TE OGH 1958/3/5 2Ob10/58

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Veröffentlicht am 05.03.1958
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Norm

ABGB §§390 ff
JN §1

Kopf

SZ 31/36

Spruch

Unzulässigkeit des Rechtsweges für das Begehren des Finders auf Herausgabe der gefundenen Sache zur Benützung nach § 392 ABGB. und für das Herausgabebegehren des Eigentümers der Sache nach § 391 ABGB. Selbst in dem Falle des gerichtlichen Erlages des Fundgegenstandes oder des aus seiner Feilbietung erzielten Erlöses steht die Verfügung hierüber nur der Ortsobrigkeit zu.

Entscheidung vom 5. März 1958, 2 Ob 10/58.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Der Kläger erstattete am 18. Jänner 1955 bei einem Kriminalbeamten des Bundespolizeikommissariats S. die Anzeige, daß ihm kurz vorher sein Damenfahrrad Marke Diamant, welches er unversperrt neben der Tür des Arbeitsamtes S. abgestellt hatte, von unbekannten Tätern entwendet worden sei. Auf Grund seiner weiteren Mitteilung, daß er vor dem Arbeitsamt ein Herrenfahrrad gleicher Marke wahrgenommen habe, wurde dieses - da sich kein Eigentümer meldete und der Verdacht Bestand, daß es von einem Diebstahl herrühren könnte - sichergestellt und nach vergeblicher Nachforschung und Ausschreibung mit der Anzeige dem staatsanwaltschaftlichen Funktionär des Bezirksgerichtes Schwechat übermittelt auf dessen Antrag die Abbrechung des Verfahrens gemäß § 412 StPO, erfolgte.

Der Kläger schloß sich zunächst dem Strafverfahren gegen unbekannte Täter als Privatbeteiligter an und ersuchte um Ausfolgung des Fahrrades; sein Antrag wurde vom Bezirksgericht Schwechat mit der Begründung zurückgewiesen, daß dieses Fahrrad nicht sein Eigentum sei. Darauf beantragte der Kläger die Herausgabe des Rades gemäß § 392 ABGB., da er der Finder sei und es binnen Jahresfrist von niemandem angesprochen worden sei. Auch dieser Antrag wurde vom Bezirksgericht Schwechat zurückgewiesen, weil der Kläger nicht Finder sei, sondern das Fahrrad auf Grund seiner Anzeige sichergestellt und als bedenkliches Gut bei Gericht deponiert worden sei. Es könne nicht davon gesprochen werden, daß der Eigentümer das Rad verloren oder vergessen habe; außerdem habe es sich an einer zu den Amtsräumen gehörigen Örtlichkeit befunden; auf Funde an solchen Örtlichkeiten seien aber die Vorschriften über das Finden nicht anzuwenden.

Das Landesgericht für Strafsachen Wien wies die Beschwerde des Klägers als unzulässig zurück, sprach aber aus, daß es ihm unbenommen bleibe, im Zivilrechtswege eine Klage gegen die Republik Österreich zu erheben, falls er sich als Finder betrachte.

Diese Klage hat der Kläger nun eingebracht; er begehrt darin die Herausgabe des Fahrrades. Für den Fall der Richtigkeit der Einwendung der beklagten Partei, das Fahrrad sei am 26. November 1956 in öffentlicher Versteigerung veräußert worden, änderte er sein Begehren dahin, daß die beklagte Partei schuldig sei, ihm ein Herrenfahrrad gleicher Art und Type wie das beim Bezirksgericht Schwechat deponierte zur Benützung zu beschaffen.

Das Erstgericht ließ das Eventualbegehren unangefochten zu, wies aber das Klagebegehren mit folgender Begründung zurück:

Handle es sich um einen Fund im Sinne der Vorschriften über die Behandlung von Fundgegenständen, so sei der Rechtsweg unzulässig, da der Kläger seinen vermeintlichen Benützungsanspruch bei den zur Verwahrung von Funden bestimmten Verwaltungsbehörden durchsetzen müsse. Einen Anspruch als Privatbeteiligter im Strafverfahren gegen unbekannte Täter hingegen könne er nur im Strafverfahren geltend machen. Glaube er aber durch ein schuldhaftes Verhalten eines Organes der beklagten Partei geschädigt worden zu sein, so müsse er nach dem Amtshaftungsgesetz vorgehen. Es könne dahingestellt bleiben, ob sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes oder Unzulässigkeit des Rechtsweges vorliege, jedenfalls sei die Klage zurückzuweisen.

Mit dem angefochtenen Beschluß wurde dem Rekurse des Klägers gegen die Zurückweisung seiner Klage Folge gegeben und dem Erstgericht eine Sachentscheidung aufgetragen. Das Rekursgericht lehnte die Ansicht des Erstrichters, daß die Verwaltungsbehörden zuständig seien, ab. Das Bezirksgericht Schwechat sei Verwahrer des Fahrrades gewesen, und daraus leite sich die Passivlegitimation der beklagten Partei ab. Es handle sich um eine Klage gegen den Bund in seiner Eigenschaft als Träger von Vermögensrechten und nicht um einen in den Bereich der Hoheitsverwaltung fallenden Anspruch, daher sei der Rechtsweg nicht ausgeschlossen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beklagten Partei Folge und stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsweges und der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ist zunächst von den Klageangaben auszugehen, nach welchen der Kläger seinen Anspruch auf die Behauptung stützt, er sei der Finder des Fahrrades. Die Richtigkeit dieser Behauptung vorausgesetzt, hätte er gemäß § 389 ABGB. den Vorfall der Ortsobrigkeit anzuzeigen gehabt. Diese Anzeige könnte in seiner Mitteilung an den Kriminalbeamten erblickt werden, zumal als Ortsobrigkeit für S. die zuständige Bundespolizeibehörde einzuschreiten hat (vgl. § 15 des Erlasses des BM. f. Inneres vom 10. Dezember 1950, abgedruckt bei Liehr - Markovics, das österreichische Polizeirecht, I S. 86).

