Norm
ABGB §551Kopf
SZ 29/48
Spruch
Die Klägerrolle ist dem Erben zuzuteilen, der den Erbverzicht eines Miterben behauptet.
Entscheidung vom 27. Juni 1956, 3 Ob 326/56.
I. Instanz: Bezirksgericht Innsbruck; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.
Text
Der italienische Staatsangehörige Dr. Lanfranco S. hat nach seinem Tode in Österreich unbewegliches Vermögen hinterlassen, welches nach österreichischem Recht abzuhandeln ist. An erbberechtigten Angehörigen sind vorhanden: die erblasserische Witwe Maria Antoinette S. und der erblasserische Bruder Dr. Albert S. Eine letztwillige Anordnung ist nicht vorhanden. Auf Grund des Gesetzes haben sich nun die erblasserische Witwe Maria Antoinette S. zum gesamten Nachlaß und der erblasserische Bruder Dr. Albert S. zur Hälfte des Nachlasses erbserklärt. Zur Begründung ihrer Erbserklärung als Alleinerbin des gesamten Nachlasses verweist die erblasserische Witwe darauf, daß der Bruder des Verstorbenen seinerzeit in Italien, und zwar vor der Prätur in Meran, auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet habe. Der erblasserische Bruder Dr. Albert S. gesteht dies zu, verweist aber darauf, daß er diesen Erbverzicht unter irrigen Voraussetzungen abgegeben und daher späterhin vor der Prätur in Meran widerrufen habe. Der Widerruf sei auch mit der Folge von der Prätur in Meran zur Kenntnis genommen worden, daß ihm ein Erbschein zur Hälfte des Nachlasses ausgestellt worden sei.
Das Erstgericht hat die von der erblasserischen Witwe Maria Antoinette S. auf Grund des Gesetzes zum gesamten Nachlaß abgegebene bedingte Erbserklärung und die vom erblasserischen Bruder Dr. Albert S. auf Grund des Gesetzes zur Hälfte des Nachlasses abgegebene bedingte Erbserklärung zu Gericht angenommen und ihr Erbrecht auf Grund der bisherigen Abhandlungsergebnisse als ausgewiesen erachtet. Er verwies die erblasserische Witwe Maria Antoinette S. zufolge widersprechender Erbserklärungen mit ihrem Anspruch auf den Rechtsweg und teilte ihr unter Setzung einer Frist zur Klagsanbringung die Klägerrolle zu.
Dem dagegen seitens der erblasserischen Witwe erhobenen Rekurs wurde Folge gegeben und der erstgerichtliche Beschluß, soweit er die erblasserische Witwe auf den Rechtsweg verweist, aufgehoben. Das Rekursgericht führte hiezu aus:
Da es sich um einen in der Republik Österreich gelegenen unbeweglichen Nachlaß eines Ausländers handle, sei die Abhandlung gemäß § 22 AußStrG. unter Anwendung der österreichischen Gesetze durchzuführen. Da der Erblasser ohne Hinterlassung eines Testamentes gestorben sei, hätten demnach die Vorschriften über die gesetzliche Erbfolge Anwendung zu finden. Nach der gesetzlichen Erbfolge seien der einzige überlebende Bruder Dr. Albert S. und die Witwe Maria Antoinette S. je zur Hälfte des Nachlasses als Erben berufen, wie durch die Todfallsaufnahme und die von Dr. Albert S. vorgelegten Urkunden ausgewiesen sei. Beide Erben hätten ihre Erbserklärungen unter Berufung auf die gesetzliche Erbfolge abgegeben. Wenn sich die beiden Erbserklärungen überschneiden, so sei die Ursache nicht darin gelegen, daß die Erben über das Erbrecht oder über den Erbrechtstitel uneinig seien, sondern es nehme die Witwe den ganzen Nachlaß mit der Behauptung für sich in Anspruch, daß der Miterbe Dr. Albert S. zu ihren Gunsten auf die ihm angefallene Erbschaft in rechtsverbindlicher Weise verzichtet habe. Es könne daher in diesem Fall von widersprechenden Erbserklärungen nicht gesprochen werden, und es habe demnach auch das Verfahren nach den §§ 125, 126 AußStrG. hier keine Anwendung zu finden. Der angebliche Verzicht des Dr. Albert S. auf die ihm angefallene Erbschaft beruhe auf einem zwischen den Miterben nicht im Zuge des inländischen Abhandlungsverfahrens getroffenen Übereinkommen, an welches sich Dr. Albert S. nicht mehr gebunden erachte. Diese private Vereinbarung - gleichgültig in welcher Form sie zustandegekommen sei oder auf welche Art und Weise Dr. Albert S. seinen Verzicht auf die angefallene Erbschaft erklärt hat - könne nicht einer Ausschlagung der Erbschaft im Sinne des § 805 ABGB. gleichgehalten werden und sei daher für das Verlassenschaftsgericht unbeachtlich. Jedenfalls sei davon auszugehen, daß Dr. Albert S. als berufener Miterbe seine erbrechtlichen Ansprüche zum inländischen Nachlaß des Verstorbenen angemeldet und auf sein Erbrecht zugunsten der Witwe gegenüber dem Verlassenschaftsgericht nicht verzichtet habe. Bei dieser Rechtslage habe daher das Verlassenschaftsgericht den Nachlaß des Verstorbenen beiden gesetzlichen Erben nach Verhältnis ihrer Erbansprüche, das sei in diesem Falle je zur Hälfte, einzuantworten. Es bleibe der erblasserischen Witwe vorbehalten, den ihr angeblich aus der Verzichtserklärung des Miterben Dr. Albert S. zustehenden Anspruch auf den gesamten inländischen Nachlaß im Rechtswege geltend zu machen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der erblasserischen Witwe nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Verfehlt ist die Ansicht der Revisionsrekurswerberin, daß sie gegenüber dem nach der gesetzlichen Erbfolge zur Hälfte des Nachlasses als Erben berufenen überlebenden Bruder des Erblassers Dr. Albert S. im Hinblick auf den im Ausland abgegebenen notariellen Erbverzicht des Letztgenannten einen stärkeren Erbrechtstitel für sich habe. Der Titel, auf den sich sowohl die erblasserische Witwe als auch der erblasserische Bruder berufen, ist das Gesetz. Es stehen einander also gleichartige Erbrechtstitel gegenüber. Da sich die erblasserische Witwe zum ganzen inländischen Nachlaß, der erblasserische Bruder zur Hälfte des inländischen Nachlasses bedingt zu Erben erklärt haben, kollidieren die beiderseitigen Erbrechte miteinander. Die Meinung des Rekursgerichtes, daß widersprechende Erbserklärungen deswegen nicht vorlägen, weil sich beide Erben über den Erbrechtstitel einig seien, findet im Gesetz keine Stütze. Es gelangt daher die Bestimmung des § 126 Abs. 2 AußStrG. zur Anwendung, wonach derjenige zur Überreichung der Klage anzuweisen ist, welcher, um sein Erbrecht geltend machen zu können, den stärkeren Erbrechtstitel seines Gegners vorerst entkräften müßte. Daß dies die Revisionsrekurswerberin ist, ergibt sich schon aus der Überlegung, daß der erblasserische Bruder Dr. Albert S. auf Grund des Gesetzes zur Hälfte des Nachlasses als Erbe berufen ist. Sein Erbrecht ist daher bezüglich der Nachlaßhälfte gegenüber dem Erbrecht der erblasserischen Witwe, soweit es sich ebenfalls auf diesen Anteil erstreckt, das stärkere. Letztere muß es daher entkräften. Da die Behauptung der erblasserischen Witwe, wonach ein rechtsverbindlicher Verzicht des erblasserischen Bruders Dr. Albert S. auf die angefallene Erbschaft vorliege, von letzterem zufolge seiner Behauptung, daß dieser Verzicht rechtsgültig widerrufen worden sei, bestritten wird, muß nach den Grundsätzen über die Beweisführung diese Behauptung von der Revisionsrekurswerberin bewiesen werden. Da die Klägerrolle demnach dem zuzuteilen ist, der den Erbverzicht eines Miterben behauptet (GlU. 4092), war die vom Erstgericht vorgenommene Zuteilung der Klägerrolle an die erblasserische Witwe zutreffend. Da jedoch der Beschluß des Rekursgerichtes, mit welchem dieser Ausspruch des Erstgerichtes, von einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung ausgehend, aufgehoben wurde, seitens des erblasserischen Bruders Dr. Albert S. unangefochten blieb, kann der dem Rekursgericht unterlaufene Rechtsfehler nicht mehr behoben werden.
Anmerkung
Z29048Schlagworte
Erbserklärungen, widersprechende, Klägerrolle, Erbverzicht Erbverzicht, Zuweisung der Klägerrolle Gewinn, entgangener, wirklicher Schaden Klägerrolle, Behauptung eines Erbverzichtes Verzicht auf das Erbrecht, Zuweisung der Klägerrolle Widersprechende Erbserklärungen, Klägerrolle, Erbverzicht Zuweisung der Klägerrolle, ErbverzichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1956:0030OB00326.56.0627.000Dokumentnummer
JJT_19560627_OGH0002_0030OB00326_5600000_000