Norm
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9Kopf
SZ 31/68
Spruch
§ 9 UWG. verlangt nicht Verkehrsgeltung in allen beteiligten Kreisen.
Zu den besonderen Umständen des Falles nach § 16 Abs. 2 UWG.
Entscheidung vom 30. April 1958, 1 Ob 115/58.
I. Instanz; Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Die klagende Partei brachte in ihrer am 23. August 1954 eingebrachten Klage vor, sie vertreibe seit Jahren Teepackungen und bringe seit 1937 unter anderem zwei Teepackungen auf den Markt, und zwar 1. "Goldspitzen TEE" in einem steifen Karton, Aluminiumfolienpackung im Ausmaße von 75 x 41 x 31 mm, enthaltend 20 Gramm netto, mit einer über die ganze Packung verlaufenden Schleife grün mit Goldrand und Schwarz- und Golddruck, unter der Bezeichnung "Goldspitzentee";
2. "British Blend" in einem steifen Karton, Aluminiumfolienpackung im Ausmaße von 75 x 41 x 31 mm, enthaltend 20 Gramm netto, mit einer über die ganze Packung verlaufenden Schleife rot mit Goldrand und Schwarz- und Golddruck, unter der Bezeichnung "British-Blend".
Die von der Klägerin hergestellten und vertriebenen Teepackungen seien in Groß- und Kleinhändler- sowie Konsumentenkreisen ein Begriff geworden und hätten Verkehrsgeltung erlangt. Kurze Zeit vor Klagseinbringung, und zwar im Mai 1954, habe nun die beklagte Partei zwei Teepackungen, die sie als "Goldspitzen Melange" und "English Blend" bezeichne, in täuschend ähnlicher Aufmachung wie die der Klägerin auf den Markt gebracht. Die Packungen seien gleich groß wie die der Klägerin und hätten dasselbe Abfüllgewicht; die Goldspitzenteepackung sei mit einer grünen Schleife mit Goldrand, schwarz und gold bedruckt, die English Blend-Packung mit einer roten Schleife mit Goldrand, schwarz und gold bedruckt, versehen. Der allgemeine Eindruck dieser Teepackungen gleiche insbesondere mit Rücksicht auf die gleichen Farbschleifen und den Golddruck den seit langer Zeit eingeführten Teepackungen der Klägerin. Die beklagte Partei habe sich, da eine Verwechslung sowohl bei Händlern wie auch bei Konsumenten leicht möglich sei, offenkundig die gute Einführung der Teepackungen der Klägerin durch deren täuschende Nachahmung in unlauterer Weise zunutze machen wollen. Dafür spreche auch die Ähnlichkeit der Bezeichnungen. Das Vorgehen der Beklagten stehe vermutlich auch damit im Zusammenhang, daß der bisherige Vertreter der klagenden Partei Alois M., der bei ihrer Kundschaft bestens eingeführt gewesen sei, seit einigen Wochen für die beklagte Partei arbeite. Unmittelbar darauf sei die beklagte Partei, die bis dahin andere Packungen verwendet habe, mit den beanstandeten Packungen auf dem Markt erschienen. Die klagende Partei erleide aber nicht nur durch die täuschende Nachahmung ihrer Teepackungen einen Schaden, sondern auch dadurch, daß der von der beklagten Partei abgefüllte Tee nicht der Qualität der von der klagenden Partei vertriebenen Teesorten entspreche, so daß der Tee in den alt eingeführten Packungen der Klägerin dadurch diskreditiert werde.
Die klagende Partei beantragte daher unter Hinweis auf die §§ 9, 16 Abs. 1 und 16 Abs. 2 UWG. die beklagte Partei schuldig zu erkennen:
1. den Verkauf von Tee in Packungen mit der Zusammenstellung folgender Ausstattungsmerkmale: a) steifer Karton in rechteckiger Form, zirka 75 mm lang, zirka 31 mm hoch, zirka 41 mm breit, in Aluminiumfolie und Schleifband grün mit Goldrand und schwarzgoldenem Druck unter der Bezeichnung "Goldspitzen Melange" oder "Goldspitzen Tee", b) steifer Karton in rechteckiger Form, zirka 75 mm lang, zirka 31 mm hoch, zirka 41 mm breit, in Aluminiumfolie und Schleifband rot mit Goldrand und schwarz-goldenem Druck unter der Bezeichnung "English Blend" oder "British Blend", zu unterlassen;
2. der klagenden Partei als Schadenersatz den Betrag von 5000 S und gemäß § 16 Abs. 2 UWG. den Betrag von 10.000 S zu zahlen.
