TE OGH 1956/11/21 1Ob2/56

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Veröffentlicht am 21.11.1956
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Norm

AO §32 Abs2
AO §55b Abs3
JN §1
KO §84

Kopf

SZ 29/75

Spruch

Für eine Leistungsklage des Ausgleichsschuldners, der sich der Überwachung der Ausgleichserfüllung unterworfen hat, gegen den Sachwalter auf Auszahlung eines "Überschusses" ist vor der Entscheidung des Ausgleichskommissärs der Rechtsweg jedenfalls unzulässig.

Entscheidung vom 21. November 1956, 1 Ob 2/56.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Aus Anlaß des rechtskräftig gewordenen, bestätigten und aufgehobenen Ausgleiches der Klägerin (Sa 71/52 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien) hat sich diese gemäß § 55b AO. der Überwachung der Ausgleichserfüllung durch den Beklagten (den bisherigen Ausgleichsverwalter) als Sachwalter unterworfen. Die Überwachung ist noch anhängig.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten als (auch bevollmächtigtem) Sachwalter die Zahlung von 24.767 S 32 g samt Anhang, dies mit der Begründung, er verweigere ohne stichhältige Gründe die Auszahlung des ihr zukommenden vorgenannten Betrages, der ihr als "Überschuß"" gebühre. Der Sachwalter habe bis jetzt auch keine "richtige" Rechnung gelegt.

Das Erstgericht hat die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen, da vor ihrer Anbringung gemäß §§ 55b Abs. 3 und 32 Abs. 2 AO. die Entscheidung des Ausgleichskommissärs (über die Beschwerde der Ausgleichsschuldnerin) hätte eingeholt werden müssen. Diese Beschwerde habe die Klägerin bis zur Entscheidung des Erstgerichtes unterlassen. Der seither beim Ausgleichsgericht gestellte Antrag auf Enthebung des Sachwalters sei noch nicht erledigt.

Das Rekursgericht hat dem Rekurse der Klägerin Folge gegeben, den angefochtenen Beschluß aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens bei Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrunde - unter Rechtskraftvorbehalt - aufgetragen. Das Rekursgericht war der Ansicht, daß der Ausgleichskommissär den Sachwalter zwar zur Geschäfts- oder Vermögensübergabe und zur Rechnungslegung auffordern könne, daß er aber nicht berechtigt sei, derartige Aufträge dem Sachwalter in der Form eines Exekutionstitels aufzuerlegen; er könne lediglich den Sachwalter gemäß § 55b Abs. 4 AO. seines Amtes entheben. Hiebei stützte sich das Rekursgericht auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien (EvBl. 1937 Nr. 478), das diese Rechtsansicht ausgesprochen hat. Daher müsse nach Ansicht des Rekursgerichtes das Erstgericht auf den Klagsanspruch meritorisch eingehen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Sachwalters Folge und stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Mag auch der Ausgleichsschuldner trotz Überwachung durch einen Sachwalter nach aufgehobenem Ausgleich grundsätzlich über sein Vermögen verfügungsberechtigt bleiben, so daß ihm volle Handlungs- und Prozeßfähigkeit zukommt, so geht aus § 32 Abs. 2 AO. in Verbindung mit § 84 KO. hervor, daß während des Überwachungsverfahrens gleich wie im Konkursverfahren zumindest Leistungsklagen gegen den Ausgleichsverwalter oder Sachwalter wie auch gegen den Masseverwalter nicht erhoben werden sollen, sondern der Ausgleichskommissär oder das Ausgleichsgericht (Konkurskommissär, Konkursgericht) über die Beschwerde des Ausgleichsschuldners oder Gemeinschuldners endgültig entscheiden soll. Die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien EvBl. 1935 Nr. 693 hat diesen Gedanken grundsätzlich mit dem Beifügen ausgedrückt, daß daran auch der Umstand nichts ändere, daß die Ausgleichsschuldnerin inhaltlich des Ausgleiches dem Sachwalter eine spezielle Vollmacht übergeben habe.

