TE OGH 1957/5/15 1Ob237/57

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Veröffentlicht am 15.05.1957
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Norm

EO §251 Z6

Kopf

SZ 30/28

Spruch

Bauern oder Pächter landwirtschaftlicher Betriebe gehören nicht zum Personenkreis des § 251 Z. 6 EO.

Entscheidung vom 15. Mai 1957, 1 Ob 237/57.

I. Instanz: Bezirksgericht Ebreichsdorf; II. Instanz: Kreisgericht Wiener Neustadt.

Text

Auf Antrag des Verpflichteten hat das Erstgericht die Fahrnisexekution hinsichtlich einer Sämaschine, einer Rübenschneidemaschine, einer Mahlmaschine mit Elektromotor, einer Kuh und zweier Kälber durch Einstellung gemäß § 39 Abs. 1 Z. 2 EO. eingeschränkt. Der Verpflichtete begrundet seinen Antrag unter Berufung auf §§ 252, 251 Z. 6 EO. damit, daß er von seinem Haus in U. eine Landwirtschaft mit 68 Joch Pachtgrund betreibe und die zur Ausscheidung begehrten Maschinen und Viehstücke als notwendiges Zubehör der Liegenschaft anzusehen seien, weiters daß er aller angeführten Gegenstände zur persönlichen Fortsetzung seiner Erwerbstätigkeit bedürfe.

Den Feststellungen des Erstgerichtes zufolge nutzt der Verpflichtete im wesentlichen nur Pachtgrunde; sein Eigenbesitz ist so gering, daß er ohne dazugepachtete Gründe nicht als Landwirtschaft angesprochen werden kann. Gegenstände, die ein Zubehör nach § 294 ABGB. bilden könnten, sind daher zur Benützung der Liegenschaft des Verpflichteten nicht erforderlich. Er ist Pächter landwirtschaftlicher Grundstücke; der Betrieb wird von ihm persönlich ohne fremde Arbeitskraft mit Unterstützung seiner Familienangehörigen geführt. Laut Auskunft der Bezirksbauernkammer in E. ist der landwirtschaftliche Betrieb des Verpflichteten trotz 26 ha 55 Ar Pachtgrund nebst 15 Ar Eigengrund mit Rücksicht auf den wenig ertragreichen Boden (Steinfeld) als Kleinbetrieb anzusehen. Nach der gutächtlichen Äußerung des Sachverständigen Ing. Jakob E. sind für die Weiterführung der vom Verpflichteten betriebenen landwirtschaftlichen Pacht die zur Ausscheidung beantragten Fahrnisse unbedingt notwendig.

Das Erstgericht war der Meinung, daß der Einstellungsantrag des Verpflichteten unter den geschilderten Umständen zwar nicht nach § 252 EO., wohl aber nach § 251 Z. 6 EO. gerechtfertigt sei, und hat daher die Einstellung der Exekution im Sinne der letztgenannten Gesetzesstelle nach § 39 Abs. 1 Z. 2 EO. verfügt.