Die beklagte Partei beantragte kostenpflichtige Abweisung dieser Begehren. Sie bestritt nicht, daß sie auch Teepackungen mit einem Füllgewicht von 20 Gramm herausbringe, die der Größe nach den von der klagenden Partei vertriebenen Teepackungen ähnlich seien. Da bedruckte Aluminiumfolienpackungen nach dem zweiten Weltkrieg nicht erhältlich bzw. zu teuer gewesen seien, sei der gesamte Teehandel dazu übergegangen, diese Packungen mit bedruckten Schleifen zu versehen. Die Farbe dieser Schleifen sei auf die Farben grün, rot, gelb und blau beschränkt. Deshalb lasse sich nicht vermeiden, daß nicht nur die klagende und die beklagte Partei, sondern auch andere Teefirmen rote und grüne Schleifen verwendeten. Eine Verkehrsgeltung komme der von der klagenden Partei für ihre Teesorten verwendeten Aufmachung nicht zu, da von verschiedenen Firmen eine gleiche oder ähnliche Packung unter Verwendung von grünen und roten Schleifen und in gleicher Größe, zum Teil sogar schon vor der klagenden Partei, in den Verkehr gebracht worden sei. Die Bezeichnung "Goldspitzen-Tee" stelle eine ganz allgemeine Sortenbezeichnung dar, die als Beschaffenheitsangabe schon seit langem vor der Klägerin von der Firma C. & B. W. in L. verwendet worden sei. Auch die Bezeichnung "Blend" stelle eine im Teehandel übliche Sortenbezeichnung dar. Unter "British Blend" oder "English Blend" verstehe man eine Mischung, die der englischen Geschmacksrichtung entspreche. Beide Bezeichnungen seien jedenfalls nicht kennzeichnend für die Herkunft der Teepackung von einer bestimmten Firma. Da die Klägerin für die Aufmachung ihrer Teepackungen keine Verkehrsgeltung erlangt habe, sei der Tatbestand des § 9 UWG. nicht gegeben.
Das Erstgericht erkannte mit Teilurteil gemäß dem Unterlassungsbegehren und wies das Schadenersatzbegehren ab, soweit es auf § 16 Abs. 2 UWG. gestützt wurde. Es bejahte sowohl die Verwechslungsfähigkeit der beiden Packungen wie auch die Verkehrsgeltung der Warenausstattung der klagenden Partei.
Zur Verwechslungsfähigkeit führte es aus: Größe, Form und Aluminiumfolie der verwendeten Kartons seien vollkommen gleich. Gleich sei darüber hinaus aber auch der Grundton der verwendeten Schleife, und zwar grün für die Goldspitzenteesorten und rot für die Blend-Sorten. Sämtliche Schleifen wiesen die gleiche Breite auf und seien darüber hinaus alle mit einem Goldrand versehen. Neben dem gleichen Goldrand auf den Schleifen verwende die beklagte Partei für die Schrift und die sonstigen Verzierungen und Abbildungen auch Gold- und Schwarzdruck. Auch die Schriftart sei ähnlich.
Unterschiede seien lediglich in folgendem vorhanden: die Aufschrift auf der grünen Packung der Beklagten sei "Goldspitzen-Melange" zum Unterschied von der Aufschrift "Goldspitzentee" auf den Packungen der Klägerin. Auf den roten und grünen Packungen der Beklagten seien die Aufschriften "Goldspitzen-Melange" und "English Blend" in Golddruck mit feiner schwarzer Umrandung, auf den Packungen der Klägerin in Schwarzdruck angebracht. Die Packungen der Klägerin wiesen als Herkunftszeichen eine Halbsonne mit dem Zierbuchstaben H. M. und Strahlen bis an den Streifenrand auf, die Packungen der Beklagten hingegen links unten einen schwarzen Kreis mit den Zierbuchstaben L. H. und Blattzweigen mit weißen Blümchen. Auch sei die Anordnung der Aufschriften auf den beiderseitigen Packungen verschieden. Diese Unterschiede fielen bei der Beurteilung der Frage, ob mit den Teepackungen der Beklagten eine Verwechslung herbeigeführt werden könne, schon deshalb nicht ins Gewicht, weil die beklagte Partei für den Goldspitzentee ebenfalls die grüne und für den Blend-Tee ebenfalls die rote Schleifenfarbe verwende und die beklagte Partei selbst zugebe, daß die aufgedruckten Teesortenbezeichnungen längst eingeführte Bezeichnungen seien, demnach Beschaffenheitsangaben wiedergeben. Maßgebend sei der Gesamteindruck, den die Packungen bei ihrer Betrachtung hinterließen. Dabei müsse aber von der Durchschnittsaufmerksamkeit des Betrachters ausgegangen werden, z. B. auch eines Kleinhändlers, der Tee neben einer Vielzahl von sonstigen Lebens- und Genußmitteln führe, oder eines Konsumenten.
