TE Vwgh Erkenntnis 2005/3/8 2004/01/0027

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.03.2005
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des J S, vertreten durch Dr. Peter C. Sziberth, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Marburger Kai 47/III, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 5. Dezember 2003, GZ 236.274/10-VIII/40/03, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer reiste am 19. Juli 2002 in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag die Gewährung von Asyl. Er ist Staatsangehöriger der (ehemaligen) Bundesrepublik Jugoslawien, stammt aus dem Kosovo und gehört der albanischen Volksgruppe an.

Bei seiner Einvernahme vor dem das Bundesasylamt am 21. März 2003 begründete er den Asylantrag im Wesentlichen damit, von 1995 bis zum Ende des Kosovokrieges für die jugoslawischen Staatsforste, zuletzt in der Funktion eines Forstinspektors, gearbeitet zu haben. Mit dem Ende des serbischen Einflusses im Kosovo habe er seine Anstellung verloren. Unmittelbar nach der Machtübernahme der KFOR im Kosovo seien erstmals UCK-Angehörige zu ihm gekommen, hätten ihn nach seiner früheren Tätigkeit für die Serben befragt, dabei auch geschlagen, bedroht und über ihn Hausarrest verhängt. In der Folge sei es (bis zu seiner Flucht) immer wieder zu Übergriffen gekommen.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 24. März 2003 gemäß § 7 AsylG ab und sprach aus, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung "nach Serbien und Montenegro (Gebiet Kosovo)" gemäß § 8 AsylG zulässig sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen und ergänzte es unter anderem dahingehend, er habe - nach Verhängung des Hausarrestes - bis zu seiner Ausreise das Haus nur mehr für Behördenwege verlassen, wofür er von der KFOR Geleitschutz bekommen habe. Die UCK habe den über ihn verhängten Hausarrest einmal pro Monat kontrolliert. Durch Intervention der KFOR habe ein Rechtsanwalt für den Beschwerdeführer am 8. März 2002 ein Bewerbungsgesuch bei demselben Forstbetrieb, für den er bereits gearbeitet habe, gestellt. Am 18. März 2002 sei dieses Gesuch mit der Begründung abgelehnt worden, dass er bereits unter den Serben gearbeitet habe. Überdies sei der Beschwerdeführer von Personen bedroht worden, gegen die er in seiner früheren Funktion als "Forstoberinspektor" gerichtlich vorgegangen sei. Bei einer Rückkehr in den Kosovo habe er mit Repressalien dieser Privatpersonen zu rechnen. An die Polizei habe er sich diesbezüglich nicht wenden können, weil sie größtenteils aus UCK-Kämpfern in Uniform bestehe. Die KFOR haben ebenfalls mitgeteilt, dass sie ihm nicht auf Dauer Schutz bieten könne.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers nach Abhaltung einer Berufungsverhandlung, in der dieser noch einmal detailliert zu seinen Fluchtgründen befragt worden war, gemäß §§ 7, 8 AsylG ab.

In der Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensverlaufes unter anderem aus, es werde nicht bezweifelt, dass der Beschwerdeführer ab dem Jahr 1995 bis Juni 1999 für die Staatsforste tätig gewesen sei. Bezüglich der von ihm angegebenen Gründe, die ihn zum Verlassen des Kosovo bewogen hätten, würde ihm jedoch - aus näher dargestellten beweiswürdigenden Überlegungen - die Glaubwürdigkeit versagt. Zusammenfassend könne somit festgehalten werden, dass der Beschwerdeführer "auf Grund politischer Umstrukturierungen" seinen Arbeitsplatz verloren habe. Spätestens nach einer gerichtlichen Verurteilung wegen Holzdiebstahles im Sommer 2001 seien seine Chancen verwirkt gewesen, wieder als Forstaufseher bei den Staatsforsten eingestellt zu werden. Seine Angaben zum Hausarrest, den Befragungen durch die UCK, der angeblichen Liste der UCK (Anmerkung: beinhaltend die Namen jener Personen, die wegen Kollaboration mit den Serben nicht beschäftigt werden dürften) und seiner Angst vor ehemals wegen Holzdiebstahls angezeigten Personen erschienen auf Grund mangelnder Plausibilität jedoch als unglaubwürdig. Der Beschwerdeführer habe wohl "eher" auf Grund der schlechten wirtschaftlichen Lage den Kosovo verlassen. Ausgehend davon habe er weder glaubhaft machen können, dass ihm asylrelevante Verfolgung im Sinne des § 7 AsylG drohe noch müsse ihm Refoulementschutz gewährt werden.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Die belangte Behörde hat es als erwiesen angesehen, dass der Beschwerdeführer in seiner Heimat ab dem Jahr 1995 bis Juni 1999 für die Staatsforste tätig gewesen sei. Schon deshalb war sein weiteres Vorbringen, er habe nach dem Machtwechsel als vermeintlicher serbischer Kollaborateur Verfolgung insbesondere durch die "UCK-Behörden" erfahren, einer besonders aufmerksamen Prüfung zu unterziehen, zumal Kosovo-Albaner, die mit dem serbischen Regime nach 1990 in Verbindung gebracht werden, zu jenen Personen gezählt werden müssen, die bei einer Rückkehr besonders schweren Sicherheitsrisiken ausgesetzt sein können (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 24. August 2004, Zl. 2003/01/0463, mit Hinweisen insbesondere auf die UNHCR-Position zur Schutzbedürftigkeit von Personen aus dem Kosovo im Lichte der jüngsten ethnisch motivierten Auseinandersetzungen vom 30. März 2004, S. 5). Diesem Erfordernis hat die belangte Behörde in dem angefochtenen Bescheid nicht im ausreichendem Maße Rechnung getragen und insbesondere ihre beweiswürdigenden Überlegungen nicht schlüssig begründet.

Zunächst gesteht die belangte Behörde dem Beschwerdeführer nämlich zu Recht zu, dass er bei seiner erstinstanzlichen Einvernahme und jener in der Berufungsverhandlung "im Großen und Ganzen" ein übereinstimmendes und somit konsistentes Vorbringen erstattet habe. Allerdings - so die belangte Behörde weiter - habe eine detaillierte Nachfrage im Rahmen der Berufungsverhandlung ergeben, dass die Angaben des Beschwerdeführers bezüglich seiner Fluchtgründe nicht plausibel seien. Die daran anschließenden Erwägungen der belangten Behörde rechtfertigen eine solche Beurteilung jedoch nicht.

Die belangte Behörde sieht es als unplausibel an, dass der Beschwerdeführer einerseits angegeben habe, er sei unter falschen Verdächtigungen seitens der UCK unter Hausarrest gestellt worden, andererseits jedoch behaupte, den - absolut aussichtslosen - Versuch unternommen zu haben, bei den Staatsforsten erneut Beschäftigung zu finden. Dabei nimmt die belangte Behörde auf ein vom Beschwerdeführer vorgelegtes (erfolgloses) Bewerbungsschreiben vom 8. März 2002 an den Direktor der "Forstbehörde Kosovos", Regionalamt in Gjilan, Bezug, in dem der Beschwerdeführer - der aktenkundigen Übersetzung nach - unter anderem auch dargelegt hat, ihm sei nach dem "Einmarsch der Nato-Truppen ...großes Unrecht" widerfahren, weil ihm die Rückkehr zu seinem Arbeitsplatz nicht ermöglicht worden sei. Er habe eine sechsköpfige Familie und überhaupt keine Einnahmequelle. Die "Nichtrückkehr" zur Arbeit habe seine Familie schwer getroffen, weil er der einzige Erhalter sei. Deshalb hoffe er, dass zu seinen Gunsten entschieden werde. Diese Ausführungen lassen erkennen, dass die Bewerbung um die früher ausgeübte Tätigkeit unter dem Druck wirtschaftlicher Notwendigkeit erfolgte, weshalb daraus - mag sie auch von vornherein als wenig erfolgversprechend anzusehen gewesen sein - kein Rückschluss auf die Unglaubwürdigkeit des vom Beschwerdeführer behaupteten "Hausarrestes" gezogen werden kann.

