Norm
ABGB §171Kopf
SZ 30/50
Spruch
Für das Ausmaß der Unterhaltspflicht des Erben nach § 171 ABGB. ist nur das Vermögen des Erblassers in dem Zustande zur Zeit der Geltendmachung des Unterhaltsanspruches maßgebend. Ist über den Nachlaß wegen Überschuldung der Konkurs verhängt worden, so besteht kein Unterhaltsanspruch.
Entscheidung vom 11. September 1957, 3 Ob 271/57.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Klägerin wurde am 31. März 1901 als außereheliche Tochter der Franziska W. geboren. Dr. Rudolf T. anerkannte die Vaterschaft und zahlte zur gänzlichen Befreiung von der Alimentationspflicht 11.000 Kronen an den Vormund. Er starb im Jahre 1918. Sein Nachlaß wurde an Oskar T. und Arthur T. zu je 3/8 sowie an Dr. Heinrich T. und Siegfried T. zu je 1/8 eingeantwortet. Die Klägerin brachte gegen die Erben eine Unterhaltsklage ein, und es wurde am 27. Mai 1921 ein Vergleich geschlossen, in welchem sich die Erben verpflichteten, zur vollständigen und endgültigen Abfindung aller Ansprüche 250.000 Kronen zu zahlen. Der Vergleich sollte auch bei geänderten Verhältnissen wirksam sein. Die Klägerin genehmigte den Vergleich außerdem nach ihrer Großjährigerklärung.
Am 29. Mai 1948 wurde über das Vermögen des Oskar T. das Konkursverfahren eröffnet. Oskar T. war inzwischen auch Alleinerbe des Arthur T. geworden. Er selbst starb nach Konkurseröffnung am 19. Juni 1948. Seine Alleinerbin ist die Beklagte. Der Nachlaß wurde ihr am 3. Dezember 1955 eingeantwortet, nachdem das Konkursverfahren nach einem von der Erbin geschlossenen Zwangsausgleich aufgehoben worden war, in welchem den nicht bevorrechteten Gläubigern eine 65%ige Quote zugesichert wurde.
Mit der vorliegenden Klage, die zunächst gegen die Konkursmasse "Verlassenschaft nach Oskar T." gerichtet war, begehrte die Klägerin die Feststellung, daß die von ihr im Konkurs angemeldete Unterhaltsforderung von 54.000 S für die Zeit von drei Jahren vor Konkurseröffnung und im Kapitalswert von 300.000 S für die Zukunft zu Recht bestehe. Sie brachte vor, daß sie seit Jahren schwer leidend und erwerbsunfähig sei. Am 28. Juni 1955 schränkte die Klägerin das Begehren auf ein Deckungskapital von 120.000 S ein und änderte in der Folge das Begehren dahin, daß sie einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 1450 S verlangte. Sie brachte dazu vor, daß die Beklagte als Erbin nach Oskar T. für 3/4 ihres Unterhaltes zu haften habe. Der Unterhalt könne mit 3000 S monatlich angenommen werden, und die Beklagte habe die zugesagte Zwangsausgleichsquote von 65% zu zahlen, so daß sich daraus ein Betrag von 1450 S ergebe. Diesen Betrag begehre sie als "anständigen" Unterhalt, in eventu als notdürftigen Unterhalt. Sie sei vermögenslos und beziehe bloß eine monatliche Fürsorgerente von 325 S.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Gemäß § 171 ABGB. gehe die Verbindlichkeit, uneheliche Kinder zu verpflegen und zu versorgen, gleich einer anderen Schuld auf die Erben des Vaters über. Im vorliegenden Fall würden aber Unterhaltsansprüche für einen Zeitraum gestellt, der mehr als vier Jahre nach dem Tod des Erben Oskar T. beginne. Die Ansprüche würden daher nicht gegen den Erben des außerehelichen Vaters erhoben, sondern gegen die Erbeserben. Nach § 171 ABGB. bestunden aber keine Unterhaltsansprüche gegen Personen, die nicht Erben des außerehelichen Vaters, sondern nur Erben dieser Erben seien. Die Klägerin behaupte nicht, daß ihr im Zeitpunkt des Todes des Oskar T. gegen diesen bereits ein bestimmter Unterhaltsanspruch zugestanden wäre. Dies wäre aber die Voraussetzung für eine Haftung der Beklagten gewesen.
Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Sache zur ergänzenden Verhandlung an das Erstgericht zurück. Es schloß sich der Rechtsansicht des Erstgerichtes hinsichtlich der Auslegung des § 171 ABGB. nicht an und vertrat die Ansicht, daß die Verbindlichkeit nach dem Tode des außerehelichen Vaters den Charakter einer ausschließlich auf dem Familienbande beruhenden Unterhaltsschuld verloren habe und der Erbe nach Maßgabe der Höhe des Nachlasses dafür wie für jede andere Schuld hafte. Es sei kein Unterschied zu machen zwischen Verbindlichkeiten aus ruhenden Unterhaltsansprüchen und solchen, die bereits ziffernmäßig festgesetzt seien. Auch die ersteren gingen auf die Erben über und lebten, wenn der Berechtigte später bedürftig werde, nach Maßgabe des Nachlaßvermögens wieder auf. Der erste Erbe hafte dabei nach dem Wert des vom außerehelichen Vater hinterlassenen Vermögens, und auch der Erbe des Erben niemals in höherem Maße und außerdem nur nach dem Wert des Nachlasses seines Vorgängers. Grundsätzlich hafte daher auch die Beklagte. Da das Erstgericht Feststellungen über den Wegfall der Selbsterhaltungsfähigkeit und über den Wert des Nachlasses sowie über die behauptete Überschuldung desselben nicht getroffen habe, sei das Urteil aufzuheben gewesen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der Beklagten Folge und trug dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Frage, ob die Unterhaltsverpflichtung des außerehelichen Vaters nach § 171 ABGB. nicht nur auf seinen unmittelbaren Erben, sondern auch auf die Erbeserben übergeht, ist vom Berufungsgericht richtig gelöst worden. Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung JBl. 1935 S. 454 ausgesprochen hat, sind neben der Bestimmung des § 171 ABGB. auch jene der §§ 547, 548 ABGB. zu beachten. Der Erbe stellt den Erblasser vor, er übernimmt die Verbindlichkeiten, die der Erblasser aus seinem Vermögen zu leisten gehabt hätte. In SZ. XVI 238 wurde ausgesprochen, daß die Unterhaltspflicht des Erben des außerehelichen Vaters auch dann wieder auflebe, wenn das Kind zur Zeit des Todes des außerehelichen Vaters bereits versorgt war, später aber unterhaltsbedürftig werde. Es geht nicht nur die bereits festgestellte Unterhaltsschuld, sondern auch die Unterhaltspflicht als solche über, und es entsteht für die Erben eine Leistungspflicht, wenn das Kind später in Bedürftigkeit verfällt. Allein für das Ausmaß der Unterhaltsleistung ist immer nur das Vermögen des Erblassers in dem Zustande maßgebend, in dem es sich zur Zeit der Geltendmachung des Unterhaltsanspruches befindet, denn die Erben haben keine eigene Unterhaltspflicht dem Kinde gegenüber, sondern nur eine abgeleitete als Träger des Nachlasses so SZ. IV 143 und GlUNF. 4627).
Zu beachten ist aber, daß durch den Übergang der Unterhaltsverpflichtung nach § 171 ABGB. deren rechtliche Natur nicht so weit geändert wird, daß eine völlige Gleichstellung derselben mit jeder anderen Schuld eintritt, die vom Erben übernommen wird (so GlU. 15.098). Die Höhe des Unterhaltsanspruches hängt vielmehr von der Größe des Nachlasses ab. Ist überhaupt kein Reinnachlaß vorhanden, so verschwindet auch der Unterhaltsanspruch den Erben gegenüber (vgl. NotZ. 1932 S. 28). Bei einem überschuldeten Nachlaß gibt es keinen Unterhaltsanspruch, höchstens Rückstände; bei Lebzeiten des Erblassers fällig gewordene Unterhaltsbeträge können als gewöhnliche Schulden angesehen werden, die vom Reinnachlaß unabhängig sind (so Klang 1. Aufl. zu § 171 ABGB.; Bartsch - Pollak, Konkursordnung, 3. Aufl. I S. 34). Ist über den Nachlaß der Konkurs wegen Überschuldung verhängt worden, so ist damit schon dargetan, daß ein frei verfügbares Vermögen nicht mehr vorhanden ist, und es entfällt in einem solchen Falle die Grundlage des Bestandes einer Unterhaltsforderung nach § 171 ABGB. (vgl. JBl. 1930 S. 479).
Im vorliegenden Fall ergibt sich, daß der Nachlaß nach dem verstorbenen Erben des außerehelichen Vaters Oskar T. wegen Überschuldung in Konkurs geriet. Unterhaltsansprüche der Klägerin bestanden zu dieser Zeit nicht. Sie geriet erst Jahre später in Dürftigkeit. Der Anspruch gegen die Beklagte als Erbin nach Oskar T. konnte aber in Anbetracht der Überschuldung des Nachlasses nicht mehr wieder aufleben. Dies gilt nicht nur im Falle einer gänzlichen Verteilung des Konkursvermögens an die Gläubiger, sondern auch - wie hier - im Falle eines Zwangsausgleichs durch die Erbin. Der Unterhaltsanspruch kann auch nicht in der Höhe der Ausgleichsquote wieder aufleben, weil er nicht - wie bereits ausgeführt wurde - gleich jeder anderen Schuld des Erblassers zu behandeln ist, sondern seinen familienrechtlichen Charakter insofern bewahrt, als er nur nach dem verbliebenen Vermögen, nach der Höhe des Reinnachlasses, bemessen werden kann. Dieser Grundsatz schließt eine quotenmäßige Befriedigung im gleichen Rang mit den übrigen Gläubigern aus. Wenn ein Reinnachlaß nicht vorhanden ist, wird die Unterhaltsverpflichtung für die Zukunft begriffsmäßig gleich Null und kann infolge der auf den übernommenen Reinnachlaß beschränkten Haftung des Erben nicht wieder aufleben.
Der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes erweist sich daher als überflüssig. Die Überschuldung des Nachlasses wurde von der Beklagten nicht nur behauptet, sondern ist durch die beigeschafften Konkursakten erwiesen, aus denen die notwendigen Feststellungen ohne weiteres entnommen werden konnten. Die Klägerin hat die Überschuldung des Nachlasses nicht bestritten; sie hat sich selbst am Konkursverfahren beteiligt und auch nur quotenmäßige Befriedigung im Rahmen des Zwangsausgleiches begehrt. Weitere Feststellungen waren daher entbehrlich. Die Unterhaltsverpflichtung ist auf Grund dieses Sachverhaltes als erloschen zu betrachten, so daß die mangelnde Selbsterhaltungsfähigkeit der Klägerin nicht mehr zum Gegenstande weiterer Feststellungen gemacht werden mußte.
Anmerkung
Z30050Schlagworte
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ECLI:AT:OGH0002:1957:0030OB00271.57.0911.000Dokumentnummer
JJT_19570911_OGH0002_0030OB00271_5700000_000