Hinsichtlich der Verkehrsgeltung stellte das Erstgericht fest, daß die klagende Partei die Schleifen für ihre Teepackungen bereits in der ersten Hälfte des Jahres 1939 verwendet habe. Die Verwendung habe aber nur bis zum Kriegsbeginn im Herbst 1939 gedauert, zu welchem Zeitpunkt infolge der kriegsbedingten Verhältnisse Tee, ganz gleich welcher Herkunft, nicht mehr verkauft worden sei. Erst als nach dem Kriege Tee wieder frei erhältlich gewesen sei, sei die klagende Partei wieder mit ihren Teepackungen auf dem Markt, und zwar als eine der ersten, erschienen. Dies sei im Jahre 1946, spätestens 1948 bis 1949, gewesen. Der Sachverständige N. spreche den klägerischen Teepackungen die Verkehrsgeltung vermöge ihres Gesamteindruckes zu; solche Teepackungen seien in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg nicht auf dem Markt gewesen. Ausdrücklich hebe er ebenso wie der andere Sachverständige Karl Hans Sch. hervor, daß die Farben rot und grün als solche der Verkehrsgeltung nicht teilhaftig seien, da diese Farben auch schon von anderen Teepackern verwendet worden seien. Maßgebend sei, daß die Teepackungen der Klägerin, wenn sie auch nur nach dem einprägsamsten Merkmal, nämlich nach der grünen oder roten Farbe, bezeichnet würden, auch vielfach so bestellt und verlangt würden, Verkehrsgeltung für das klägerische Unternehmen genössen. Gerade das müsse aber nach dem Inhalt des Gutachtens des Sachverständigen N., insbesondere in Verbindung mit dem Gutachten der Handelskammer, als festgestellt zugrunde gelegt werden. Wenn nach dem Ergebnis dieser von der Handelskammer sowohl beim Großhandel als auch beim Einzelhandel angestellten Umfrage bei 50 den Großhandel betreffenden Äußerungen 46% hinsichtlich der ersten Teepackung (Goldspitzentee grün) und 60% hinsichtlich der zweiten Teepackung (British Blend rot) und ferner bei 40 den Einzelhandel betreffenden Äußerungen 42.5% hinsichtlich der ersten Teepackung und 45% hinsichtlich der zweiten Teepackung als für das Unternehmen der klägerischen Firma kennzeichnend genannt würden, dann müsse gesagt werden, daß mit Rücksicht auf diese Prozentsätze ein beträchtlicher Teil der in Betracht kommenden Verkehrskreise die Verkehrsgeltung für diese Teepackungen bejaht habe. Es genüge, wenn die Ausstattung nur von einem beträchtlichen Teil als Kennzeichen des Unternehmens angesehen werde. Wenn auch Kleinhändler und Kunden bei der Auswahl der gewünschten Teesorte das markanteste Ausstattungsmerkmal, nämlich die rote oder grüne Schleifenfarbe, immer wieder bezeichneten, so sei das nur der Ausdruck ihres Wunsches, mit dem in solchen Packungen enthaltenen Tee beliefert zu werden; sie wiesen damit auf die ihnen genehme Herkunftsquelle und bezögen diese Teesorten, weil sie ihnen konvenierten und nicht weil etwa die Packung eine rote oder eine grüne Schleife trage. Ob in allen Fällen den Letztverbrauchern bewußt sei, den Tee der klägerischen Firma zu beziehen, bzw. ob ihnen die Klägerin namentlich bekannt sei, könne nicht entscheidend sein. Das Beweisverfahren habe nicht ergeben, daß vor der Klägerin, sei es abgestellt auf das Jahr 1939, sei es auf das Jahr 1946 bzw. 1948/49, andere Teefirmen Teepackungen mit den gesamten Ausstattungsmerkmalen wie den klägerischen, nämlich Größe, Form, Aluminiumfolie, Schleifen rot und grün mit Goldrand verziert und auf der Breitseite angebracht, verwendet haben.