Wie aus § 84 KO., § 32 Abs. 2 AO. und § 55b Abs. 3 AO. zu entnehmen ist, hat der Gesetzgeber, um die Flüssigkeit des Konkurses oder Ausgleiches im Überwachungsverfahren nicht zu hemmen, bewußt in Kauf genommen, daß im Stadium des Konkurses, es Ausgleiches und des Überwachungsverfahrens der Gemeinschuldner oder der Ausgleichsschuldner seine Ansprüche nicht im Prozeßwege gegen den Masseverwalter oder Ausgleichsverwalter erheben kann. Dies alles, obwohl dem Konkurskommissar oder dem Ausgleichskommissär als Zwangsmittel (Exekutionsmittel) nur Ordnungsstrafen oder die Bestellung einer anderen Person zu Vornahme der versäumten Handlung auf Kosten und Gefahr des Ausgleichsverwalters (Sachwalters) - § 35 AO. - oder dessen Enthebung (§ 55b Abs. 4 AO.) zur Verfügung stehen (s. auch vor der Ausgleichsnovelle 1934 die Ausführungen von Voska und Docekal zu § 39 der tschechoslowakischen AO., Ausgabe 1931). Keinesfalls aber kann der Ausgleichskommissär einen Exekutionstitel etwa der Art erlassen, daß dem Sachwalter in Stattgebung der Beschwerde der Klägerin bei Zwangsvollstreckung aufgetragen werde, einen Betrag an die Klägerin zu bezahlen. Damit steht auch Anm. 76 bei Bartsch - Pollak, Konkurs- und Ausgleichsordnung, 3. Aufl. II S. 490, daß der Sachwalter dem Ausgleichskommissär nicht einmal "berichtspflichtig" ist, nicht im Widerspruch. Zur Feststellung des Schadens mittels eines vollstreckbaren Beschlusses des Ausgleichskommissärs oder des Senates bietet somit das Ausgleichsverfahren keinen Raum (Bartsch - Pollak a. a. O. S. 343 f. Anm. 41 zu § 32 AO. und I S. 416 Anm. 3 zu § 84 KO.). Hiezu bemerken Bartsch - Pollak am Rande zur Anm. 1 zu § 84 KO., daß Rintelen (Handbuch des österreichischen Konkurs- und Ausgleichsrechtes, S. 94) mit Unrecht dem Gemeinschuldner auch den Rechtsweg eröffne, wenn seine Beschwerde beim Konkurskommissär erfolglos geblieben sei.

Hiezu führt Rintelen an der angegebenen Stelle des näheren aus:

"Wenn ... das Vorgehen des Masseverwalters in die Rechtssphäre des Gemeinschuldners eingreift, so kann der Gemeinschuldner, wenn die ordentlichen Mittel des Konkursverfahrens, wie z. B. die Beschwerde beim Konkurskommissär oder beim Konkursgericht, keine Abhilfe gewähren, sein Recht im ordentlichen Rechtsweg durch Klage durchsetzen. Wenn Verfügungen des Konkursgerichtes oder des Konkurskommissärs seine berechtigten Interessen verletzen, so steht ihm hiefür der ordentliche Rechtsweg im gerichtlichen Instanzenzuge zu".

Wie schon gezeigt, ist - auf den vorliegenden Fall angewendet - dieses Problem im Konkurse das gleiche wie im Ausgleich, und noch ähnlicher im sogenannten Überwachungsverfahren des Ausgleiches. Welche Meinung man immer vertritt, die von Rintelen, der nach der Entscheidung des Konkurskommissärs oder Ausgleichskommissärs den Rechtsweg für zulässig hält, oder die von Bartsch - Pollak, die in den Anmerkungen 74 bis 76 zu § 55b AO. (II S. 489 f.) nur Schadenersatzklagen des Ausgleichsschuldners für zulässig halten und in der Anm. 41 zu § 32 AO. davon sprechen, daß der Beschädigte einen Ersatzanspruch habe und ihn innerhalb der Verjährungszeit des § 1489 ABGB. verfolgen müsse, so steht jedenfalls fest, daß vor der Entscheidung des Konkurskommissärs oder Ausgleichskommissärs der Rechtsweg nicht beschritten werden darf, jedenfalls nicht für eine Leistungsklage, die gerade im vorliegenden Falle von der Klägerin erhoben wurde. Deshalb braucht auch die Frage nicht untersucht zu werden, ob nicht doch eine Schadenersatzklage, während das Verfahren beim Ausgleichskommissär oder Konkurskommissär noch schwebt, der Verjährung wegen erhoben werden dürfe, weil nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes schon die Anbringung des Antrages nach § 84 KO. oder § 32 Abs. 2 AO. die Verjährung unterbricht.

Von einer Schadenersatzklage kann aber nach dem Inhalte der Klage keine Rede sein. Was die Klägerin dem Beklagten vorwirft, ist eine "unrichtige Verrechnung" der ihm zur Verfügung gestandenen und zur Befriedigung der Gläubiger zu verwendenden Beträge und ein "unberechtigtes Vorenthalten" eines der Klägerin zufallenden Überschusses aus diesen Geldern. Daraus leitet die Klägerin auch ihren Leistungsanspruch ab.

Anmerkung

Z29075

Schlagworte

Ausgleichsverfahren, Ansprüche des Schuldners gegen den Sachwalter, Leistungsklage des Ausgleichsschuldners gegen den Sachwalter, Rechtsweg Leistungsklage des Ausgleichsschuldners gegen den Sachwalter, Sachverwalter Ansprüche des Ausgleichsschuldners, Schuldner im Ausgleichsverfahren, Ansprüche gegen den Sachwalter, Überschuß, Ansprüche des Ausgleichsschuldners gegen den Sachwalter, Überwachung des Ausgleichsschuldners, Ansprüche gegen den Sachwalter, Zulässigkeit des Rechtsweges Leistungsklage des Ausgleichsschuldners, gegen den Sachwalter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1956:0010OB00002.56.1121.000

Dokumentnummer

JJT_19561121_OGH0002_0010OB00002_5600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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