TE OGH 1958/6/2 1Ob216/58

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Veröffentlicht am 02.06.1958
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Norm

ABGB §233
Außerstreitgesetz §9
Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 §39

Kopf

SZ 31/82

Spruch

Vergleiche, die vor Agrarbehörden über das Vermögen Pflegebefohlener abgeschlossen worden sind, bedürfen keiner pflegschaftsbehördlichen Genehmigung.

Der Vergleichspartner kann die Verweigerung der Genehmigung des Vergleiches bei gesetzwidriger Annahme des Erfordernisses gerichtlicher Genehmigung anfechten.

Entscheidung vom 2. Juni 1958, 1 Ob 216/58.

I. Instanz: Bezirksgericht Werfen; II. Instanz: Landesgericht Salzburg.

Text

Die mj. Kinder Alois, Elise und Rupert A., vertreten durch den Kollisionskurator Franz P., beantragten Überprüfung der zwischen der Agrargemeinschaft "W.-er Bürgerschaft" und dem Besitzer des "Riesenlehens", Alois A., in der Verhandlung vor der Agrarbehörde am 24. Oktober 1956 abgeschlossenen Vereinbarung auf eine pflegschaftsbehördliche Genehmigungspflicht. Die Vereinbarung habe ein Ausscheiden des "Riesenlehensgutes" aus der Agrargemeinschaft zum Gegenstande, wodurch sich für das Gut empfindliche Nachteile ergäben, weil der Wert der Zugehörigkeit des "Riesenlehensgutes" zur Agrargemeinschaft ungleich höher einzuschätzen sei als die in der Vereinbarung von der Agrargemeinschaft gebotenen Gegenleistungen. Die Vertragsteile hätten bei der Vereinbarung unbeachtet gelassen, daß hinsichtlich des "Riesenlehensgutes" ein Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten der Antragsteller als Nacherben grundbücherlich eingetragen sei. Es sei dieser Vereinbarung ein legitimer gesetzlicher Vertreter für die Kinder überhaupt nicht beigezogen und um eine pflegschaftsbehördliche Genehmigung nie angesucht worden. Die Vereinbarung verstoße gegen das Veräußerungs- und Belastungsverbot, im Falle der Durchführung der Vereinbarung sei der Weiterbestand des "Riesenlehensgutes" im bisherigen Umfang in Frage gestellt.

Das Erstgericht stellte fest, daß bei der Liegenschaft EZ. 91 KG. Markt W. "Riesenlehen Nr. 90" die Mitgliedschaft an der Agrargemeinschaft "Bürgerschaft des Marktes W." mit den gemäß § 38 FLG. Salzburg, LGBl. Nr. 94/1934, aus der Mitgliedschaft sich ergebenden Rechtsfolgen zu 1/83-Anteil ersichtlich gemacht ist, weiters, daß bei derselben Liegenschaft auf Grund der Einantwortungsurkunde vom 2. Februar 1948, A 96/45-9 des Bezirksgerichtes Werfen, die Beschränkung des Eigentumsrechtes des Alois A. durch das Veräußerungs- und Belastungsverbot nach Maßgabe des Erbübereinkommens vom 14. Jänner 1948 infolge des Nachfolgerechtes des Gutstauglichsten der mj. Kinder Bartholomäus, Gertraud, Alois, Elisabeth und Rupert A. einverleibt ist, schließlich, daß am 24. Oktober 1956 tatsächlich eine Vereinbarung, wie behauptet, abgeschlossen und der Verhandlung hierüber ein rechtmäßiger Vertreter der Kinder nicht zugezogen wurde. Nach umfangreichen Erhebungen über die möglichen Auswirkungen der Vereinbarung kam das Erstgericht zum Ergebnis, daß ein Ausscheiden des "Riesenlehensgutes" aus der Agrargemeinschaft für den Bestand dieses Gutes schädlich sei und die Abfindungsleistungen der Agrargemeinschaft für die Preisgabe der Mitgliedschaft des Riesenlehensgutes in keinem Verhältnis zu den damit verbundenen Nachteilen stunden. Das Erstgericht erließ daher den Beschluß, daß

1. die schon mehrfach erwähnte Vereinbarung zu ihrer Rechtsgültigkeit der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung bedürfe und 2. dieser Vereinbarung die pflegschaftsbehördliche Genehmigung nicht erteilt werde.

Gegen diesen Beschluß erhob die Agrargemeinschaft "Bürgerschaft des Marktes W.", vertreten durch ihren Obmann Hans Sch., Rekurs mit dem Erfolg, daß das Rekursgericht die Anträge der mj. Kinder in Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses abwies. Nach Meinung des Rekursgerichtes sei der Rekurs als zulässig anzusehen, weil es sich nicht bloß um die Erteilung oder Versagung der Genehmigung handle, sondern darum, ob der Vergleich ohne Genehmigung wirksam sei. Werde dem Vergleich durch die erstgerichtliche Entscheidung die Rechtswirksamkeit abgesprochen, so müsse anerkannt werden, daß der Vergleichspartner sich durch eine solche Verfügung beschwert erachten könne.

