Norm
ABGB §§1325 ffKopf
SZ 31/15
Spruch
Einem Klagebegehren auf Rentenerhöhung wegen veränderter Umstände kann die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Sache nicht mit Erfolg entgegengesetzt werden.
Entscheidung vom 5. Februar 1958, 2 Ob 144/57.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Gatte der Klägerin kam bei einem Verkehrsunfall am 8. November 1939 ums Leben. Die Klägerin machte aus diesem Anlaß gegen den Erstbeklagten als Eigentümer und gegen den Zweitbeklagten als Lenker des Kraftwagens Ansprüche gemäß § 1327 ABGB. geltend. Mit dem rechtskräftigen Urteil vom 24. November 1941 wurde der klagenden Partei unter anderem eine wöchentliche Rente von 8.84 RM zuerkannt. In diesem Urteil, welches in seinem Spruch nur auf Leistung lautet und keinen Feststellungsausspruch über den Grund des Anspruches enthält, wurde in den Gründen angeführt, daß den Zweitbeklagten das alleinige Verschulden am Unfall treffe und ein Mitverschulden des Gatten der Klägerin nicht anzunehmen sei.
Mit der vorliegenden Klage begehrte die Klägerin an Stelle des ihr mit dem oberwähnten Urteil zugesprochenen einen höheren Rentenbetrag, und zwar mit Rücksicht auf die geänderten Verhältnisse.
Hinsichtlich des Zweitbeklagten erging ein Versäumungsurteil, welches rechtskräftig wurde.
Gegenüber der erstbeklagten Partei gab das Erstgericht dem Begehren der klagenden Partei, nachdem es die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Streitsache zurückgewiesen hatte, teilweise statt. Die Abweisung des Mehrbegehrens blieb von der klagenden Partei unbekämpft und ist daher in Rechtskraft erwachsen.
Das Berufungsgericht hob in Stattgebung der Berufung der erstbeklagten Partei das erstgerichtliche Urteil in seinem stattgebenden Teil und im Kostenausspruch auf und verwies die Sache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück. Gemäß § 519 Z. 3 ZPO. wurde ein Rechtskraftvorbehalt ausgesprochen. Es sei nicht richtig, daß hinsichtlich der von der erstbeklagten Partei erhobenen Einwendung eines Mitverschuldens des Getöteten Res judicata vorliege, so daß diese Frage noch zu erörtern sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung
Der Rekurs macht unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache nur in der Richtung geltend, daß die von der erstbeklagten Partei neuerlich erhobene Einrede des Mitverschuldens des Getöteten nach Ansicht des Berufungsgerichtes zu überprüfen sei.
Diese Ansicht ist aber nicht rechtsirrtümlich.
Die Rechtskraft der vorangegangenen Entscheidung vom 24. November 1941 wirkt nur hinsichtlich derjenigen Beträge, die dort geltend gemacht wurden und über die dort abgesprochen wurde. Die Gründe dieser Entscheidung, die Tatsachenfeststellungen und rechtlichen Beurteilungen sind bezüglich eines anderen als des dort behandelten Anspruches keiner Rechtskraft fähig (vgl. RiZ. 1936 S. 225, auch 2 Ob 197/55). Begehrt die klagende Partei wegen veränderter Umstände eine Rentenerhöhung, so ist über dieses Begehren, das einen ganz neuen Anspruch darstellt, bisher überhaupt noch nicht entschieden worden, und das Gericht kann und muß von neuem prüfen, ob überhaupt ein Anspruch zusteht. Die Untergerichte haben daher auch mit Recht die von der erstbeklagten Partei erhobene Einrede der rechtskräftig entschiedenen Streitsache hinsichtlich des nunmehr geltend gemachten Anspruches der klagenden Partei nicht für stichhältig erkannt.
