TE OGH 1957/1/30 7Ob25/57

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.01.1957
beobachten
merken

Norm

Kraftfahrgesetz 1955 §1 Abs2
Reichsgaragenordnung §1

Kopf

SZ 30/9

Spruch

Die Reichsgaragenordnung gilt auch für Mopeds.

Entscheidung vom 30. Jänner 1957, 7 Ob 25/57.

I. Instanz: Bezirksgericht Innsbruck; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Das Erstgericht hat das Klagebegehren, der Beklagte sei schuldig, das Einstellen von zwei Mopeds in seiner Mietwohnung zu unterlassen, im wesentlichen mit dem allgemeinen Hinweis auf § 46 Abs. 4 der Verordnung über Garagen und Einstellplätze vom 17. Februar 1939, DRGBl. I S. 618, GBlÖ. Nr. 1447 (Reichsgaragenordnung), abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat dieses Urteil unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben und die Rechtssache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen. Dem Erstrichter sei darin beizupflichten, daß das Einstellen von Krafträdern in einer Wohnung keine Überschreitung des dem Mieter im Rahmen des § 1098 ABGB. zukommenden Gebrauchsrechtes darstelle, soweit nicht ein Verstoß gegen die Reichsgaragenordnung vorliege. Nach dieser Verordnung müßten Räume, die zur regelmäßigen oder dauernden Einstellung von Kraftfahrzeugen benützt werden sollen, als Garagen baupolizeilich genehmigt sein. Eine Ausnahme bestimme § 46 Abs. 4 der Reichsgaragenordnung; in Räumen, die nicht als Garagen baupolizeilich genehmigt seien, dürften ein oder zwei Krafträder regelmäßig oder dauernd eingestellt werden, jedoch nicht in Treppenhäusern und Verschlägen unter Treppen und nicht in Räumen, die benutzte Feuerstätten, leicht brennbare Stoffe oder leere Kraftstoffbehälter enthielten.

Den Ausnahmetatbestand habe derjenige zu beweisen, der das Bestehen eines solchen behaupte. Der Beklagte habe nicht behauptet oder bewiesen, daß er eine baupolizeilich genehmigte Garage benütze; er berufe sich auf den Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 4 der Reichsgaragenordnung und habe Behauptungen in dieser Richtung aufgestellt sowie Beweise dafür angeboten. Infolge Bestreitung seitens der Klägerin seien die Behauptungen des Beklagten beweisbedürftig. Der Erstrichter habe sich mit dem Hinweis auf die Bestimmung des § 46 Abs. 4 der Reichsgaragenordnung und auf das Rundschreiben des Stadtbauamtes I. begnügt. Er habe jedoch nicht geprüft, ob die Voraussetzungen des § 46 Abs. 4 der Reichsgaragenordnung vorlägen oder ob etwa das Einstellen der beiden Mopedfahrzeuge in diesem besonderen Fall gemäß § 53 der Reichsgaragenordnung von der Verwaltungsbehörde genehmigt worden sei. Infolgedessen sei das Verfahren mangelhaft geblieben.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Rekurs ist nicht begrundet. Seine Ausführungen gehen am Kernpunkt des Problems vorbei und sind nicht geeignet, die zutreffend begrundete Auffassung des Berufungsgerichtes zu widerlegen. Wenn die auf Grund des § 2 des Rechts-Überleitungsgesetzes, StGBl. Nr. 6/1945, als österreichische Rechtsvorschrift in Geltung gesetzte Reichsgaragenordnung (s. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 19. März 1956, K II - 2/55) die Einstellung von Krafträdern auch in nicht genehmigten Räumen (daher auch in Wohnräumen) unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, dann muß das Vorliegen dieser Voraussetzungen im konkreten Fall nachgewiesen werden. Die Beweislast trifft, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, den Beklagten, der sich auf den Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 4 der Reichsgaragenordnung berufen hat, denn grundsätzlich ist die Wohnung keine taugliche Garage.