Das Begehren gemäß § 16 Abs. 2 UWG. erachtete das Erstgericht für unbegrundet, weil aus dem gesamten klägerischen Vorbringen nicht zu entnehmen sei, welche über das gestellte Schadenersatzbegehren von 5000 S hinausgehenden Kränkungen und persönlichen Nachteile vorlägen, die besondere Umstände des Falles begrundeten. Der gegenständliche Fall, der ausschließlich auf Unterlassung der Verwendung bestimmt bezeichneter Teepackungen gerichtet sei, lasse nicht erkennen und enthalte auch nichts, was auf eine persönliche Kränkung des Klägers gerichtet wäre.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge, wohl aber jener der beklagten Partei; es wies das Unterlassungsbegehren ab.
Die Annahme der Verwechslungsfähigkeit fand das Berufungsgericht schlüssig und überzeugend begrundet.
Dagegen erachtete es die Berufung berechtigt, wenn sie die Annahme der Verkehrsgeltung der Ausstattung der Packungen für die klagende Partei rüge.
Den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils sei zu entnehmen, daß das Erstgericht Verkehrsgeltung der Teepackungen der Klägerin (ihrer Ausstattung) für den Groß- und Kleinhandel bejahe; für den Kreis der Verbraucher werde dies nicht hinreichend deutlich ausgesprochen. Das Prozeßgericht sei ja der Auffassung, daß als Voraussetzung für den Unterlassungsanspruch nach § 9 UWG. die Verkehrsgeltung bei Groß- und Detailhändlern genüge, "auch wenn sie beim Konsumenten verneint werden mußte". Dieser Ansicht könne nicht ohne weiteres beigepflichtet werden. Wenn die herrschende Lehre und Praxis dahin gehe, daß als "beteiligte Verkehrskreise" im Sinne des § 16 UWG. und des § 9 UWG. nicht die Mitbewerber, sondern die Zwischenhändler, Kleinhändler und Verbraucher anzusehen seien, so gelte dieser Satz uneingeschränkt, in seinem negativen Teil, nämlich soweit die Konkurrenten nicht zu den hier in Betracht kommenden Verkehrskreisen gezählt würden. Dies entspreche dem Sinn der Bestimmung des § 9 UWG., welche der Erhaltung des Kundenstockes diene, denn der Händler kaufe nicht vom Konkurrenten. Andererseits sei § 9 UWG. nicht über den Normzweck hinaus auszulegen; in positiver Hinsicht komme es bei der Beurteilung, welche Personen zu den beteiligten Verkehrskreisen gehörten, auf die Umstände des Einzelfalles an. Teepackungen seien Endprodukte und dienten zum unmittelbaren Verbrauch durch die privaten Letztabnehmer. Diese seien es, die vom Standpunkt des Wettbewerbes hier als beteiligte Verkehrskreise anzusehen seien. An sie - vornehmlich an die einkaufenden Hausfrauen - richteten sich die Ausstattungen mit ihren besonderen Merkmalen, sowohl als Werbemittel als auch als Herkunftskennzeichen. Wenn die Ausstattung der Teepackungen der Klägerin als Kennzeichen der Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen (das an sich der Abnehmer nicht zu kennen brauche) einem beachtlichen (nicht unbeträchtlichen) Teil der Verbraucher bekannt wäre, wäre der Unterlassungsanspruch nach § 9 UWG. begrundet. Diese Frage sei in der ersten Instanz nicht vollkommen geklärt worden, weshalb das Berufungsgericht die Beweisaufnahme durch Vernehmung der Sachverständigen N. und Karl Hans Sch. ergänzt habe. Auf Grund ihrer Aussagen im Berufungsverfahren werde folgendes festgestellt:
Die Verbraucher verbänden mit den beiden Packungen der Klägerin keine Vorstellung von der Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen. Der Name der Klägerin sei bei den Konsumenten nahezu unbekannt. Die Packungen der Klägerin (ihre Ausstattung) hätten somit nach der vom Berufungsgericht geteilten Ansicht der Sachverständigen beim Konsumenten keine Verkehrsgeltung.
