Kündigung, wenn auch in Form der Zurückweisung, führen hätte können. Durch den Hinweis in der Revision, dass die beklagte Partei gar nicht behaupte, dass das Gebäude schon früher in Bestand gegeben gewesen sei, scheint auf § 1 Abs 2 Z 7 MietG angespielt zu sein. Dieser Gedanke erledigt sich aber damit, dass durch die Kündigungsschutzausführungsverordnung vom 5. 9. 1939, DRGBl I, S 1671, unter anderem auch die in dieser Bestimmung enthaltene Ausnahme vom Anwendungsbereich des Gesetzes hinsichtlich der Kündigungsbeschränkungen aufgehoben wurde.

Die Untergerichte haben - wie die bisherigen Ausführungen ergeben - die Streitsache im Ergebnis rechtlich richtig beurteilt. Auch ein wesentlicher Verfahrensmangel ist dem Berufungsgericht nicht unterlaufen. Dass nicht zu prüfen war, ob der von der klagenden Partei behauptete eigenbedarfsähnliche Sachverhalt vorliege, ist bereits oben ausgeführt worden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist daher nicht begründet.

Zum Spruch des erstgerichtlichen Urteils ist allerdings zu bemerken, dass richtigerweise das Räumungsbegehren der klagenden Partei abzuweisen und nicht auszusprechen gewesen wäre, dass die Beklagte nicht schuldig sei, den Bestandgegenstand zu übergeben. Gegen diese vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung vom 15. 12. 1954, 1 Ob 909/54, JBl 1955, S 413, begründete Rechtsauffassung hat zwar Michlmayr in einer Glosse (JBl 1955, S 414) mit der Begründung Stellung genommen, dass dann, wenn gemäß § 572 ZPO ausgesprochen werden müsse, ob zu räumen ist, dies nichts anderes heißen könne als dass entweder zu sagen ist "der Beklagte ist verpflichtet zu räumen" oder "der Beklagte ist nicht verpflichtet zu räumen". Dieser Schluss ist aber auch dann nicht überzeugend, wenn man mit Michlmayr im Rahmen bloßer Wortauslegung bleibt. Michlmayr übersieht, dass auch mit der Fassung des abweislichen Urteils dahin, dass das Räumungsbegehren abgewiesen werde, eindeutig ausgesprochen ist, dass der Beklagte nicht zu räumen hat, so dass auch damit dem Gesetzesbefehl, wie ihn Michlmayr auffasst, wenn auch unter Anwendung einer anderen sprachlichen Wendung, entsprochen ist. Der Fall liegt nicht anders als bei Abweisung eines Zahlungsbegehrens, wobei niemand daran zweifeln wird, dass in diesem Falle der Beklagte eben nicht zu zahlen hat. Die Fassung des abweislichen Urteiles dahin, dass das Räumungsbegehren abgewiesen wird, und nicht dahin, dass der Beklagte nicht schuldig ist, zu räumen, dient aber der Klarheit, weil gerade bei Dauerschuldverhältnissen sonst leicht die Fehlmeinung entstehen könnte, dass der Beklagte, wenn einmal ausgesprochen wurde, er brauche nicht zu räumen, überhaupt nicht mehr wegen Räumung in Anspruch genommen werden kann, während die Abweisung bloß des Klagebegehrens klar macht, dass nur auf Grund dieses bestimmten Begehrens der Beklagte nicht zu räumen hat. Überdies besteht im Allgemeinen die Gefahr - und sie bestand auch in dem zu 1 Ob 409/54 entschiedenen Fall - dass durch die Fassung, der Beklagte sei nicht schuldig, die auf Grund eines bestimmten Verhältnisses innegehabten Räume zu räumen, die Meinung vertreten werden könnte, die Gerichte hätten im abweislichen Spruch das zwischen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis etwa im Sinne des Bestandes eines Bestandverhältnisses festgestellt oder seien dabei in Widersprüche geraten, wenn etwa gerade die Kündigung mangels Bestandes eines Bestandverhältnisses aufgehoben wird. Allen diesen Weiterungen wird vorgebeugt, wenn das abweisliche Urteil dahin gefasst wird, dass das Klagebegehren abgewiesen ist. Nicht zuletzt kommt aber damit die Fassung des abweislichen Urteiles im Kündigungsprozess in Übereinstimmung mit der Fassung sonstiger abweislicher Urteile, die immer dahin geht, dass ein bestimmtes Zahlungs-, Leistungs-, Feststellungs- oder Rechtsgestaltungsbegehren abgewiesen wird. Diese Fassung allein entspricht auch der Vorschrift des § 226 ZPO, wonach die Klage ein bestimmtes Begehren zu enthalten hat, über das eben zu entscheiden ist, sowie dem Umstand, dass der Gegenstand des Rechtsstreites durch einen behaupteten Tatbestand und das daraus abgeleitete Begehren abgegrenzt wird (Judikat Nr. 57, SZ XXV/331). All dies hat der Oberste Gerichtshof auch schon in seiner Entscheidung vom 14. 5. 1955, 1 Ob 549/55, ausgeführt. Aus diesen Erwägungen war der zweite Absatz des erstgerichtlichen Urteils, wie im Spruche geschehen, zu berichtigen (§ 419 ZPO). Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E73388 1Ob249.56

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1956:0010OB00249.56.0613.000

Dokumentnummer

JJT_19560613_OGH0002_0010OB00249_5600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten