Norm
Genossenschaftsgesetz §64Kopf
SZ 30/20
Spruch
Im Konkurs einer Genossenschaft m. b. H. sind die bereits fälligen aushaftenden Geschäftsanteile eines Genossenschafters im Konkursverfahren und nicht im Rechtsweg geltend zu machen.
Entscheidung vom 27. März 1957, 3 Ob 162/57.
I. Instanz: Bezirksgericht St. Pölten; II. Instanz: Kreisgericht St. Pölten.
Text
Der Masseverwalter im Konkurs der S.-Sägespäne- und Holzabfall-Verwertungsgenossenschaft m. b. H. i. L. brachte zu 2 Cg 952/55 des Kreisgerichtes St. Pölten eine Klage ein, in der er die Verurteilung der Beklagten und deren Gatten Franz Sch. zur Zahlung des rückständigen Geschäftsanteiles von 3500 S und des Haftungsbetrages in der Höhe des fünffachen Geschäftsanteiles, somit 17.500 S, zusammen also 21.000 S, begehrte. Die Klage wurde wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges mit der Begründung zurückgewiesen, daß durch die Verordnung des Justizministeriums vom 21. März 1918, RGBl. Nr. 105, für die Eintreibung der klagsgegenständlichen Forderungen ein eigenes, vom Konkursgericht durchzuführendes Beitragsverfahren eingeführt worden sei und das Konkursgericht unter Ausschluß des Rechtsweges darüber zu entscheiden habe. Dieser Beschluß ist in Rechtskraft erwachsen.
Der Masseverwalter brachte nun beim Bezirksgericht St. Pölten gegen die Beklagte die gegenständliche Klage auf Zahlung eines Betrages von 3500 S als rückständigen Geschäftsanteiles ein. Die Beklagte wendete Unzulässigkeit des Rechtsweges, Rechtskraft des Zurückweisungsbeschlusses des Kreisgerichtes St. Pölten zu 2 Cg 952/55 und sachliche Unzuständigkeit ein.
Das Prozeßgericht wies alle Einreden zurück. Es war der Meinung, daß das Beitragsberechnungsverfahren nach der Genossenschaftskonkursverordnung nur für die Eintreibung noch nicht fälliger Anteile und beschlossener und aushaftender Nachschüsse der einzelnen Genossenschafter Anwendung zu finden habe, nicht aber für die Eintreibung von rückständigen und fälligen Geschäftsanteilen. Die Einforderung solcher Geschäftsanteile habe vielmehr im Rechtswege zu erfolgen. Da die Entscheidung des Kreisgerichtes St. Pölten in der Rechtssache 2 Cg 952/55 verfehlt sei, habe sie keine bindende Wirkung für das erkennende Gericht. Überdies beschränke sich die Entscheidung auf die Zurückweisung der Klage und könne daher nicht das Prozeßhindernis der rechtskräftig entschiedenen Streitsache bilden. Damit erledige sich auch die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit.
Das Rekursgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Seiner Ansicht nach ergebe sich aus § 3 Abs. 2 der Verordnung vom 21. März 1918, RGBl. Nr. 105, daß auch die zur Volleinzahlung der Geschäftsanteile erforderlichen Beträge im Beitragsverfahren einzuziehen seien und daß zwischen den zur Volleinzahlung erforderlichen Beträgen und den Nachschüssen nur insofern unterschieden werde, als den Genossenschaftern Nachschüsse nur dann auferlegt werden dürften, wenn die durch Volleinzahlung der Geschäftsanteile eingehenden Beträge zur Deckung des Abganges nicht ausreichten. § 7 Abs. 2 der Verordnung beziehe sich deshalb auch auf noch ausständige Geschäftsanteile; der Rechtsweg zur Geltendmachung der Klageforderung sei daher ausgeschlossen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Es ist zwar richtig, daß § 3 Abs. 1 der V. des k. k. Justizministeriums vom 21. März 1918, RGBl. Nr. 105, über den Konkurs, die Geltendmachung der Haftung und das Ausgleichsverfahren bei Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, nur von den zur Zeit der Auflösung der Genossenschaft noch nicht fälligen Beiträgen und den Nachschußbeträgen spricht. Zweck und Sinn der zitierten Verordnung war es, den Einzelzugriff der Gläubiger bei Genossenschaften mit unbeschränkter Haftung zu beseitigen und das Umlageverfahren wirksamer zu gestalten, indem es in die Hand des Masseverwalters gelegt wurde und schon nach Durchführung der Prüfungstagsatzung einzusetzen hat. Nach § 85 GenG. ist im Konkurs über das Vermögen einer Genossenschaft m. b. H. der Masseverwalter berechtigt, eine Berechnung jener Beiträge, welche die einzelnen Genossenschafter an die Genossenschaft schulden und für welche sie nach § 76 GenG. haften, anzufertigen und dieselbe, wenn die Genossenschafter die Zahlung der rückständigen Beiträge verweigern oder verzögern, dem Konkursgericht zur gerichtlichen Bestätigung vorzulegen. Auf Grund dieser Beitragsberechnung kann gemäß § 65 Abs. 4 GenG. gegen die säumigen Genossenschaftsmitglieder unmittelbar Exekution geführt werden. Gemäß § 18 Abs. 3 der mehrfach zitierten Verordnung vom 21. März 1918 finden die Bestimmungen der §§ 60 bis 75, 85 und 86 GenG., soweit sie Gegenstände betreffen, die in dieser Verordnung geregelt sind, während der Dauer der Geltung dieser Verordnung keine Anwendung. Da die Frage der Einbringung der bereits fälligen und im Zeitpunkt der Auflösung noch nicht eingezahlten