Nach § 1 Abs. 2 KfG. 1955, BGBl. Nr. 223/1955, gelten wohl Motorfahrräder im Sinne des § 79 Abs. 1 (ein- oder mehrspurige, mit einem Motor ausgestattete Fahrzeuge, wenn der Hubraum des Motors 50 ccm nicht übersteigt, mit ihnen eine Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h nicht überschritten werden kann und sie in ihrer Bauart alle übrigen Merkmale von Fahrrädern aufweisen) nicht als Kraftfahrzeuge. Die daraus vom Rekurswerber gezogene Schlußfolgerung, daß Mopeds nicht als Kraftfahrzeuge im Sinne der Reichsgaragenordnung zu gelten hätten und daher überhaupt nicht unter die Bestimmungen der Reichsgaragenordnung fielen, ist jedoch verfehlt. Die Reichsgaragenordnung stammt aus dem Jahre 1939, also aus einer Zeit, wo es Mopeds noch gar nicht gegeben hat. Auf Grund einer Ermächtigung im "Gesetz über einstweilige Maßnahmen zur Ordnung des deutschen Siedlungswesens" vom 3. Juli 1934, RGBl. I S. 568, erlassen, trägt sie der fortschreitenden Motorisierung Rechnung, fördert diese und dient vornehmlich der Aufgabe, die öffentlichen Verkehrsflächen von ruhenden Kraftfahrzeugen möglichst zu entlasten und dadurch mehr für den fließenden Verkehr frei zu machen; sie soll die Schaffung von Einstellplätzen und Garagen so weit vereinfachen, erleichtern und verbilligen, wie es mit den Forderungen der Sicherheit, der Schadensverhütung und des Gemeinschaftsfriedens zu vereinbaren ist (Pfundtner - Neubert, Das neue deutsche Reichsrecht, Ausgabe Österreich, IV h 12). Der von der Reichsgaragenordnung verwendete Begriff des Kraftfahrzeuges deckt sich nicht mit jenem des Kraftfahrgesetzes 1955. Dieses will die Halter von Motorfahrrädern von den strengen Haftpflichtbestimmungen ausnehmen, die ansonsten für den Betrieb eines Kraftfahrzeuges gelten. Die Reichsgaragenordnung soll aber nach dem gedachten Zweck auf alle zum Antrieb durch Maschinenkraft eingerichteten und nicht an Geleise gebundenen Straßenfahrzeuge Anwendung finden (Thiel - Frohberg, Kommentar zur Reichsgaragenordnung, Anm. 6 zu § 1). Sie gilt daher auch für Mopeds (Müller, Straßenverkehrsrecht, 20. Aufl. S. 1228). § 46 der Reichsgaragenordnung behandelt die behelfsmäßige Einstellung von Kraftfahrzeugen in Räumen, Durchfahrten und unter Schutzdächern. Er läßt die Dauereinstellung von Kraftfahrzeugen grundsätzlich nur in den nach den Vorschriften der Reichsgaragenordnung genehmigten Räumen zu. Doch dürfen ein oder zwei Krafträder auch in nicht genehmigten Räumen (also auch in Wohnräumen) regelmäßig oder dauernd eingestellt werden, wenn diese Räume keine benutzten Feuerstätten, leicht brennbare Stoffe oder leere Kraftstoffbehälter enthalten. Die Reichsgaragenordnung geht hier sichtlich davon aus, daß bei Einhaltung dieser im Interesse der Feuersicherheit zu beachtenden Vorschriften die mit der behelfsmäßigen Einstellung von Krafträdern verbundenen Gefahren hinlänglich ausgeschaltet sind. Daher kann die Klägerin mangels einer anderweitigen Vereinbarung im Mietvertrag dem Beklagten die Einstellung der beiden Mopeds in der Mietwohnung nur dann untersagen, wenn von ihm die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften des § 46 Abs. 4 der Reichsgaragenordnung nicht nachgewiesen wird.

Anmerkung

Z30009

Schlagworte

Garagierung, Reichsgaragenordnung gilt auch für Mopeds, Kraftfahrzeug, Reichsgaragenordnung gilt auch für Mopeds, Moped, Reichsgaragenordnung, Motorfahrrad, Reichsgaragenordnung, Reichsgaragenordnung, Moped

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1957:0070OB00025.57.0130.000

Dokumentnummer

JJT_19570130_OGH0002_0070OB00025_5700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten