TE OGH 1956/11/24 Präs1148/55

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Veröffentlicht am 24.11.1956
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Norm
JN §55
ZPO §236
ZPO §259
ZPO §453
ZPO §502 Abs3 Kopf

SZ 29/77

Spruch

Judikatenbuch Nr. 65 neu.

 

Die Streitwerte der Klage und des vom Kläger oder vom Beklagten gestellten Zwischenantrages auf Feststellung sind zusammenzurechnen.

 

Plenissimarbeschluß des OGH vom 24. November 1956, Präs 1148/55.

Rechtliche Beurteilung

Gründe:

 

In der Rechtssache 1 Cr 256/54 des Arbeitsgerichtes Graz (4 Ob 141/55, 4 Ob 142/55 des Obersten Gerichtshofes) hatte der Kläger von einer Eisenbahngesellschaft die Zahlung eines Betrages von 672 S 39 g samt Zinsen und Kosten mit der Begründung begehrt, daß ihm anläßlich seiner Übernahme aus den Diensten der Österreichischen Bundesbahnen in die Dienste der Beklagten zugesagt worden sei, er werde niemals schlechter gestellt sein, als wenn er bei den Österreichischen Bundesbahnen im Eisenbahndienst verblieben wäre. Dies gelte nicht nur für das Dienst- und Besoldungsrecht, sondern auch bezüglich der Pensions- und Versorgungsgenüsse. Darunter seien auch die Sterbegelder im Falle seines Todes oder im Falle des Todes seiner Gattin zu verstehen. Seine Gattin sei am 11. Oktober 1951 verstorben. Er habe um den eingeklagten Betrag weniger Sterbegeld bekommen, als wenn er im Dienst der Österreichischen Bundesbahnen geblieben wäre.

 

Das Erstgericht schränkte die Verhandlung auf den Grund des Anspruchs ein und erkannte mit Zwischenurteil, daß der Anspruch des Klägers dem Gründe nach zu Recht bestehe.

 

Gegen das Zwischenurteil erhob die beklagte Partei Berufung. In der mündlichen Berufungsverhandlung stellte sie dann den Zwischenantrag auf Feststellung, daß dem Kläger gegen die beklagte Partei kein Anspruch auf Erfüllung, Ergänzung oder Ersatz von Krankenversicherungsleistungen zustehe. Den Wert des Feststellungsanspruches gab sie mit 20.000 S an. Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Zwischenurteil und wies den Zwischenantrag auf Feststellung urteilsmäßig ab.

 

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes wurde von der beklagten Partei mit Revision angefochten, und zwar sowohl was den Ausspruch über das Hauptbegehren von 672 S 39 g, als auch den über den Zwischenfeststellungsantrag betrifft. Es entstand die Frage, ob infolge der konformen Entscheidungen der beiden Untergerichte die Revision gegen das Hauptbegehren mit seinem 10.000 S nicht übersteigenden Streitwert überhaupt zulässig ist.

 

Auch außerhalb des arbeitsgerichtlichen Verfahrens kommt es häufig vor, daß sich die Parteien der prozessualen Einrichtung des Zwischenantrages auf Feststellung bedienen. Wenn es zur Bestätigung des erstgerichtlichen Urteils über den Hauptgegenstand des Prozesses und über den Zwischenfeststellungsantrag kommt und nur dieser einen Streitwert von mehr als 10.000 S besitzt, kann sich die den Prozeßparteien nicht leicht verständliche Tatsache ergeben, daß die Entscheidung über den Hauptgegenstand des Prozesses mit Revision nicht bekämpft werden kann, wohl aber die über das präjudizielle Rechtsverhältnis oder Recht, und daß es so möglicherweise zu gegenteiligen Entscheidungen über beide Gegenstände des Prozesses kommt.

 

Gegen die Zulässigkeit der Revision in solchen Fällen spricht der in den Judikaten 190 und 255 unter Punkt 2. aufgestellte Rechtssatz. Danach bestimmen sich - im Bagatellverfahren - die Zuständigkeit und das Verfahren und insbesondere die Rechtsmittel abgesondert für die Klage nach ihrem Betrage und für den Feststellungsantrag nach dem Betrage, mit welchem der Antragsteller das Interesse an ihm bewertet hat.

 

Da sich gegen die Richtigkeit dieses Rechtssatzes Bedenken ergeben haben, hat der Erste Präsident des Obersten Gerichtshofes die Frage dem aus einundzwanzig Mitgliedern des Obersten Gerichtshofes bestehenden Senat zur Prüfung vorgelegt. Der Senat beschloß in seiner Sitzung vom 24. November 1956 das vorstehende neue Judikat, das seinem Inhalte nach die abgeänderte Fassung des zweiten Punktes des Judikates 255 ist, aber auch über das Bagatellverfahren hinaus Wirksamkeit hat.

 

I. Bei Beginn oder im Laufe eines Prozesses kann sich ergeben, daß ein zwischen den Parteien streitiges Rechtsverhältnis oder Recht für die Entscheidung des Rechtsstreites von präjudizieller Bedeutung ist. Über eine solche Vorfrage wird normalerweise so abgesprochen, daß sie in der Begründung der Entscheidung gelöst und als Grundlage des Urteils über die Hauptsache des Rechtsstreites verwendet wird, ohne daß die Lösung der Vorfrage der Rechtskraft teilhaftig werden könnte. Der Gegenstand der Vorfrage ist nicht Prozeßgegenstand. Darauf ist es zurückzuführen, daß die Grenzen der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit, der Art des Verfahrens, ja sogar der Gewaltenteilung zwischen Justiz und Verwaltung, bei der Vorfragenentscheidung nicht beachtet werden müssen.

 

Es kann aber auch notwendig werden, die Vorfrage nicht nur mit Wirkung für den vorliegenden Rechtsstreit, sondern darüber hinaus mit allen Folgen der Rechtskraft zu lösen. Dies ist der Fall, wenn die Vorfrage für andere Rechtsbeziehungen der Parteien oder für später zu erwartende Rechtsstreitigkeiten von Bedeutung werden könnte. Im Interesse der Prozeßökonomie und der Rechtssicherheit liegt es, über die Vorfrage nur einmal entscheiden zu lassen und auf diese Weise zu einer einheitlichen Judikatur über sie zu kommen. Das Interesse daran kann sowohl der Kläger als auch der Beklagte des gerade anhängigen Prozesses haben.

 

II. Die Zivilprozeßgesetze stellen verschiedene prozessuale Möglichkeiten in dieser Richtung zur Verfügung.

 

Zur Feststellung des präjudiziellen Rechtsverhältnisses oder Rechtes könnte der Kläger des anhängigen Rechtsstreites eine neue, besondere Klage einbringen, sofern er ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung hat. Die bloße Behauptung, das festzustellende Rechtsverhältnis oder Recht sei für den anhängigen Rechtsstreit präjudiziell, würde dazu nicht genügen, weil die Frage in diesem Prozeß als bloße Vorfrage ohne weiteres gelöst werden könnte. Wenn der Kläger aber beweist, daß die Frage nicht nur für den einen, sondern für weitere Prozesse oder Rechtsbeziehungen von Bedeutung sei, müßte sein rechtliches Interesse und damit die Zulässigkeit der Feststellungsklage bejaht werden. Auch der Beklagte kann ein solches Interesse an der Feststellung haben, und auch ihm muß die Möglichkeit eingeräumt werden, eine besondere Feststellungsklage zu erheben. Diese Klage wird, mag sie vom Kläger oder vom Beklagten ausgehen, mit dem Hauptprozeß verbunden werden können (§ 187 ZPO.). Dem Beklagten steht für seine Klage der örtliche Gerichtsstand des Hauptprozesses zur Verfügung. Denn nach dem § 96 Abs. 1 JN. kann eine Klage, die "auf Feststellung eines im Laufe des Prozesses streitig gewordenen Rechtsverhältnisses oder Rechtes gerichtet ist, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung über das Klagebegehren ganz oder zum Teile abhängt", als Widerklage erhoben werden.

 

Die zweite Möglichkeit, die allerdings nur dem Kläger offensteht, ist die Erweiterung des ursprünglichen Klagebegehrens um das Feststellungsbegehren. Hier ist die Erhebung einer besonderen Feststellungsklage überflüssig, es genügt die bloße Erklärung in der Streitverhandlung oder mit Schriftsatz. Dieser Weg ist aber nur gangbar, wenn außer den Voraussetzungen jeder Feststellungsklage auch die Voraussetzungen der Klagsänderung (§ 235 ZPO.) gegeben sind. Wenn der Kläger aber schon in die ursprüngliche Klage auch das Feststellungsbegehren aufnimmt, fällt die letztgenannte Voraussetzung fort.

 

Schließlich können sich die Parteien, ohne der Zustimmung des Gegners zu bedürfen, auch des Zwischenantrages auf Feststellung (§§ 236, 259 Abs. 2 ZPO.) bedienen, um ein präjudizielles Rechtsverhältnis oder Recht rechtskräftig (§ 411 Abs. 1 erster Satz ZPO.) feststellen zu lassen. Ein besonderes Feststellungsinteresse wird für einen solchen Antrag nicht gefordert. Die Judikatur verlangt aber, daß dargetan werde, die Bedeutung der Feststellung erstrecke sich über den Rechtsstreit hinaus. Damit ist freilich das für Feststellungsklagen geforderte rechtliche Interesse für Zwischenfeststellungsanträge in anderer Form als maßgebend erklärt worden.

 

Den geschilderten drei Möglichkeiten, deren Auswahl den Parteien zusteht (Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes vom 10. November 1954, 3 Ob 737/54, und vom 30. September 1936, SZ. XVIII 161), ist gemeinsam, daß über den ursprünglichen Anspruch hinaus ein weiterer, und zwar ein Feststellungsanspruch, geltend gemacht wird, über den, anders als bei einer gewöhnlichen Vorfrage, ein der Rechtskraft fähiges Urteil gefällt wird. Der Umstand, daß die Zwischenfeststellung auf Grund eines bloßen Antrages und nicht einer Klage begehrt wird, spielt dabei keine Rolle. Denn auch andere Ansprüche (z. B. der Anspruch auf Entschädigung wegen mutwilliger Prozeßführung nach § 408 ZPO.) können im Prozeß ohne Klage geltend gemacht werden. Die sachliche Zuständigkeit und die Art des Verfahrens spielen nicht nur dann eine Rolle, wenn die Feststellung des präjudiziellen Rechtsverhältnisses oder Rechtes mit Klage oder auf Grund einer Erweiterung des Klagebegehrens verlangt wird, sondern nach dem § 236 Abs. 2 ZPO. auch dann, wenn zu diesem Zweck ein Zwischenfeststellungsantrag eingebracht wird. Mit Rücksicht auf diese Umstände muß in allen drei angeführten Fällen angenommen werden, daß das festzustellende präjudizielle Rechtsverhältnis oder Recht ein besonderer weiterer Streitgegenstand wird. Dies hat zur Folge, daß nicht nur eine Feststellungsklage, sondern auch ein Zwischenantrag auf Feststellung zu bewerten ist, da sie beide nicht einen Geldbetrag zum Gegenstand haben (§ 56 Abs. 2 zweiter Satz JN.). Die Bewertung ist für die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes von Bedeutung. Der Wert des ursprünglichen Streitgegenstandes bleibt daneben bestehen.