Infolge Rekurses der betreibenden Partei änderte das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es den Antrag der verpflichteten Partei, die Exekution in Ansehung der am 28. September 1956 gepfändeten und im Antrag näher bezeichneten Gegenstände nach den §§ 39 Abs. 1 Z. 2, 251 Z. 6 EO. einzustellen, abwies. Der Beschluß führt aus, das Erstgericht habe richtig erkannt, daß eine Einstellung der Exekution nach dem in erster Linie vom Verpflichteten in Anspruch genommenen § 252 EO. nicht in Betracht komme, weil das Ausmaß des dem Verpflichteten gehörigen Grundbesitzes so gering sei, daß das Anwesen ohne zusätzlichen Pachtgrund nicht als landwirtschaftlicher Betrieb angesehen werden könne und daher auch keinerlei landwirtschaftliches Zubehör erfordere. Der Rekurs der betreibenden Partei gegen die Einstellung der Exekution nach § 251 Z. 6 EO. sei jedoch berechtigt, wenn auch zugegeben werden müsse, daß die zur Entscheidung stehende Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein landwirtschaftlicher Grund- oder Wirtschaftspächter dem § 251 Z. 6 EO. unterstellt werden könne, soweit dem Rekursgerichte bekannt, noch nicht Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidung gewesen sei. Die bezogene Gesetzesstelle entziehe der Exekution nur bei Handwerkern und Kleingewerbetreibenden, weiters bei Hand- und Fabriksarbeitern und anderen Personen, die aus Handleistungen ihren Erwerb ziehen, die zur persönlichen Fortsetzung der Erwerbstätigkeit erforderlichen Gegenstände und die zur Aufarbeitung bestimmten Rohmaterialien bis zu einem Höchstwert von 1000 S. Ihr Zweck sei, wie sich insbesondere aus dem Zusammenhalt mit Z. 5 (geistige Berufe) und Z. 7 (unpfändbares Existenzminimum bei Lohnempfängern) des § 251 EO. ergebe, die Sicherung einer vorwiegend manuellen Tätigkeit in kleinem Umfange. Ein Erwerbs- oder Kleingärtner, der seine Gärtnerei auf Pachtgrund betreibe, werde z. B. hinsichtlich seiner Werkzeuge und seiner Maschinen den Schutz des § 251 Z. 6 EO. in Anspruch nehmen können. Auch beim Pächter einer Landwirtschaft, die die übliche Größe einer ohne fremde Hilfskräfte geführten Bauernwirtschaft nicht übersteige, könne dies noch zutreffen. Im vorliegenden Falle habe aber sachverständige Nachrechnung offenbar ergeben, daß der Wert des vom Verpflichteten investierten Kapitals den Wert der eigenen Arbeitskraft weit übersteige, wenn bedacht werde, daß der jährliche Pachtzins etwa 12.000 S und die Amortisationsquote mindestens eines Traktors im Anschaffungswerte von etwa 50.000 S und einer Lebensdauer von 5 Jahren 5000 S betrage, ein gleich hoher Betrag für einen etwa halb ausgenützten Mähdreschers, sonstige Aufwendungen an Kunstdünger, Einstellvieh u. dgl. zu veranschlagen seien. Als Kleinbetrieb manueller Natur könne der Betrieb des Verpflichteten daher schon seiner Art nach nicht bezeichnet werden, womit übereinstimme, daß die Aufrechterhaltung dieses Betriebes durch den Verpflichteten persönlich auch deshalb nicht zu sichern wäre, weil seine Pachtrechte, soferne der Verpächter dem nicht wegen eines vertraglich festgelegten Verbots der Unterverpachtung widersprechen könne oder wolle, der Exekution durch Zwangsverpachtung oder Zwangsverwaltung unterlägen und das Verbot des § 341 EO. auf derartige Grund- oder Wirtschaftspachtungen keineswegs anwendbar sei. Nach Kenntnis des Rekursgerichtes bewege sich die Größe der Bauernwirtschaften in der Gegend von U. um maximal 10 ha herum; eine Pachtung von 26 ha Ackergrund, der ohne nennenswerte Viehhaltung in der in dieser Gegend in den letzten Jahren mehrfach beobachteten Weise zum Getreideacker ausgenützt werde, könne auch aus diesem Grund nicht als Kleinbetrieb bezeichnet werden.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Verpflichteten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Richtig ist, daß der Begriff "Handwerker" im Sinne des § 251 Z. 6 EO. nicht auf diejenigen Personen beschränkt ist, die ein handwerksmäßiges Gewerbe im Sinne der Gewerbeordnung betreiben. Neben den Handwerkern sollen auch Kleingewerbetreibende, neben Hand- und Fabriksarbeitern auch alle anderen Personen, welche aus Handleistungen ihren Erwerb ziehen, begünstigt sein, und zwar nicht nur hinsichtlich der zur persönlichen Ausübung ihrer Beschäftigung, sondern hinsichtlich aller zur persönlichen Fortsetzung ihrer Erwerbstätigkeit erforderlichen Gegenstände. Unter die Kleingewerbetreibenden wollen die erläuternden Bemerkungen zur ersten Gerichtsentlastungsnovelle z. B. die Kleinwirte und Kleinkaufleute, unter die Personen, welche aus Handleistungen ihren Erwerb ziehen, z. B. Kleinfuhrwerker, Kleinspediteure, Artisten subsumiert wissen. Sachlich soll sich die Exekutionsfreiheit auf alles erstrecken, was zur Sicherstellung der Fortführung des Betriebes im bisherigen Umfang mit den bisherigen Mitteln erforderlich erscheint. Wem der Charakter eines Kleingewerbetreibenden zuerkannt wird, dem kann von seinem notwendigen Betriebsmitteln überhaupt nichts gepfändet werden. Es soll die Fortführung des Betriebes im bisherigen Umfange mit den bisherigen Mitteln - Maschinen, wie sie heute selbst im Kleingewerbebetriebe zur Aufrechterhaltung der Konkurrenzfähigkeit unentbehrlich sind - sichergestellt werden (Neumann - Lichtblau, Kommentar zur Exekutionsordnung, 3. Aufl. II S. 785 ff.). Nur jene, die körperlich arbeiten oder mitarbeiten, und von diesen nur jene, die - wenn Unternehmer - Kleingewerbetreibende sind, haben Anspruch auf die Exekutionsbefreiung des § 251 Z. 6 EO. Fabrikanten, Bauern und Landarbeiter, Gastwirte, die nicht persönlich die Kundschaft bedienen, fallen beispielsweise nicht hieher. Dagegen gehören etwa Tanzschulinhaber, Karusselbesitzer, Kleingärtner, Berufsjäger, Handwerker im Sinne des HGB., Hebammen, gewerbliche Hilfsarbeiter zur geschützten Gruppe (Pollak, System des österreichischem Zivilprozeßrechtes, 2. Aufl. S. 832).

