TE OGH 1958/3/12 1Ob571/57f

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Veröffentlicht am 12.03.1958
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Norm

ABGB §879 Abs1
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §98

Kopf

SZ 31/40

Spruch

Ungültigkeit der Vereinbarung, mit der die zweite Frau eines Angestellten zugunsten seiner geschiedenen ersten Gattin auf die ihr künftig anfallende Witwenrente verzichtet.

Entscheidung vom 12. März 1958, 1 Ob 571/57.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Klägerin hat am 15. Oktober 1907 mit Leopold A. nach römischkatholischem Ritus die Ehe geschlossen. Die Ehe wurde am 5. August 1921 durch das Bezirksgericht Baden von Tisch und Bett geschieden (Nc V 477/21). Seit 1926 lebte Leopold A. mit der Beklagten im gemeinsamen Haushalt und strebte eine Eheschließung mit ihr an. Er beantragte und erlangte zur Zl. Mag. Abt. 50/I-1709/32 des Amtes der Wiener Landesregierung die Nachsicht vom Ehehindernis des Ehebandes, nachdem die Klägerin am 29. April 1932 zu Protokoll erklärt hatte, daß sie hiemit einverstanden sei und daß Leopold A. die vereinbarten Alimente pünktlich bezahle. Dieser Äußerung der Klägerin ging die schriftliche Erklärung der Beklagten vom 27. April 1932 voraus, daß sie auf eine nach Leopold A. eventuell verbleibende Pension keinen Anspruch erhebe, sondern zugunsten der Klägerin hierauf verzichte. Sodann ehelichte Leopold A. am 27. Juni 1932 die Beklagte. Leopold A. ist am 19. Dezember 1953 gestorben. Die Beklagte bezieht nach ihm seit 1. Jänner 1954 von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten eine Witwenrente von monatlich 462 S 20 g plus 30 S Wohnungsbeihilfe, während der Klägerin aus Billigkeitsgrunden von derselben Anstalt eine Witwenrente von 50 S, ab 1. Jänner 1956 von 70 S zuerkannt wurde. Gemäß der Auskunft der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten vom 6. Juni 1957 hat sich ab 1. Jänner 1957 die Rente der Beklagten auf 569 S 30 g zuzüglich 30 S Wohnungsbeihilfe erhöht und erhält die Klägerin eine solche von 270 S.

Die Klägerin begehrte zunächst das Urteil, die Beklagte schuldig zu erkennen:

1. über die von der Angestelltenversicherungsanstalt Wien vom 1. Jänner 1954 angefangen bis zur Rechtskraft dieses Urteiles erhaltenen Hinterbliebenenbezüge nach Leopold A. Rechnung zu legen,

2. die erhaltenen Rentenbeträge, vermindert um einen Betrag von 50 S monatlichen herauszugeben,

3. die der Beklagten gegen die Angestelltenversicherungsanstalt zustehenden Ansprüche auf eine Hinterbliebenenrente, soweit sie den Betrag von 50 S monatlich übersteigen, der Klägerin abzutreten. Sie änderte sodann - nach Inkrafttreten des ASVG. - ihr Urteilsbegehren zu 3. dahin ab, daß die Beklagte schuldig erkannt werden solle, vom Tage der Rechtskraft des Urteiles angefangen am 15. eines jeden Monats einen Betrag von je 500 S monatlich der Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens, indem sie geltend machte, sie habe die Erklärung unter Zwang abgegeben, weil die Klägerin ihre Zustimmung zur Dispenserteilung von der Abgabe dieser Erklärung abhängig gemacht habe. Die Verzichtserklärung widerspreche deshalb auch den guten Sitten. Überdies wendete sie die Unzulässigkeit des Rechtsweges ein.

Das Erstgericht wies alle drei Begehren mit der wesentlichen Begründung ab, die Erklärung vom 27. April 1932, die gemäß § 915 ABGB. einschränkend auszulegen sei, enthalte zwar einen Verzicht auf die Rente, nicht aber eine Verpflichtung zu ihrer Herausgabe. Dazu komme auch noch, daß das ASVG. die Übertragung, Verpfändung und Pfändung eines Rentenanspruches nur in bestimmten Fällen für zulässig erkläre (§ 98 l. c.). Die Klägerin habe eine Behauptung, daß der Versicherungsträger ihrem Anspruch zugestimmt habe, niemals aufgestellt und die Klage auch nicht darauf gestützt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß es der Klägerin unter 1. seines Spruches (für die Zeit vom 1. Jänner 1954 bis 31. Dezember 1956) 14.959 S 20 g und ab 1. Jänner 1957 monatlich 320 S 20 g zusprach. Abgewiesen blieben zu 2. der berufungsgerichtlichen Entscheidung das Rechnungslegungsbegehren und das Zahlungsbegehren, "soweit diesem Begehren nicht unter 1. Folge gegeben wurde". In rechtlicher Beziehung führte das Berufungsgericht aus, § 915 ABGB. sei bei der Auslegung des Verzichts nicht heranzuziehen, weil es sich nicht um eine einseitig verbindliche Erklärung handle. Nach § 914 ABGB. könne aber die Erklärung der Beklagten nur dahin verstanden werden, daß die an der Scheidung schuldlose Klägerin nach dem Willen der Parteien keine Einbuße an ihrem Witwenpensionsrecht erleiden solle. Der Anspruch der Klägerin sei daher begrundet. Die Bestimmung des § 98 ASVG. sei nur insoweit von Bedeutung, als ihr die Klägerin durch ihre Klageänderung bereits Rechnung getragen habe. Dem geänderten Begehren stehe sie nicht entgegen, da die Klage auf Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung zur Herausgabe von Geldbeträgen der Zustimmung des Versicherungsträgers auch dann nicht bedürfe, wenn diese Beträge der Beklagten aus Rentenleistungen zugeflossen seien.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Folge und stellte das Urteil des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß in Fällen wie dem vorliegenden nicht ein einseitig verbindlicher Vertrag vorliege, so daß § 915 Satz 1 ABGB. unanwendbar bleibe, ist zutreffend. Dies wurde bereits in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes EvBl. 1953 Nr. 482 dargelegt. Die vom Berufungsgericht der Vereinbarung gegebene Auslegung ist daher an sich richtig. Dennoch muß das Klagebegehren aus folgenden rechtlichen Erwägungen erfolglos bleiben:

