TE OGH 1958/2/25 4Ob67/57

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Veröffentlicht am 25.02.1958
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Norm

Gewerbeordnung §§97 ff

Kopf

SZ 31/28

Spruch

Auch in einem gemischten Konditorei- und Kaffeehausbetrieb können Lehrlinge des Gast- und Schankgewerbes ausgebildet werden.

Entscheidung vom 25. Februar 1958, 4 Ob 67/57.

I. Instanz: Arbeitsgericht Graz; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Die Klägerin war ab 15. September 1954 auf Grund eines für die Dauer von drei Jahren geschlossenen Lehrvertrages für gastgewerbliche Lehrlinge beim Beklagten als Servierlehrling aufgenommen und bis 16. Mai 1956 bei ihm beschäftigt. Der Beklagte betreibt eine Konditorei und im gleichen Betrieb ein Espressocafe. Er gehört der Bundesinnung für Zuckerbäcker und dem Fachverband der Gast- und Schankbetriebe der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft an. Von den Berechtigungen des § 16 GewO. besitzt er die nach lit. d und f, das ist Ausschank und Kleinverschleiß von gebrannten geistigen Getränken und Verabreichung und Verkauf von warmen Getränken und Erfrischungen. Die Klägerin bringt vor, das Lehrverhältnis sei von ihrem gesetzlichen Vertreter deswegen vorzeitig gelöst worden, weil dieser in Erfahrung gebracht habe, daß der Beruf einer Serviererin kein Lehrberuf sei, das Lehrverhältnis demnach als ungesetzlich betrachtet werden müsse. Sie begehrt nun die Differenz auf den kollektivvertraglichen Lohn einer Serviererin und Ladnerin nach dem Kollektivvertrag für das Zuckerbäckergewerbe vom 15. Mai 1952, ferner Urlaubsentschädigung, Urlaubsabfindung und Wohnungsbeihilfe, weil sie die Tätigkeit einer Serviererin und Ladnerin tatsächlich ausgeübt habe und nicht die eines Lehrlings laut Lehrvertrag, wobei der Beruf einer Serviererin überhaupt kein Lehrberuf sei und der Beklagte nicht die nötigen Fachkenntnisse und Einrichtungen besitze, um ihr die erforderlichen praktischen Kenntnisse und Erfahrungen zur Ausbildung des Kellnerberufes zu vermitteln. Durch die bloße Zahlung einer Lehrlingsentschädigung habe sich der Beklagte bereichert.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, wobei es zu dem Ergebnis gelangte, daß die Klägerin überwiegend im Konditoreibetrieb des Beklagten tätig gewesen sei und dort die Tätigkeit einer Ladnerin oder Serviererin ausgeübt habe. Durch die Verwendung der Klägerin für Zwecke, die durch den abgeschlossenen Lehrvertrag nicht gedeckt seien, habe sich der Beklagte auf Kosten der Klägerin bereichert und sich einen anderen Arbeiter im Ausmaße der von der Klägerin im Konditorgewerbe erbrachten Leistungen erspart, weshalb das Klagebegehren begrundet sei.