Der weitere Vorgang ergibt sich sodann aus § 390 ABGB. Die Ortsobrigkeit hat den Fund in den öffentlichen Blättern bekanntzumachen und hierauf zu entscheiden, ob die gefundene Sache ohne Gefahr in den Händen des Finders gelassen oder ob sie - allenfalls der Erlös - gerichtlich hinterlegt oder einem Dritten zur Verwahrung übergeben wird.

Hinsichtlich der in den §§ 391 und 392 ABGB. vorgesehenen Herausgabe der gefundenen Sache an den sein Recht gehörig dartuenden Inhaber oder Eigentümer oder nach Jahresfrist an den Finder, ist zwar nicht ausdrücklich bestimmt, daß auch diese durch die Ortsobrigkeit zu verfügen ist; es kann aber hierüber kein Zweifel bestehen, da ja eine andere Behörde damit überhaupt nicht befaßt ist und auch gar nicht befaßt sein kann. Selbst in dem Falle des gerichtlichen Erlages des Fundgegenstandes oder des aus seiner Feilbietung erzielten Erlöses steht die Verfügung hierüber der Ortsobrigkeit zu, da dem Gericht nur die gleiche Stellung wie dem im § 390 ABGB. gleichfalls genannten Verwahrer zukommt. Mit Recht bemerkt daher Klang 2. Aufl. II 264, daß sich für die in der Entscheidung GlU. 1716 vertretene Ansicht, über Art und Maß der dem Finder zustehenden Nutzung könne nur im ordentlichen Rechtswege entschieden werden, im Gesetz kein Anhaltspunkt finden lasse.

Die Herausgabe an den Finder hat gegen Empfangsbestätigung zu geschehen, und es ist hierüber ein Aktenvermerk nach § 16 AVG. zu errichten (vgl. den Erlaß des BKA. vom 22. August 1950, Liehr - Markovics a. a. O. II/1 S. 116 oben).

Der Kläger kann daher die von ihm behaupteten Ansprüche als Finder nur gegenüber der Ortsobrigkeit, somit einer Verwaltungsbehörde, im Verwaltungswege geltend machen.

Zweifellos ist der Vollzug dieser Aufgaben der Ortsobrigkeit ein Pakt der Hoheitsverwaltung, da der Finder kraft der angeführten gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet ist, den Fundgegenstand bei der Ortsobrigkeit abzugeben, und ihr die Entscheidung über dessen weitere Behandlung obliegt.

Ob das Bezirksgericht Schwechat Verwahrer im Sinne des § 390 ABGB. war, wie das Rekursgericht anscheinend meint, oder ob ihm das Fahrrad als Strafgericht gemäß §§ 98 und 143 StPO. übergeben wurde und es in dieser Funktion gemäß §§ 367 ff. StPO. darüber verfügt hat oder verfügen hätte sollen, ist unentscheidend. Im ersten Falle stunde dem Kläger kein Herausgabeanspruch zu, da er nicht Hinterleger ist und gegen das Bezirksgericht Schwechat und damit gegen die Republik Österreich keine Rechte aus einem Verwahrungsvertrag hat. Es ist daher die Ansicht des Rekursgerichtes, die Republik Österreich werde als Trägerin von Vermögensrechten in Anspruch genommen, unrichtig. Im anderen Falle hätte der Kläger deshalb keinen Herausgabeanspruch, weil er hinsichtlich dieses Fahrrades nicht als Geschädigter in Betracht kommt und solche Ansprüche auch gar nicht behauptet.

Die von ihm erhobenen Ansprüche als Finder richten sich somit nur gegen die Ortsobrigkeit und müssen im Verwaltungswege oder, wenn der Kläger einen Schaden zufolge rechtswidriger schuldhafter Handlung dieser Obrigkeit behauptet, im Wege der Amtshaftung verfochten werden.

Das Erstgericht hat daher die Klage mit Recht wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges, für den Fall als der Kläger das Aufforderungsverfahren nach § 8 AHG. schon durchgeführt haben sollte, wegen sachlicher Unzuständigkeit zurückgewiesen.

Anmerkung

Z31036

Schlagworte

Fundgegenstände, Herausgabe, Zulässigkeit des Rechtsweges, Gefundene Sachen, Herausgabe, Zulässigkeit des Rechtsweges, Herausgabe von Fundgegenständen, Zulässigkeit des Rechtsweges, Rechtsweg Zulässigkeit, Verfügung über Fundgegenstände, Zulässigkeit des Rechtsweges, Herausgabe von Fundgegenständen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1958:0020OB00010.58.0305.000

Dokumentnummer

JJT_19580305_OGH0002_0020OB00010_5800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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