Auch bei großzügiger Auslegung der Bestimmung des § 251 Z. 6 EO. ist es nicht möglich, Bauern oder Pächter landwirtschaftlicher Betriebe unter die begünstigten Personen der Z. 6 des § 251 EO. zu rechnen. Bauernwirtschaften und landwirtschaftliche Pachtbetriebe dienen nicht in erster Linie gewerblichen Zwecken, so daß ein wesentliches Kriterium für die Einreihung von Bauern und Pächtern von landwirtschaftlichen Betrieben - mag es sich auch um Kleinbetriebe handeln - unter die genannte Gesetzesstelle fehlt. Davon abgesehen werden die vom angefochtenen Beschluß angestellten Erwägungen zum Nachweis dafür, daß hier kein Kleinbetrieb vorliegt (Umfang des Betriebes und Maschinenausstattung) weder durch die Ausführungen des Revisionsrekurses noch durch das nicht näher begrundete Sachverständigengutachten widerlegt. Daß die Durchführung des Pachtbetriebes bei Wegfall der gepfändeten und zur Ausscheidung begehrten Maschinen, Geräte usw. erschwert wird, macht die Exekution auf diese Gegenstände nicht unzulässig (SZ. XIII 145). Es besteht demnach keine Veranlassung, vom angefochtenen Beschluß abzugehen und eine Entscheidung im Sinne des Begehrens des Revisionsrekurses zu treffen.

Anmerkung

Z30028

Schlagworte

Bauern, keine Exekutionsbefreiung nach § 251 Z. 6 EO., Exekutionsbeschränkung nach § 251 Z. 6 EO. gilt nicht für Bauern und, landwirtschaftliche Pächter, Landwirtschaftlicher Pächter, keine Exekutionsbefreiung nach § 251 Z. 6, EO., Pächter eines landwirtschaftlichen Betriebes, keine Exekutionsbefreiung, nach § 251 Z 6 EO., Pfändungsfreiheit nach § 251 Z. 6 EO., keine Anwendung bei Bauern und, landwirtschaftlichen Pächtern, Unpfändbarkeit nach § 251 Z. 6 EO., keine Anwendung bei Bauern und, landwirtschaftlichen Pächtern

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1957:0010OB00237.57.0515.000

Dokumentnummer

JJT_19570515_OGH0002_0010OB00237_5700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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