 

III. Der Unterschied des Zwischenfeststellungsantrages von der Feststellungsklage liegt darin, daß diese einen bereits anhängigen Rechtsstreit nicht voraussetzt, während jener in seiner Zulässigkeit davon abhängig ist, daß ein Rechtsstreit im Lauf ist, in dem über den Streitgegenstand nur entschieden werden kann, wenn vorher über das Bestehen oder Nichtbestehen jenes Rechtsverhältnisses oder Rechtes als Vorfrage erkannt worden ist. Während über eine Feststellungsklage, aber auch im Fall einer Klagserweiterung über den neu dazugekommenen Feststellungsanspruch, ohne Rücksicht auf das Schicksal des Hauptanspruches weiter zu verhandeln und zu entscheiden ist, verliert der Zwischenfeststellungsantrag seine Wirkung, wenn die zugrunde liegende Klage zurückgewiesen oder zurückgenommen, das heißt, wenn über den ursprünglichen Anspruch nicht entschieden wird. In diesen Fällen kann auch über den Zwischenfeststellungsantrag nicht mehr entschieden werden. Diese Abhängigkeit ist die Ursache, daß die Zwischenfeststellung nicht auf Grund einer Erweiterung der Klage verlangt werden kann. Denn durch eine solche wird die Feststellung des präjudiziellen Rechtsverhältnisses oder Rechtes völlig verselbständigt. Im Verhältnis des Zwischenfeststellungsanspruches zum Hauptgegentand des Prozesses tritt zur logischen auch die prozessuale Abhängigkeit.

 

Ein weiterer Unterschied des Zwischenfeststellungsantrages von der Feststellungsklage über ein präjudizielles Rechtsverhältnis oder Recht liegt darin, daß bei der Feststellungsklage die Vorfragenentscheidung im Hauptprozeß von der Entscheidung der Vorfrage als Hauptsache des selbständigen Feststellungsverfahrens unabhängig ist. Solange ein Feststellungsurteil nicht vorliegt, kann der Richter im Hauptprozeß die Vorfrage selbständig lösen, wenn er das Verfahren nicht nach § 190 Abs. 1 ZPO. bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Feststellungsklage unterbricht. Beim Zwischenantrag auf Feststellung hingegen, bei dem die Vorfrage als solche und ihre neue Funktion als besonderer Feststellungsanspruch in viel innigerem Zusammenhang stehen, wird die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens des präjudiziellen Rechtsverhältnisses oder Rechtes aus dem Hauptverfahren gewissermaßen herausgenommen und über sie entweder gesondert mit Zwischenurteil oder zugleich mit der Hauptsache im Endurteil entschieden. Es ist kein Zufall, daß im Falle der Einbringung einer besonderen Feststellungsklage (Klagserweiterung, Widerklage) über die präjudizielle Frage nur mit End- oder Teilurteil (§§ 404 Abs. 2, 391 Abs. 1 und 2 ZPO.), nach dem deutlichen Wortlaut des Gesetzes (§ 393 Abs. 2 ZPO.) aber niemals mit Zwischenurteil entschieden werden könnte. Beim Zwischenantrag auf Feststellung kommt hingegen neben dem Endurteil nur das Zwischenurteil in Betracht (§§ 236 Abs. 1, 393 Abs. 2 ZPO.). Damit wird die innere Abhängigkeit des Hauptverfahrens von der Entscheidung über die Vorfrage als neuen Anspruches zum Ausdruck gebracht, denn Zwischenurteile sollen (auch im Falle der Teilung des Verfahrens nach Grund und Höhe) zum Unterschied von Teilurteilen die inneren Voraussetzungen schaffen, damit über den Hauptanspruch entschieden werden kann.

 

IV. Der Plenissimarbeschluß des Obersten Gerichtshofes vom 1. Juli 1909, JB. 190, GlUNF. 4668, befaßt sich mit den Unterschieden des Zwischenfeststellungsantrages von der Änderung (Ausdehnung) der Klage. Es wird dort auf die Tatsache verwiesen, daß es der Einführung des Instituts des Zwischenfeststellungsantrages nicht bedurft hätte, wenn es sich dabei um eine gewöhnliche Klagsänderung handeln würde, und daß der Zwischenantrag nicht an derselben Stelle wie die Klagsänderung (§ 235 ZPO.), sondern in einem besonderen Paragraphen (§ 236 ZPO.) behandelt wird. Der Plenissimarbeschluß beruft sich auch darauf, daß die Verschiedenheit in mehrfacher Beziehung eine sehr wesentliche sei. Während die Klagsänderung nach dem Eintritt der Streitanhängigkeit nur mit Einwilligung des Beklagten, bei Weigerung desselben aber vom Richter nur unter der Voraussetzung zugelassen werden dürfe, daß aus ihr keine wesentliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung zu besorgen sei (§ 235 ZPO.), sei der Zwischenantrag des Klägers von keiner dieser beiden Voraussetzungen, sondern von jener der Präjudizialität abhängig, welch letztere wieder bei der Klagsänderung gar keine Rolle spiele. Der Grundsatz möglichster Gleichstellung beider Prozeßparteien in Beziehung auf Angriffs- und Verteidigungsmittel erfordere es, daß der Zwischenantrag des Klägers in jeder Beziehung jenem des Beklagten (§ 259 ZPO.) gleichgehalten werde. Da aber der letztere schon mit Rücksicht auf die Parteistellung des Antragstellers unter gar keinen Umständen als eine Klagsänderung (Ausdehnung) angesehen werden könnte, dürfe auch dem Zwischenantrag des Klägers eine solche Bedeutung nicht beigemessen werden, weil damit einer der wichtigsten Verfahrensgrundsätze verletzt würde. Mit dem Zwischenfeststellungsantrag, möge er nun vom Kläger oder vom Beklagten ausgehen, werde endlich im Gegensatz zur Klagsausdehnung die entscheidende Tätigkeit des Richters nicht über den schon durch den Klagsanspruch bedingten Umfang hinaus in Anspruch genommen. Denn bei Vorhandensein der Präjudizialität des festzustellenden Rechtes oder Rechtsverhältnisses müsse der Richter über dieses auch ohne Zwischenantrag entscheiden. Ein solcher Antrag bezwecke nur, diese Entscheidung durch ihr Hinaufrücken aus den Urteilsgrunden in den Urteilsspruch der Rechtskraft teilhaftig werden zu lassen. Mit Rücksicht auf diese wesentlichen Verschiedenheiten zwischen Klagsänderung und Zwischenfeststellungsantrag des Klägers erscheine eine analoge Anwendung des § 453 ZPO. beim Zwischenfeststellungsantrage ausgeschlossen, eine Hinzurechnung des Wertes des Feststellungsanspruchs zu jenem des Klagsanspruchs habe nicht stattzufinden, die Verhandlung über den Klagsanspruch sei auch nach Stellung des Zwischenantrages ohne Rücksicht auf das über den letzteren einzuleitende ordentliche bezirksgerichtliche Verfahren nach den Vorschriften des Bagatellverfahrens durchzuführen.

 

Der zur Ergänzung des Judikates 190 erlassene Plenissimarbeschluß des Obersten Gerichtshofes vom 18. Juni 1918, JB. 255, AmtlSlgNF. 1833, brachte dann noch zum Ausdruck, daß sich die Grundsätze des Judikates 190 gleichermaßen auch auf einen vom Beklagten gestellten Zwischenfeststellungsantrag bezögen und daß eine Zusammenzählung (des Feststellungsinteresses und der Klagssumme) - etwa nach der Regel des § 55 JN. - nicht stattzufinden habe. Jeder Wertbetrag bleibe für sich bestimmend, ähnlich wie für die Klagebegehren in zwei Rechtssachen, welche nach § 187 ZPO. zur gemeinsamen Verhandlung verbunden werden.

 

V. Die Unterschiede, auf die das Judikat 190 hingewiesen hat, sind nicht zu bestreiten. Die Schlußfolgerungen freilich, die aus ihnen gezogen worden sind, scheinen bei nochmaliger genauer Prüfung nicht ganz der Rechtslage gerecht zu werden. Oben sind unter II. und III. die Besonderheiten des Zwischenfeststellungsverfahrens, nämlich die selbständige Regelung des Institutes des Zwischenantrages auf Feststellung im Gesetz, die Erleichterung des Zwischenantrages gegenüber der Klagsänderung, die Abhängigkeit des Zwischenfeststellungsanspruches von der meritorischen Entscheidung über den Hauptanspruch und die innere Abhängigkeit der meritorischen Entscheidung über den Hauptanspruch von der Erledigung des Zwischenfeststellungsantrages, besprochen worden. Diese Besonderheiten lassen erkennen, daß der Zusammenhang zwischen dem Zwischenfeststellungsantrag und seinem Gegenstand einerseits und dem Verfahren über den Hauptanspruch andererseits ein weit innigerer ist, als dies etwa für das Verhältnis zwischen dem auf Grund einer Erweiterung der Klage oder einer besonderen Feststellungsklage festzustellenden, präjudiziellen Rechtsverhältnis oder Recht und dem Hauptanspruch gilt. Dieser Zusammenhang, der über die bloße Beziehung der Präjudizialität weit hinausgeht, darf entgegen der im Judikat 190 geäußerten Rechtsansicht nicht dazu führen, daß der Zwischenfeststellungsantrag nicht nur nicht analog einer Klagserweiterung, sondern sogar nur wie ein Anspruch behandelt wird, der in einer besonderen, dann mit dem Verfahren über die Hauptsache verbundenen, Klage geltend gemacht wurde. Mit Rücksicht auf den besonders weitgehenden Zusammenhang und die Einheitlichkeit der beiden Ansprüche im Falle der Stellung eines Zwischenantrages auf Feststellung ist der Schluß viel gerechtfertigter, die Ansprüche seien nach der anderen Richtung zumindest so zu behandeln wie zwei in einer Klage oder auf Grund einer Klagserweiterung geltend gemachte, zusammenhängende Ansprüche.

 

Die Streitwerte des Zwischenfeststellungs- und des Hauptanspruches sind daher vermöge ihres rechtlichen Zusammenhanges in sinngemäßer Anwendung der §§ 55 JN. und 227 ZPO. ebenso zusammenzurechnen, wie dies in dem Falle gilt, daß mehrere zusammengehörige Ansprüche in einer Klage oder auf Grund einer Klagserweiterung geltend gemacht werden. § 55 JN. gedenkt ausdrücklich nur des Regelfalles, daß nämlich Ansprüche mit Klage geltend gemacht werden. Dies schließt aber nicht aus, ihn auch sinngemäß bei Geltendmachung von Ansprüchen in anderer Weise, nämlich durch Zwischenfeststellungsantrag, anzuwenden und so die Streitwerte des durch Klage und des durch Zwischenfeststellungsantrag geltend gemachten Anspruchs zusammenzurechnen. Ebenso muß die Bestimmung des § 453 Abs. 1 ZPO. betreffend die Ausdehnung des Bagatellbegehrens über die Bagatellgrenze hinaus sinngemäß angewendet werden.

 

Die Judikate 190 und 255 machen das gewichtige Bedenken geltend, daß der Zwischenantrag auf Feststellung nicht immer vom Kläger ausgehen müsse, da auch der Beklagte nach der Bestimmung des § 259 Abs. 2 ZPO. einen Zwischenfeststellungsantrag stellen kann. Daraus wird im Zusammenhang mit § 55 JN. gefolgert, daß eine Hinzurechnung des Streitwertes des vom Beklagten gestellten Zwischenantrages zum Streitwert des Hauptanspruches auf keinen Fall möglich sei, weil nach der erwähnten Gesetzesstelle nur mehrere in einer Klage von einer einzelnen Partei oder von Streitgenossen geltend gemachte Ansprüche zusammengerechnet werden können.

Zwischenfeststellungsanträge könnten aber - so wird gesagt - keinesfalls ein verschiedenes rechtliches Schicksal haben, je nachdem sie vom Kläger oder vom Beklagten gestellt worden seien. Dem zuletzt angeführten Postulat muß vorbehaltlos zugestimmt werden. Denn der Zusammenhang zwischen der Feststellung und dem Hauptanspruch besteht in gleichem Maße, ob nun der Zwischenantrag von der einen oder der anderen Partei ausgegangen ist. Diese Gleichartigkeit erfordert die Gleichbehandlung. Wie schon oben gesagt wurde, kann § 55 JN. nur sinngemäß herangezogen werden. Der aus dieser Bestimmung hervorleuchtende Rechtsgedanke der Zusammenrechnung verwandter Ansprüche soll dienstbar gemacht werden. Dabei spielen die konkreten Einschränkungen der gesetzlichen Norm keine ausschlaggebende Rolle.

 

Abgesehen davon werden auch dann, wenn der Zwischenfeststellungsantrag vom Beklagten ausgeht und dieser so ausnahmsweise auf den Prozeßgegenstand Einfluß nimmt, die Parteirollen nicht geändert, der Beklagte wird nicht zum Kläger. Es handelt sich um eine Vorfrage des vom Kläger geltend gemachten Hauptanspruches, und die Entscheidung über den vom Beklagten gestellten Zwischenantrag ist von der Verfügung des Klägers über den Hauptanspruch abhängig.

 

Es könnte der Einwand erhoben werden, daß den Prozeßparteien auf diese Weise ein Mittel an die Hand gegeben wird, die dem jeweiligen Streitwert einer Sache angepaßten Bestimmungen entgegen der Ansicht des Gesetzgebers zu umgehen. Denn wenn etwa in einer Bagatellsache auf Bezahlung von 200 S ein mit mehr als 400 S bewerteter Zwischenfeststellungsantrag gestellt und der Streitwert beider zusammengerechnet wird, kommt auch die Bagatellsache in den Genuß der Anfechtungsmöglichkeiten einer gewöhnlichen bezirksgerichtlichen Streitsache. Diesem Einwand ist entgegenzuhalten, daß ein Zwischenfeststellungsantrag nur dann zulässig ist, wenn das festzustellende präjudizielle Rechtsverhältnis oder Recht in seiner Wirkung über den vorliegenden Rechtsstreit hinausreicht. Ist dies aber der Fall, kann nicht mehr davon gesprochen werden, daß der Gesamtanspruch, der ja viel größere Tragweite als die bloße Zahlung der 200 S hat, als Bagatellsache angesehen werden könnte.

 

In diesem Zusammenhang muß wohl auch das Argument des Judikates 190 korrigiert werden, daß mit dem Zwischenfeststellungsantrag im Gegensatz zur Klagsausdehnung die entscheidende Tätigkeit des Richters nicht über den schon durch den Klagsanspruch bedingten Umfang hinaus in Anspruch genommen werde. Es ist zwar richtig, daß die entscheidende Tätigkeit des Richters durch die Stellung eines Zwischenantrages auf Feststellung inhaltlich nicht vermehrt wird, weil über die Vorfrage jedenfalls erkannt werden muß. Dies trifft aber auch auf den Fall zu, daß die Feststellung der Vorfrage mit abgesonderter Klage oder auf Grund einer Klagserweiterung begehrt wird. Es kommt überhaupt nicht auf das Ausmaß der entscheidenden Tätigkeit des Richters, sondern darauf an, daß an die Stelle einer bloßen Vorfrage die Geltendmachung eines, wenn auch inhaltlich gleichen, neuen Anspruches getreten ist, über den mit Rechtskraftwirkung zu entscheiden ist. Das "Hinaufrücken aus den Urteilsgrunden in den Urteilsspruch" ist nur der formelle Ausdruck dieses rechtlichen Vorganges.

Schlagworte
Streitwert, Zusammenrechnung von Klage und Zwischenfeststellungsantrag, Zusammenrechnung, Klage und Zwischenfeststellungsantrag, Zwischenfeststellungsantrag Zusammenrechnung Anmerkung
Z29077
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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