Anders sei die Sachlage bei den Groß- und Einzelhändlern: Bei den Großhändlern und etwa der Hälfte der Kleinhändler in Wien, Niederösterreich und Oberösterreich hätten die Packungen der Klägerin Verkehrsgeltung. "Weniger gut eingeführt" sei die Klägerin im übrigen BundesgebBurgenland werde hauptsächlich TEE anderer Herkunft verkauft, in Kärnten fast nur Arabia-Tee. In Salzburg sei die Klägerin bei nicht mehr als der Hälfte der Großhändler, in Tirol und Vorarlberg bei nicht mehr als einem Viertel der Großhändler bekannt. Darüber, ob in dem Bundesgebiet außerhalb von Wien, Niederösterreich und Oberösterreich auch die Packungen der Klägerin an sich Verkehrsgeltung hätten, könne weder aus dem Gutachten der Sachverständigen noch aus den übrigen Ergebnissen der Beweisaufnahme, insbesondere aus dem Gutachten der Bundeswirtschaftskammer, etwas entnommen werden.
In rechtlicher Beziehung führte das Berufungsgericht im wesentlichen aus, die Teepackungen der Streitteile seien grundsätzlich verwechslungsfähig; konkrete Verwechslungsfähigkeit bestehe im Kreise der Konsumenten. Dagegen seien die Großhändler der Verwechslungsgefahr überhaupt nicht ausgesetzt. - Die Kleinhändler, welche den Tee von der Klägerin selbst bezögen, schieden bei der Lösung der Frage, ob die Packungen Verkehrsgeltung haben und ob sie verwechslungsfähig seien, aus. Von den Kleinhändlern, die den Tee der Klägerin vom Großhändler bezögen, könne nach der Aussage der Sachverständigen N. und Karl Hans Sch. angenommen werden, "daß sie zu 50% den Unterschied in den Packungen erkennen und die Lieferung beanstandeten.
Zum Begehren nach § 16 Abs. 2 UWG. bemerkte das Berufungsgericht, daß die Gründe des Erstgerichtes für die Abweisung dieses Begehrens unabhängig von der Frage des Bestandes des Unterlassungsanspruches zuträfen (SZ. XXVI 189).
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei teilweise Folge und stellte das erstgerichtliche Urteil hinsichtlich der Unterlassungsansprüche wieder her. Im übrigen gab er der Revision nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Für die Entscheidung über die Revision steht zunächst die Frage im Vordergrund, ob die Ausstattung der Teepackungen "innerhalb beteiligter Verkehrskreise" als Kennzeichen des Unternehmens gilt (§ 9 Abs. 3 UWG.), ob also dieser Ausstattung Verkehrsgeltung zukommt. Das Berufungsgericht verneint die Verkehrsgeltung, weil sie bei den Konsumenten fehle. Daß sie bei den Großhändlern und etwa bei der Hälfte der Einzelhändler - zumindest in Wien, Niederösterreich und Oberösterreich - bestehe, reiche nicht aus.
Dieser Rechtsauffassung kann nicht gefolgt werden.