Das weitere Argument der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe angegeben, im Sommer 2001 wegen Holzdiebstahls gerichtlich zu einem Monat Haft verurteilt worden zu sein, und es habe - bei der hohen Arbeitslosenrate im Kosovo - wohl kein Forstbetrieb nötig, gerade einen wegen Holzdiebstahls Verurteilten als Forstaufseher einzustellen, ist in dieser Form ungeeignet, die allein relevante Frage, ob der Beschwerdeführer wegen seiner früheren beruflichen Tätigkeit asylrelevanter Verfolgungsgefahr unterliegt, zu verneinen. Sollte die belangte Behörde damit zum Ausdruck gebracht haben wollen, dass sie die Verurteilung wegen Holzdiebstahls (und nicht etwa Vorwürfe von Kollaboration mit dem serbischen Regime) als wahren Grund für die unterbliebene Beschäftigung des Beschwerdeführers ansieht und daher auch die sonstigen auf den Kollaborationsvorwurf gegründeten Maßnahmen gegen den Beschwerdeführer nicht als glaubwürdig erachtet, würden derartige Überlegungen dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht gerecht, weil sie ausblenden, dass der Beschwerdeführer seine Verurteilung wegen Holzdiebstahls als Teil eines "Komplotts des UCK-Geheimdienstes" gegen ihn bezeichnete.

Aus welchen Gründen die belangte Behörde daher einerseits davon ausgeht, der Beschwerdeführer habe wegen seiner gerichtlichen Vorstrafe Schwierigkeiten bei der Arbeitsplatzsuche gehabt, andererseits aber sein Vorbringen, die Verurteilung sei auf eine falsche Beschuldigung (veranlasst durch UCK-Angehörige) zurückzuführen, außer Acht lässt, wird von ihr nicht näher begründet.

Gegen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers führt die belangte Behörde schließlich an, er habe angegeben, Angst vor jenen Personen zu haben, die er seinerseits in seiner früheren Funktion als Forstaufsichtsorgan (wegen Holzdiebstählen) angezeigt habe. Hätten diese Personen tatsächlich Interesse gehabt, gegenüber dem Beschwerdeführer handgreiflich zu werden oder ihm gar nach dem Leben zu trachten, hätten sie ihn - so die belangte Behörde weiter - bereits während der letzten drei Jahre seines Aufenthaltes im Kosovo aufspüren können. Da es zu keinem derartigen Vorfall gekommen sei, erscheine dieses Vorbringen nicht plausibel. Diesem Argument trat der Beschwerdeführer - über gleichlautenden Vorhalt in der Berufungsverhandlung - mit dem Hinweis entgegen, er habe sich vorwiegend im Haus aufgehalten, wo er für potentielle Verfolger nicht greifbar gewesen sei. Bei Verlassen seines Hauses sei er entweder in Begleitung von Angehörigen der UCK oder - an anderer Stelle angegeben - der KFOR gewesen. Mit dieser behaupteten Lebensweise des Beschwerdeführers in den letzten Jahren vor seiner Flucht hat sich die belangte Behörde in ihrer Beweiswürdigung nicht auseinander gesetzt. Träfe sie zu, könnte sie unterbliebene Verfolgungshandlungen Privater gegen den Beschwerdeführer jedoch allenfalls erklären. Im Übrigen hat die belangte Behörde mit ihren diesbezüglichen Überlegungen auch außer Acht gelassen, dass der Beschwerdeführer - wenngleich nur ein einziges Mal im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung - auch ausgesagt hatte, es seien am 6. Juli 2001 zwei Schüsse auf ihn abgegeben worden.

Schließlich erweist sich auch das Argument der belangten Behörde, die vom Beschwerdeführer behaupteten monatlichen Verhöre durch UCK-Angehörige hätten keinen Sinn ergeben, weil der Beschwerdeführer keinerlei Informationen Preis geben habe können, im Hinblick auf die Vielfalt der möglichen Motive für derartige Befragungen als nicht tragfähig.

Insgesamt erweist sich deshalb die Einschätzung der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer drohe - trotz früherer beruflicher Tätigkeit für die jugoslawischen Staatsforste - in seiner Heimat keine asylrelevante Verfolgung, auf der Grundlage der durchgeführten Erhebungen und getroffenen Feststellungen als nicht nachvollziehbar begründet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das auf den zusätzlichen Ersatz von Umsatzsteuer gerichtete Begehren findet in diesen Vorschriften keine Deckung.

Wien, am 8. März 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004010027.X00

Im RIS seit

13.04.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten