Norm
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §356Kopf
SZ 33/1
Spruch
Spruchrepertorium Nr. 49 neu.
Zur Entscheidung der im § 356 ASVG. genannten Streitigkeiten sind die "Gerichte" zuständig.
Entscheidung vom 15. Oktober 1957, 4 Ob 89/57.
I. Instanz: Arbeitsgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:
Kreisgericht Wiener Neustadt.
Text
Die klagende Allgemeine Unfallversicherungsanstalt machte die auf sie nach § 1542 RVO. bzw. § 332 ASVG. übergegangenen Schadenersatzansprüche ihres Versicherten aus einem Arbeitsunfall geltend, der sich am 10. August 1955 ereignete.
Das Arbeitsgericht wies die Klage mit der Begründung zurück, daß durch § 356 ASVG. eine Änderung des bisherigen Rechtszustandes eingetreten sei. Während bisher die Arbeitsgerichte nach den Vorschriften des § 1 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 2 ArbGerG. zuständig gewesen seien, seien nunmehr die ordentlichen Gerichte zur Entscheidung berufen.
Das Rekursgericht trug dem Arbeitsgericht die sachlichen Entscheidung auf. Wenn sich auch aus dem ASVG. und den Gesetzesmaterialien hiezu kein Anhaltspunkt dafür finden lasse, daß die Arbeitsgerichtsbarkeit für die in den §§ 332 bis 337 ASVG. geregelten Ansprüche auch weiterhin gegeben sei, so lasse sich doch auch nichts daraus entnehmen, was auf die Absicht des Gesetzgebers schließen lasse, den bisherigen Rechtszustand zu ändern und die Arbeitsgerichtsbarkeit auszuschließen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Es ist richtig, daß der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung JBl. 1956 S. 449 = ArbSlg. 6445 = ZVR. 1957 S. 116 dem Wortlaut des § 356 ASVG. folgte, wonach die ordentlichen Gerichte zur Entscheidung von Streitigkeiten aus Abschnitt IV des 5. Teiles des ASVG. berufen sind. Der arbeitsgerichtliche Senat vermag sich dieser Ansicht nicht anzuschließen. Das ASVG. regelt im 7. Teil das Verfahren in Leistungs- und Verwaltungssachen und grenzt diese Verfahrensart im § 352 Z. 1 ASVG. dahin ab, daß für die dort genannten Fälle die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gegeben ist. Dazu bestimmt es noch im § 356 unter der Überschrift "Zuständigkeit der Gerichte", daß für Streitigkeiten aus Abschnitt IV des 5. Teiles die ordentlichen Gerichte zuständig sind. Damit ist offensichtlich nur darauf verwiesen, daß solche den Gerichten vorbehaltene Streitigkeiten nicht in einem im 7. Teil des ASVG. geregelten schiedsgerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren zu erledigen sind. Der Zweck dieser Bestimmungen erschöpft sich daher in der Abgrenzung der im ASVG. selbst geregelten Verfahrensarten von der (ordentlichen) Gerichtsbarkeit. In Fragen der gerichtlichen Zuständigkeit soll dadurch aber in keiner Weise eingegriffen werden. Dies würde aber geschehen, wenn man dem in den §§ 352 und 356 ASVG. gebrauchten Ausdruck "ordentliche Gerichte" die Bedeutung beilegen wollte, daß der Gesetzgeber damit entgegen der bisherigen Regelung auch Zuständigkeitsverschiebungen innerhalb der Gerichtsorganisation herbeiführen wollte. Wenn auch die Arbeitsgerichte nicht zu den "ordentlichen Gerichten" im Sinne des § 1 JN. gehören, so sind doch Streitigkeiten darüber, vor welches Gericht eine Sache gehört, Zuständigkeitsstreitigkeiten und nicht Fragen der Zulässigkeit des Rechtsweges überhaupt, sodaß auch Zuständigkeitsverzweigungen und die Überweisung von Rechtssachen nach dem Vorschriften der ZPO. zwischen ordentlichen Gerichten und Arbeitsgerichten vorgesehen sind. Es kann nicht angenommen werden, daß durch das ASVG. als späteres Gesetz die Regelung des Arbeitsgerichtsgesetzes abgeändert werden sollte. Letzteres bleibt vielmehr alle Zuständigkeitsregelung innerhalb der Gerichte auch für die im ASVG. genannten Streitigkeiten weiterhin in Kraft, während das ASVG. nur die Abgrenzung der Gerichtsbarkeit von der ihm eigenen Verfahrensart vornimmt, worauf auch die Überschrift zu § 356 ASVG. "Zuständigkeit der Gerichte" hindeutet. § 356 ASVG. muß daher berichtigend dahin ausgelegt werden, daß zur Entscheidung der dort genannten Streitigkeiten die Gerichte zuständig sind.
Da die Schadenersatzansprüche des Verletzten aus einem Arbeitsunfall nach der Vorschrift des § 1 Abs. 1 Z. 2 ArbGerG. vor den Arbeitsgerichten geltend zu machen sind und nach Abs. 2 desselben Paragraphen die Zuständigkeit auch für Rechtsnachfolger gilt, ist die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes gegeben, weil der Sozialversicherungsträger nach § 332 ASVG. als Rechtsnachfolger anzusehen ist, der Ersatzanspruch im Umfang der erbrachten Leistungen auf ihn übergegangen ist.
Unter einem hat der Senat beschlossen, den eingangs angeführten Rechtssatz unter Nr. 49 neu in das Spruchrepertorium einzutragen.
Anmerkung
Z33001Schlagworte
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, Zuständigkeit der Gerichte nach, § 856 ASVG., Gericht Zuständigkeit nach § 356 ASVG., Zuständigkeit der Gerichte nach § 356 ASVG.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1957:0040OB00089.57.1015.000Dokumentnummer
JJT_19571015_OGH0002_0040OB00089_5700000_000