Ebenso wie dem von der klagenden Partei mit ihrer vorliegenden Klage geltend gemachten Anspruch nicht die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Streitsache mit Erfolg entgegengesetzt werden kann (vgl. auch SZ. XXIV 252), kann dies aber auch nicht gegenüber der von der erstbeklagten Partei in diesem Verfahren erhobenen Einrede des Mitverschuldens des Getöteten mit Erfolg geschehen. Im Vorprozesse wurde in dem allein maßgebenden Spruch der Entscheidung nur über einen damaligen Leistungsanspruch der Klägerin abgesprochen, eine Feststellung über den Grund des Anspruches ist im Spruch der in Betracht kommenden Entscheidung nicht erfolgt. Eine Entscheidung über einen Leistungsanspruch kann aber nur Rechtskraft bezüglich dieses Leistungsanspruches begrunden, nicht auch bezüglich des ihm zugrunde liegenden Rechtes oder Rechtsverhältnisses, wenn auch notwendigerweise hierüber mitentschieden wurde. Will der Kläger oder der Beklagte weitere Streitigkeiten über das Bestehen oder Nichtbestehen dieses Rechtes oder Rechtsverhältnisses vermeiden, so steht es ihnen frei, einen Antrag im Sinne der §§ 236 bzw. 259 ZPO. zu stellen, was aber im gegenständlichen Vorprozesse nicht geschehen ist (vgl. Neumann, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, 4. Aufl. II S. 1175 zu § 411 ZPO.; auch RiZ. 1936 S. 195, ZBl. 1936 Nr. 401, 1 Ob 80/53, 2 Ob 197/55). Ein infolge Veränderung der Individualisierungsmomente entstandener neuer Rechtsanspruch wird folgerichtig von der Rechtskraft der Entscheidung über den ersten Anspruch nicht berührt, wobei die Rechtskraft im Zweifel eng auszulegen ist, da sie um der Rechtssicherheit willen sogar bisweilen im Gegensatz zur Gerechtigkeit steht und dieser Riß nicht ohne Not vergrößert werden darf (vgl. Pollak, System des österreichischen Zivilprozeßrechtes, 2. Aufl. II Seite 538 f.).
Wenn in dem der Entscheidung SZ. XXIV 252 zugrunde liegenden Fall der beklagten Partei gegen den neuen Anspruch nur Einwendungen hinsichtlich der Höhe und Dauer dieses Anspruches, aber nicht gegen den Grund zugebilligt werden, so ist damit für die klagende Partei nichts gewonnen. Denn dort lag im Vorprozesse - im Gegensatz zum vorliegenden Fall - ein rechtskräftiger reiner Feststellungsausspruch über den Grund des Anspruches vor.
Es ergibt sich somit, daß im vorliegenden Fall die bloß über das Leistungsbegehren erfolgte Entscheidung im Vorprozesse nur Rechtskraft bezüglich des damals gestellten Leistungsbegehrens, nicht aber hinsichtlich des diesem Leistungsbegehren zugrunde liegenden Rechtes oder Rechtsverhältnisses begrunden konnte, weil eine Entscheidung darüber, ob dieses Recht oder Rechtsverhältnis zu Recht bestehe, mangels eines bezüglichen Antrages der Parteien gemäß §§ 236 bzw. 259 ZPO. im Vorprozesse nicht ergangen ist. Die Heranziehung der Urteilsgrunde kann nur zur Klarstellung eines Spruches erfolgen, aber nicht einen hinsichtlich des dem Anspruch zugrunde liegenden Rechtes oder Rechtsverhältnisses überhaupt nicht ergangenen Spruch ersetzen.
Anmerkung
Z31015Schlagworte
Einrede der Rechtskraft, Rentenerhöhung, Erhöhung einer Rente, Einrede der Rechtskraft, Rechtskraft, Einrede, Rentenerhöhung, Rentenerhöhung, Einrede der Rechtskraft, Res iudicata, Einrede bei RentenerhöhungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1958:0020OB00144.57.0205.000Dokumentnummer
JJT_19580205_OGH0002_0020OB00144_5700000_000