Norm
ABGB §608Kopf
SZ 30/42
Spruch
Auch die Substitutionsabhandlung hat von den Ergebnissen der Verlassenschaftsverhandlung auszugehen. Beteiligte in diesem Verfahren können diese Ergebnisse ohne Einvernehmen aller Beteiligten nur auf dem Prozeßwege bekämpfen.
Entscheidung vom 28. August 1957, 1 Ob 454/57.
I. Instanz: Bezirksgericht Korneuburg; II. Instanz: Kreisgericht Korneuburg.
Text
In der Verlassenschaftssache nach der am 23. Mai 1941 verstorbenen Marie H., in der die erblasserische Tochter Leopoldine L. bzw. deren Nachlaß Alleinerbin war, wurde bei der Verlassenschaftsabhandlung vor dem Gerichtskommissär am 22. November 1950 der dem abwesenden erblasserischen Sohn Theodor H. gebührende Pflichtteil mit 4288 S 80 g berechnet. Auf diesen Pflichtteil wurde dem Pflegebefohlenen Theodor H. ein Drittel des in den Nachlaß gehörigen Hauses EZ. 197 Grundbuch K., B.-Straße 3, im Wert von 8000 S und ein Drittelanteil am Bäckereigeschäft im Werte von 216 S 50 g als Vermächtnis zugewiesen. Diese Anteile wären auf Grund des Punktes IV des Testamentes vom 28. März 1935 durch eine fideikommissarische Substitution zugunsten der Leopoldine L. und der Anna K. und deren ehelicher Nachkommenschaft belastet, wobei die genannten Personen an die allfälligen ehelichen Nachkommen des Theodor H. den Wert der Anteile hinauszuzahlen haben sollten. Gleichzeitig erklärte der Machthaber der Abwesenheitskuratorin des Theodor H., daß "von der Geltendmachung einer Pflichtteilsverletzung aus dem Titel der Beschränkung desselben durch eine fideikommissarische Substitution Umgang genommen" werde. "Der Pflichtteil des pflegebefohlenen Theodor H. erscheine somit durch die zu seinen Gunsten angeordneten Legate erfüllt". Der Machthaber der Abwesenheitskuratorin beantragte, diese Pflichtteilsberechnung abhandlungs- und pflegschaftsbehördlich zu genehmigen und den Pflichtteilsausweis als erbracht anzusehen. Das Erstgericht nahm mit dem Beschluß vom 4. Juli 1951 die Pflichtteilsberechnung und den erstatteten Pflichtteilsausweis zur Kenntnis und genehmigte beides namens des abwesenden Theodor H. abhandlungs- und pflegschaftsbehördlich. Zugleich erließ das Erstgericht die Einantwortungsurkunde, mit der der Nachlaß nach Marie H. der Verlassenschaft nach Leopoldine L. gemäß der bedingten Erbserklärung auf Grund des Testamentes vom 28. März 1935 zur Gänze eingeantwortet wurde. Bei der Einverleibung des Eigentumsrechtes des Theodor H. an einem Drittel der Liegenschaft wurde die Beschränkung des Eigentumsrechtes durch die fideikommissarische Substitution grundbücherlich einverleibt.
Aus Anlaß des Substitutionsfalles (Todeserklärung des Theodor H.) stellten dessen Witwe Rosa H. und die Miterbin Stefanie M. am 21. Februar 1957 beim Substitutionsgericht den Antrag, mit Beschluß festzustellen, daß die im Testament vom 28. März 1935 angeordnete fideikommissarische Substitution nur hinsichtlich des Teiles des Legates des Theodor H. Gültigkeit habe, der den Pflichtteil übersteige (§ 774 ABGB.).
Das Erstgericht gab dem Antrag statt und verwies auf die zwingende Bestimmung des § 774 ABGB. Die Feststellung der Freiheit des Pflichtteiles von der angeordneten fideikommissarischen Substitution könne auch erst im Zuge der Durchführung der Substitutionsabhandlung geschehen, da es unbillig wäre, den Parteien aus einem Übersehen in der Verlassenschaftsabhandlung Nachteile erwachsen zu lassen.
Infolge Rekurses der Nachlegatarin Anna K. änderte das Rekursgericht den erstinstanzlichen Beschluß dahin ab, daß der Antrag der Rosa H. und der Stefanie M. abgewiesen wurde. Nach der Bestimmung des § 774 ABGB. müsse der Pflichtteil dem Noterben allerdings stets ganz frei bleiben. Jede Beschränkung oder Belastung des Pflichtteils durch eine Bedingung, Zeitbestimmung, Auflage oder fideikommissarische Substitution - es wäre denn ein fideicommissum eius quod supererit - sei ungültig. Diese gesetzliche Regelung hindere aber nicht, daß der Pflichtteilsberechtigte eine seinen Pflichtteil treffende Beschränkung freiwillig auf sich nehme und damit die Verletzung seines Pflichtteilsrechtes saniere. Dies sei im vorliegenden Fall durch die Erklärung vom 22. November 1950 geschehen. Diese Erklärung sei auch pflegschaftsbehördlich genehmigt worden. Abgesehen davon könnte nach der Meinung des Rekursgerichtes die Verletzung des Pflichtteilsrechtes nur im Klagewege geltend gemacht werden.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Rosa H. nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das Verlassenschaftsgericht hat in Übereinstimmung mit der Bestimmung des § 162 AußStrG. zugunsten des pflegebefohlenen Theodor H. die Pflichtteilsausweisung für erforderlich gehalten und ungeachtet der Bestimmung des § 774 ABGB. die in Anrechnung auf dem Pflichtteil vorgenommene Zuweisung fideikommissarisch belasteter Legate an Theodor H. abhandlungs- und pflegschaftsbehördlich genehmigt. Die Meinung der Rechtsmittelwerberin, diese Genehmigung habe sich nur auf die ziffernmäßige Berechnung, nicht aber auch auf den Verzicht der damaligen Abwesenheitskuratorin, die Pflichtteilsverletzung geltend zu machen, bezogen, ist nicht zutreffend. Denn es ist nicht nur die Pflichtteilsberechnung, sondern auch der Pflichtteilsausweis, also der Nachweis der ordnungsmäßigen Abfindung des pflegebefohlenen Noterben, genehmigt worden. Die Genehmigung ist zur Grundlage der Einantwortungsurkunde genommen und das Verlassenschaftsverfahren beendet worden. Auch die durch die Todeserklärung des Theodor H. ausgelöste Substitutionsabhandlung hat von den Ergebnissen der Verlassenschaftsverhandlung auszugehen (vgl. Ehrenzweig 2. Aufl. II/2 S. 467; Rintelen, Grundriß des Verfahrens außer Streitsachen, S. 80). Wenn Beteiligte in diesem Verfahren nunmehr diese Ergebnisse als unrichtig bekämpfen, können sie dies, wenn nicht das Einvernehmen aller Beteiligten vorliegt, nicht im Abhandlungsverfahren, sondern nur auf dem Prozeßwege tun (vgl. Rintelen a. a. O. S. 77). Die Grundlagen abgeschlossener Verlassenschaftsverfahren können nach der Einantwortung des Nachlasses nicht mehr verändert werden, und zwar auch dann nicht, wenn sich an das abgeschlossene Verfahren wegen des unterdessen eingetretenen Substitutionsfalles ein weiteres Verfahren, die Substitutionsabhandlung, anschließt (vgl. ZBl. 1935 Nr. 137).
Da über den Antrag der Rosa H. und der Stefanie M. keinesfalls im außerstreitigen Verfahren entschieden werden kann, hat das Rekursgericht den Antrag mit Recht abgewiesen. Bei dieser Rechtslage kann auf die Frage, ob die Erben nach Theodor H. die Freiheit des Pflichtteils von Belastungen noch geltend machen können, nicht eingegangen werden.
Anmerkung
Z30042Schlagworte
Abhandlungsverfahren Grundlagen der Substitutionsabhandlung, Fideikommissarische Substitution, Grundlagen der Abhandlung, Nachlaßverfahren, Grundlagen der Substitutionsabhandlung, Substitutionsabhandlung, Grundlagen, Verlassenschaftsabhandlung Grundlagen der SubstitutionsabhandlungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1957:0010OB00454.57.0828.000Dokumentnummer
JJT_19570828_OGH0002_0010OB00454_5700000_000