Geschäftsanteile in der Verordnung nicht geregelt ist, kommen in einem solchen Falle die Bestimmungen der §§ 61 bis 75 und auch die des § 85 GenG., der zwischen fälligen und nicht fälligen Anteilen nicht unterscheidet, zur Anwendung. Ein anderer Sinn kann den Bestimmungen der §§ 3 und 18 der Verordnung nicht beigelegt werden, da nicht einzusehen ist, warum nach der durch die V. vom 21. März 1918, RGBl. Nr. 105, geänderten Rechtslage im Konkurs die bereits fälligen und noch nicht eingezahlten Anteile der Genossenschafter entgegen der früheren Rechtslage im Prozeßwege eingetrieben werden müßten, obwohl die Verordnung gerade eine wirksamere Gestaltung des Umlageverfahrens bezweckt. Es ist zwar richtig, daß die Geschäftsanteile Kapitalsbeträge sind, welche die Genossenschafter an die Genossenschaft zu zahlen haben und die zu den Aktiven der Genossenschaft gehören. Die Verbindlichkeit zur Zahlung des Geschäftsanteiles trifft den Genossenschafter schon während des Bestandes der Genossenschaft, während er zur Leistung eines weiteren Betrages im Falle des Konkurses oder der Liquidation verpflichtet ist. Doch stellt § 76 GenG. die Geschäftsanteile den weiteren (Haftungs-) Beträgen gleich (Judikat 175). Daraus folgt, daß im Konkurs der Genossenschaft der Masseverwalter zunächst eine Beitragsberechnung hinsichtlich der bereits fälligen, aber noch nicht eingezahlten Beiträge zu verfassen hat, um die Aktiven der Genossenschaft zu ermitteln und sodann feststellen zu können, ob er nach den §§ 2 und 3 der Genossenschaftskonkursverordnung vorzugehen hat oder nicht. Die Argumentation des Rechtsmittelwerbers, ein solches Vorgehen würde einen säumigen Genossenschafter bevorzugen, da die pünktlich zahlenden Genossenschafter anteilsmäßig die Schuld des säumigen Genossenschafters decken müßten, ohne daß auch nur versucht würde, die Schuld im Prozeß-Weg einzubringen, geht fehl, da § 3 ebenso wie die ganze Verordnung auf die Eintreibung von bereits fälligen Beiträgen gar nicht anzuwenden ist und das in dieser Verordnung angeordnete Beitragsverfahren erst dann Platz zu greifen hat, wenn die bereits fälligen Beiträge eingetrieben sind, bzw. sich deren Eintreibung als ergebnislos erweist. Aus dem gleichen Gründe gehen auch die Ausführungen des Revisionsrekurses, es ergebe sich aus dem Worte "Abgänge" im § 2 der Verordnung, daß ein Abgang erst eintreten könne, wenn die einforderbaren und ziffernmäßig feststehenden Anteilsreste nicht ausreichen, die Passiven zu decken, ins Leere, da, wie bereits erwähnt, diese Verordnung hier gar nicht anzuwenden ist. Es wäre auch nicht einzusehen, warum im Konkurs einer Genossenschaft zwar die noch gar nicht fälligen Geschäftsanteile und die Nachschußbeträge im Verfahren außer Streitsachen festzustellen und einzutreiben sein sollten, die bereits fälligen aber erst in einem Rechtsstreit, somit auf einem kostspieligen und komplizierten Wege, geltend gemacht werden müßten. Das Rekursgericht ist daher insofern keinem Rechtsirrtum unterlegen, wenn es der Ansicht ist, daß auch die Geltendmachung der bereits fälligen aushaftenden Geschäftsanteile im Konkursverfahren und nicht im Rechtswege zu erfolgen hat, als hier zwar nicht die Bestimmungen der Genossenschaftkonkursverordnung, wohl aber die der §§ 64 und 85 GenG. anzuwenden sind.
Ganz abgesehen davon steht aber der Geltendmachung des gegenständlichen Anspruches die Rechtskraft des Beschlusses des Kreisgerichtes St. Pölten vom 2. Mai 1956, 2 Cg 952/55, entgegen. Der bezügliche Rechtsstreit wurde zwischen denselben Parteien, aus demselben Rechtsgrunde und auch hinsichtlich derselben Forderung anhängig gemacht. Die Zurückweisung der Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges ist mangels eines Rechtsmittels der klagenden Partei in Rechtskraft erwachsen. Da auch prozeßbeendende Beschlüsse - hier der Ausspruch der Unzulässigkeit des Rechtsweges - die Einrede der Rechtskraft begrunden (GerH. 1934 S. 95), steht der neuerlichen Geltendmachung desselben Anspruches die Rechtskraft des Zurückweisungsbeschlusses im Weg. Die Ansicht des Erstgerichtes, ein unrichtiger Beschluß könne keine Rechtskraftwirkung erzeugen, ist völlig verfehlt; denn es kommt nicht darauf an, ob die Entscheidung richtig ist oder nicht, sondern nur darauf, ob sie in Rechtskraft erwachsen ist.
Aus beiden Gründen war dem Revisionsrekurs der Erfolg zu versagen.
Anmerkung
Z30020Schlagworte
Genossenschaft, Konkurs, Eintreibung fälliger Geschäftsanteile, Geschäftsanteile einer Genossenschaft, Eintreibung im Konkurs, Konkurs einer Genossenschaft m. b. H., Eintreibung fälliger, Geschäftsanteile, Rechtsweg, Eintreibung fälliger Geschäftsanteile im, Genossenschaftskonkurs, Zulässigkeit des Rechtsweges, Eintreibung fälliger Geschäftsanteile im, GenossenschaftskonkursEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1957:0030OB00162.57.0327.000Dokumentnummer
JJT_19570327_OGH0002_0030OB00162_5700000_000