Der wirtschaftliche Erfolg, den die Parteien durch die Vereinbarung erreichen wollten, war der, daß die Klägerin keine Einbuße an ihrer vor der Scheidung entstandenen Anwartschaft auf Witwenpension erleiden sollte, daß ihr vielmehr die Beklagte die ihr seinerzeit zustehende Witwenpension überlassen oder sonst zukommen lassen werde, was im Ergebnis auf nichts anderes als auf eine Abtretung des Anspruches auf Witwenrente hinausläuft. Dafür, daß die Beklagte aus anderen Mitteln, etwa aus eigenem Vermögen, der Klägerin eine Leistung in der Höhe der künftigen Witwenpension zuwenden wollte, fehlt jeder Anhaltspunkt; derartiges ist nie behauptet, geschweige denn festgestellt worden. Ob die Klägerin nunmehr die Abtretung der Witwenrente oder die Herausgabe der der Beklagten jeweils als Witwenrente zugekommenen Beträge oder Zahlung in dieser Höhe verlangt, ist aber wegen der völlig gleichen wirtschaftlichen Auswirkung gleichgültig. Schon nach dem zur Zeit der Vereinbarung im Jahre 1932 geltenden AngVersG. 1928 konnten aber Anwartschaften und Ansprüche nach diesem Gesetz, die auf einer Bemessungsgrundlage von höchstens 400 S beruhten, nur in bestimmten - hier nicht in Betracht kommenden - Fällen übertragen und gepfändet werden (§ 42 l. c.). Zur Zeit des Todes des Leopold A., als die Vereinbarung wirksam werden sollte, galt die RVO. Ihr zufolge konnten die Ansprüche des Berechtigten mit rechtlicher Wirkung ebenfalls nur in bestimmten, hier wieder nicht in Betracht kommenden Fällen oder ausnahmsweise mit der - nicht vorliegenden - Genehmigung des Versicherungsamts übertragen werden (§ 119 l. c.). Auch § 98 des nunmehr geltenden ASVG. läßt die Übertragung der Ansprüche auf Geldleistungen aus der Sozialversicherung nur unter bestimmten - abermals nicht gegebenen - Voraussetzungen zu. Aus dieser Gesetzeslage während des ganzen in Betracht kommenden Zeitraums ergibt sich, daß die Vereinbarung den zur Zeit ihres Abschlusses, ihres beabsichtigten Wirksamwerdens und auch den derzeit geltenden Gesetzen widerstreitet, daß sie also gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Auf die inzwischen aufgegebene Grenze in der Bemessungsgrundlage von 400 S kann es dabei nicht ankommen, weil jedenfalls auch schon das AngVersG. grundsätzlich die Abtretung von Versicherungsansprüchen hintanhalten wollte und eine ähnliche Grenze heute nicht mehr besteht und sich auch nicht ziehen läßt. Da der Zweck dieser weitgehenden Beschränkung und der dann schon zur Zeit des Wirksamwerdens der Vereinbarung bestehenden vorbehaltslosen Verbote darin geht, dem Versicherten die Sozialversicherungsleistung ungeschmälert zugute kommen zu lassen, muß eine dagegen verstoßende Vereinbarung - wie sie hier vorliegt - als ungültig angesehen werden (§ 879 ABGB.). Der geltend gemachte Anspruch kann daher auf sie nicht gegrundet werden.

Anmerkung

Z31040

Schlagworte

Abtretung der künftigen Witwenrente, verbotene Vereinbarung, Nichtigkeit eines Verzichtes auf künftige Witwenrente, Pension, Verzicht im voraus ist nichtig, Ungültigkeit des Verzichtes auf die künftige Witwenrente, Verzicht auf künftige Witwenrente, nichtige Vereinbarung, Witwenrente, Verzicht im voraus ist nichtig

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1958:0010OB00571.57.0312.000

Dokumentnummer

JJT_19580312_OGH0002_0010OB00571_5700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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