Mit Recht verweist die klagende Partei zunächst auf den Gesetzestext, wonach es auf die Geltung "innerhalb beteiligter Verkehrskreise" ankommt. Bei dieser Fassung des Gesetzes fällt auf, daß der bestimmte Artikel vermieden ist, daß es also nicht "innerhalb der beteiligten Verkehrskreise" heißt. Schon daraus folgt, daß offenbar nicht Verkehrsgeltung in allen beteiligten Kreisen verlangt wird. Zum gleichen Ergebnis führt die Bedachtnahme auf den Zweck des Gesetzes. Das Gesetz will die Schädigung des Wettbewerbers durch den Mißbrauch von Kennzeichen des Unternehmens hintanhalten. Zu einer solchen Schädigung kann es nun keineswegs nur dann kommen, wenn alle beteiligten Verkehrskreise - Großhändler, Kleinhändler und Verbraucher - getäuscht werden, sondern schon dann, wenn die Täuschung bei einem dieser Glieder der Verteilungs- und Verbrauchskette eintritt. Die Großhändler scheiden hier aus, weil sie festgestelltermaßen der Verwechslungsgefahr nicht ausgesetzt sind. Ebenso ist aber festgestellt, daß die Hälfte der Kleinhändler wegen der insoweit bestehenden Verkehrsgeltung der Ausstattung der Ware der klagenden Partei und wegen der ebenfalls bestehenden Verwechslungsgefahr getäuscht wird. Daraus folgt praktisch, daß infolge der Verwechslungsfähigkeit der von der beklagten Partei verwendeten Packungen bei einer Hälfte der Kleinhändler die Ware der klagenden Partei mit jener der beklagten Partei verwechselt und daß in diesem Umfang statt der Ware der klagenden Partei jene der beklagten Partei bezogen werden kann. Damit ist aber eine sehr erhebliche Schädigungsmöglichkeit gegeben. Der Umstand, daß die Packungen bei den Verbrauchern nicht Verkehrsgeltung haben, vermag demgegenüber nicht zugunsten der beklagten Partei den Ausschlag zu geben. Die Ware wird nämlich über den Kleinhandel an die Verbraucher herangebracht. Ist nun ein Kleinhändler getäuscht worden, so wird er - sofern er nicht schon von sich aus die Ware der beklagten Partei zurückgibt - selbstverständlich bemüht sein, sie zu verkaufen. Wenn nun - wie hier festgestellt - die Verbraucher die Andersartigkeit der Ware gar nicht bemerken und sich gleichgültig verhalten, so wird dem Kleinhändler der Verkauf unschwer gelingen. Gerade dadurch wird aber die Gefahr der Schädigung für die klagende Partei noch vergrößert, weil nicht anzunehmen ist, daß der Kleinhändler durch Beschwerden seiner Kunden dazu veranlaßt wird, die Ware der klagenden Partei zum Weiterverkauf bereitzustellen. Es kann daher auch aus diesem Zweck des Gesetzes nicht abgeleitet werden, daß die Verkehrsgeltung bloß bei den Kleinhändlern und nicht bei den Verbrauchern § 9 UWG. unanwendbar mache. Daß dabei die Verkehrsgeltung bei etwa der Hälfte der Kleinhändler ausreicht, folgt daraus, daß dadurch eine durchaus erhebliche Verwechslungsgefahr herbeigeführt wird, die geeignet ist, etwa die Hälfte des Umsatzes der klagenden Partei mit dem Kleinhandel zu bedrohen.
Zu der eben erörterten Frage verweist die klagende Partei mit Recht - allerdings unzweckmäßigerweise ohne Angabe der Fundstellen - auf die bisherige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. In der Entscheidung JBl. 1929 S. 260 legte der Oberste Gerichtshof dar, daß als beteiligte Verkehrskreise Händler und Verbraucher in Betracht kämen, wobei genüge, daß für einen nicht unerheblichen Teil dieser oder jener Gruppe Verkehrsgeltung bestehe. Ebenso spricht schon die Entscheidung MuW. XXVI S. 303 aus, daß als Verkehrskreise Zwischenhändler, Kleinhändler und Verbraucher in Betracht kämen und daß es genüge, wenn die Ausstattung nur von einem beträchtlichen Teil einer dieser Gruppen als Kennzeichen des Unternehmens angesehen werde. In gleicher Richtung liegt es, wenn für den Begriff der Verwechslungsfähigkeit als genügend erachtet wurde, daß zwar nicht die Händler und Detailkaufleute, wohl aber ein Teil der Verbraucher sich der unterscheidenden Merkmale der damals in Rede stehenden Etiketten nicht bewußt wurde (PatBl. 1955 S. 77).
Nach der eben dargestellten Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofes kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob die Packungen bei den Verbrauchern Verkehrsgeltung besitzen. Damit ergibt sich, daß die Mängelrüge der beklagten Partei in der Berufung, die sich dagegen richtet, daß dieser Umstand nicht durch einen weiteren Sachverständigenbeweis geklärt wurde, einen Sachverhalt betrifft, den der Oberste Gerichtshof nicht für entscheidungserheblich erachtet, so daß sie ins Leere fällt und daher bereits vom Obersten Gerichtshof ohne Zurückweisung an das Berufungsgericht als unstichhältig angesehen werden kann. Ebenso unbegrundet ist die in diese Richtung zielende Mängelrüge der klagenden Partei in der Revision.
Die bisherigen Ausführungen ergeben, daß das Unterlassungsbegehren der klagenden Partei begrundet ist, so daß insoweit der Revision Folge zu geben war und das Urteil des Berufungsgerichtes dahin abgeändert werden mußte, daß jenes der ersten Instanz wiederhergestellt wurde.
Das Schadenersatzbegehren nach § 16 Abs. 2 UWG. ist jedoch, wie schon das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, aus den vom Erstgericht angestellten Erwägungen jedenfalls unbegrundet. Wenn sich die klagende Partei hiezu auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes JBl. 1927 S. 299 beruft, so muß sie darauf verwiesen werden, daß im vorliegenden Fall nicht der dort vorausgesetzte, besonders starke Grad der Verwechslungsfähigkeit gegeben ist. Dies folgt schon daraus, daß immerhin eine große Zahl ähnlicher, wenn auch nicht verwechslungsfähiger Verpackungen besteht und daß der Packung der klagenden Partei auch nicht eine besondere Kennzeichnungskraft zukommt. Daß die Handlungsweise des Beklagten offenbar mit dem Umstande im engen Zusammenhang stehe, daß der bisherige Vertreter der Klägerin Alois M. beim Beklagten als Vertreter eingetreten sei und daß M. die Verwechslungsfähigkeit bei den Kunden ausgenützt habe, vermag ebenfalls nicht die im § 16 Abs. 2 UWG. vorgesehenen besonderen Umstände zu begrunden, weil der behauptete Sachverhalt nichts Außergewöhnliches aufweist. Auch in dieser Beziehung ist daher eine wesentliche Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht unterlaufen, so daß auch insoweit Spruchreife - allerdings im Sinne der Abweisung des Schadenersatzbegehrens - bestand.
Abschließend bleibt zu der in der Revisionsbeantwortung abermals angeschnittenen Frage der Verwechslungsfähigkeit im wesentlichen auf die insoweit zutreffenden Gründe der Untergerichte zu verweisen. Daß es auf den Gesamteindruck ankommt, muß sogar die beklagte Partei als richtig zugeben. Unter dieser Voraussetzung können aber die einzelnen bestehenden Unterschiede der beiden Packungen nicht den Ausschlag geben. Es ist daher gleichgültig, daß es einmal Goldspitzentee, das andere Mal Goldspitzen-Melange heißt. Ebenso kommt der unauffällig auf der Rückseite angebrachten Firmenaufschrift keine Unterscheidungskraft zu. Aus der in diesem Zusammenhang in der Revision zitierten Entscheidung ZBl. 1933 Nr. 192 ist hiezu nichts Erhebliches abzuleiten. Auch die auf den Packungen der klagenden Partei dargestellte aufgehende Sonne ist nicht besonders typisch, weil sie in ihrer stilisierenden Art der Darstellung im Gesamtbild verschwindet und nicht besonders in die Augen fällt, so daß man sie auf den Packungen der beklagten Partei jedenfalls auf den ersten Blick nicht vermißt. Bei Berücksichtigung aller Umstände ergibt sich vielmehr - wie dies schon die Untergerichte zutreffend im einzelnen dargelegt haben - die Verwechslungsfähigkeit.
Anmerkung
Z31068Schlagworte
Besondere Umstände nach § 16 Abs. 2 UWG., Beteiligte Verkehrskreise nach § 9 UWG., Buße nach § 16 Abs. 2 UWG., Geldbuße nach § 16 Abs. 2 UWG., Kennzeichenmißbrauch nach § 9 UWG., Verkehrsgeltung, Mißbrauch von Unternehmenskennzeichen nach § 9 UWG., Verkehrsgeltung, Umstände, besondere - nach § 16 Abs. 2 UWG., Unlauterer Wettbewerb, Verkehrsgeltung nach § 9 UWG., Buße nach § 16, Abs. 2 UWG., Unternehmenskennzeichen, Mißbrauch nach § 9 UWG., Verkehrsgeltung, Vergütung für erlittene Kränkungen nach § 16 Abs. 2 UWG., Verkehrsgeltung nach § 9 UWG., Wettbewerb unlauterer, Verkehrsgeltung nach § 9 UWG., Buße nach § 16, Abs. 2 UWG.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1958:0010OB00115.58.0430.000Dokumentnummer
JJT_19580430_OGH0002_0010OB00115_5800000_000