Der dagegen seitens des Beklagten erhobenen Berufung wurde Folge gegeben und das Ersturteil dahin abgeändert, daß das Klagebegehren abgewiesen wurde. Das Berufungsgericht führte aus, die Klägerin sei als gastgewerblicher Servierlehrling aufgenommen worden. Der Beklagte besitze die persönlichen Berechtigungen für das Gast- und Schankgewerbe, und zwar nach § 16 lit. d und f GewO., wobei dieselben in seinem gemischten Konditorei- und Kaffeehausbetrieb tatsächlich ausgeübt wurden. Die Klägerin sei in erster Linie zu den mit dem Kaffeehausbetrieb verbundenen Tätigkeiten herangezogen worden und daneben auch zu Tätigkeiten im reinen Konditoreibetrieb durch Verkauf von Konditoreiwaren, ohne die Herstellung von Zuckerbäckerwaren zu lernen. Damit habe die Klägerin im wesentlichen die Tätigkeit ausgeübt, die dem im Lehrvertrag vereinbarten Ausbildungszweck entsprach. Sie sei vorwiegend im Gast- und Schankgewerbebetrieb des Beklagten als Servierlehrling, was mit einem Kellnerlehrling gleichbedeutend sei, verwendet worden, wobei die daneben ausgeübte Verkaufstätigkeit im Zuckerbäckereibetrieb für die gastgewerbliche Ausbildung auch nicht ausgesprochen betriebsfremd war. Der Ausbildungsgang bringe es mit sich, daß ein Lehrling im Laufe der Zeit nahezu dieselben Tätigkeiten zu verrichten vermöge wie eine gelernte oder ungelernte Hilfskraft im selben Betrieb, die kollektivvertraglich zu entlohnen sei. Dennoch erhalte der Lehrling nur eine Lehrlingsentschädigung, wodurch der Lehrherr nicht etwa bereichert sei. Vielmehr stehe ein Lehrling unter besonderen Kündigungsschutzbestimmungen gegenüber den nicht im Lehrverhältnis stehenden Beschäftigten und habe nach Beendigung der Lehrzeit als gelernte Kraft bedeutend günstigere Berufsaussichten gegenüber Arbeitskräften ohne Lehrzeit. So habe die Klägerin als Lehrling unbestrittenermaßen zur weiteren Ausbildung im ersten Lehrjahr durch sechs Wochen eine Berufsschule in G. besucht. Die bedeutend günstigeren Berufsaussichten seien schon aus der Verordnung vom 3. Mai 1955 über den Befähigungsnachweis für bestimmte Gast- und Schankgewerbe, BGBl. Nr. 109, ersichtlich.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Da die von der Klägerin aufgestellte Behauptung eines zwischen den Streitteilen angeblich nur zum Schein abgeschlossenen Lehrvertrages, woraus die Nichtigkeit des Vertrages wegen Sittenwidrigkeit und die Anwendung der kollektivvertraglichen Bestimmungen abgeleitet wird, jedenfalls dann widerlegt erscheint, wenn sowohl der Vertragsinhalt als auch die seitens der Klägerin tatsächlich verrichtete Tätigkeit den Bestimmungen der §§ 97 ff. GewO. entsprochen hat, ist für den Rechtsbestand des Klageanspruches vor allem maßgebend, ob durch den Abschluß und die tatsächliche Ausübung des Lehrverhältnisses gesetzliche Bestimmungen verletzt wurden. Hiezu steht fest, daß der Beklagte die erforderlichen Fachkenntnisse, welche ihn zur Ausbildung von Lehrlingen befähigen, besitzt und daß er die ihm zustehenden Berechtigungen für das Gast- und Schankgewerbe nach § 16 lit. d und f GewO. in Form eines gemischten Konditorei- und Kaffeehausbetriebes tatsächlich ausübt. Es muß daher davon ausgegangen werden, daß er nach der Einrichtung und Art seiner Betriebsausübung auch in der Lage ist, allen Erfordernissen in Betreff der Ausbildung von gastgewerblichen Lehrlingen nachzukommen (§ 98 GewO.). Die Auffassung, daß ein gemischter Konditorei- und Kaffeehausbetrieb zur Ausbildung von Lehrlingen des Gast- und Schankgewerbes nicht geeignet sei, findet im Gesetz, so auch in der nach Begründung des Lehrverhältnisses in Kraft getretenen Verordnung vom 3. Mai 1955, BGBl. Nr. 109, keine Deckung, da § 2c der zitierten Verordnung lediglich besagt, daß Konzessionen für bestimmte Gast- und Schankgewerbe nur nach Erbringung eines besonderen Befähigungsnachweises, unter anderem durch Zeugnisse über die ordnungsmäßige Beendigung eines Lehrverhältnisses in einem Gast- und Schankgewerbe und eine nachfolgende Dienstzeit in einem solchen Gewerbe, verliehen werden, wobei die gesamte Beschäftigungszeit mindestens fünf Jahre betragen muß, wovon zwei Jahre in einem Gast- und Schankgewerbebetrieb zurückgelegt worden sein müssen, in dem Speisen verabreicht und Bier und Wein ausgeschenkt worden sind. Da weiters feststeht, daß die Klägerin nach dem Lehrvertrag als Serviererin, was mit Kellnerin gleichbedeutend ist, ausgebildet werden sollte und tatsächlich in erster Linie zum Servieren von Kaffee, Konditoreiwaren und Eis, zur Bedienung der Espressomaschine, zur Bereitung von Erfrischungsgetränken, zum Ausschenken von Likör und Schnaps nach vorheriger Unterweisung verwendet worden ist, und zwar vorwiegend zu Tätigkeiten, die mit dem Kaffeehausbetrieb verbunden waren, wobei sie nur fallweise, wenn die beiden anderen Angestellten gerade beschäftigt waren, auch Tätigkeiten im reinen Konditoreibetrieb, so den Verkauf von Konditorwaren, versehen hat, ist die Auffassung des Berufungsgerichtes zutreffend, daß die von ihr ausgeübte Tätigkeit im wesentlichen dem im Lehrvertrag vereinbarten Ausbildungszweck entsprach. Auch der Umstand, daß die Klägerin die vom Beklagten in dessen Konditoreibetrieb erzeugte Konditorware sowohl in der Konditorei als auch im Kaffeehaus den dort konsumierenden Gästen serviert hat, widerspricht nicht dem vereinbarten Ausbildungszweck, da es nicht darauf ankommt, ob sie einzelne ihrer Tätigkeiten auch im Rahmen des Konditoreibetriebes des Beklagten hätte ausüben können, sondern nur darauf, daß die von ihr verrichteten Arbeiten solche waren, die von einem gastgewerblichen Lehrling verlangt werden konnten und in welchen der Beklagte die Klägerin zu unterweisen verpflichtet war (§ 99 Abs. 3 Z. 5 GewO.). Daß die Klägerin vorerst nur zu Hilfstätigkeiten, wie Reinigen von Geschirr, Gläsern u. dgl. und sonstigen Reinigungsdiensten, herangezogen wurde, liegt in dem bei Lehrverhältnissen üblichen Ausbildungsgang. Schließlich bedeutet auch die festgestellte, nur fallweise Verwendung der Klägerin zu Zustellungen von Konditoreiware an Kunden keine Verletzung der vom Beklagten übernommenen Pflichten, da diese nur ausnahmsweisen Nebenleistungen keinesfalls geeignet waren, der Klägerin die zu ihrer Ausbildung erforderliche Zeit und Gelegenheit zu entziehen (§ 100 Abs. 1 GewO., § 3 Z. 6 des Lehrvertrages). Das gleiche gilt von der nur fallweise ausgeübten Verkaufstätigkeit der Klägerin im Konditoreilokal. Da demnach eine Verletzung der für die Begründung von Lehrverhältnissen maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen durch den Beklagten nicht hervorgekommen ist und auch nach der von der Klägerin tatsächlich ausgeübten Tätigkeit von einem sittenwidrig nur zum Schein abgeschlossenen Lehrvertrag nicht gesprochen werden kann, erscheint dem Klagebegehren auf Zahlung der Differenz auf den kollektivvertraglichen Lohn schon aus rechtlichen Gründen jeder Boden entzogen. Überdies ergibt sich aus dem eigenen Vorbringen der Klägerin, daß das Lehrverhältnis seitens ihres gesetzlichen Vertreters ohne wichtigen Grund gelöst wurde, so daß ihr gemäß § 6 des Lehrvertrages ein Anspruch auf Urlaub und Urlaubsabfindung nicht zusteht. Weiters ist die Klägerin zufolge Vorliegens der Voraussetzung des § 4 Abs. 1 Z. 1 des Gesetzes vom 21. September 1951, BGBl. Nr. 229, vom Bezug der Wohnungsbeihilfe ausgeschlossen.

Anmerkung

Z31028

Schlagworte

Gast- und Schankgewerbe, Lehrvertrag, Gemischter Konditorei- und Kaffeehausbetrieb, Lehrvertrag, Kaffeehausbetrieb, gemischter, Lehrvertrag, Konditoreibetrieb, gemischter, Lehrvertrag, Lehrvertrag, gemischter Konditorei- und Kaffeehausbetrieb

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1958:0040OB00067.57.0225.000

Dokumentnummer

JJT_19580225_OGH0002_0040OB00067_5700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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