Die Agrargemeinschaft mache in ihrem Rekurs mit Recht geltend, daß gemäß § 39 des Flurverfassungsgrundsatzgesetzes 1951, BGBl. Nr. 103/1951, und gemäß § 97 Abs. 1 des Salzburger Flurverfassungslandesgesetzes 1955, LGBl. Nr. 64/1955, die im Laufe des Verfahrens vor den Agrarbehörden abgegebenen Erklärungen und die mit Genehmigung der Agrarbehörde abgeschlossenen Vergleiche weder einer Zustimmung dritter Personen noch einer Genehmigung durch Verwaltungs-, Pflegschafts- oder Fideikommißbehörden bedürfen. Im vorliegenden Fall sei das agrarbehördliche Verfahren ein solches auf Sonderteilung durch Ausscheiden eines Mitgliedes aus der Agrargemeinschaft und der in diesem Verfahren geschlossene Vergleich von der Landesregierung Salzburg als Agrarbehörde durch rechtskräftigen Bescheid vom 17. Dezember 1956 gemäß § 97 FLG. genehmigt. Es müsse daher der Rekurswerberin beigepflichtet werden, daß für den Vergleich keine pflegschaftsbehördliche Genehmigung erforderlich sei und aus dem Mangel einer solchen Genehmigung auch kein Hindernis gegen eine grundbücherliche Durchführung der Vereinbarung bestehen könne. Allerdings müsse dem Erstgericht darin beigestimmt werden, daß das Ausscheiden aus der Agrargemeinschaft praktisch einer Teilveräußerung gleichkomme, wodurch die Interessen der aus dem Veräußerungsverbot Berechtigten berührt würden. Ob aber dem agrarbehördlichen Verfahren wegen Außerachtlassung der Rechte der Minderjährigen ein Mangel anhafte und diesbezüglich eine Bekämpfung des Vergleiches im Verwaltungswege Aussicht auf Erfolg haben könne, müsse der Beurteilung des Sachwalters der Kinder bzw. des Pflegschaftsgerichtes überlassen bleiben. Der Antrag, den Vergleich einem pflegschaftsbehördlichen Genehmigungsverfahren zu unterziehen, habe aber auf Grund der agrargesetzlichen Bestimmungen abgewiesen werden müssen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der mj. Antragsteller nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Sowohl gemäß § 97 Abs. 1 des Salzburger Flurverfassungslandesgesetzes 1955 (LGBl. Nr. 64/1955) wie auch gemäß § 39 des Flurverfassungsgrundsatzgesetzes 1951 (BGBl. Nr. 103/1951) bedürfen die im Laufe des Verfahrens vor den Agrarbehörden abgegebenen Erklärungen und die mit deren Genehmigung abgeschlossenen Vergleiche weder einer Zustimmung dritter Personen, noch unterliegen sie einer Genehmigung durch Verwaltungs-, Pflegschafts- oder Fideikommißbehörden. Daß es sich hier um einen solchen Vergleich handelt, kann nach dem Inhalt des Verwaltungsaktes nicht zweifelhaft sein. Er ist mit Bescheid des Amtes der Salzburger Landesregierung - Agrarbehörde - vom 17. Dezember 1956 genehmigt und beurkundet worden. Im Spruch des Bescheides wird ausdrücklich auf die §§ 41, 97 und 108 Abs. 2 des Salzburger FLG. Bezug genommen. Der Beschluß des Erstgerichtes stellt die Rechtsgültigkeit (Wirksamkeit) des Vergleiches in Frage und greift damit in die Rechtssphäre der beim Abschluß des Vergleiches beteiligten Agrargemeinschaft ein. Das Rekursgericht hat daher auch die Beschwerdelegitimation der Agrargemeinschaft, der der erstgerichtliche Beschluß, nebenbei bemerkt, über Verfügung des Erstgerichtes zugestellt wurde, bejaht. Der Fall ist nicht anders zu betrachten als der, bei dem die Genehmigung eines Rechtsgeschäftes mit einem Minderjährigen oder sonst Handlungsunfähigen vom Pflegschaftsgerichte bereits erteilt und damit das Rechtsgeschäft auch gegenüber dem Kontrahenten des Minderjährigen wirksam geworden ist, die Genehmigung aber hinterher widerrufen wird. Auch dadurch wird in bereits erworbene Rechte des Vertragsgenossen, dem ansonsten kein Einfluß auf die Genehmigung des Rechtsgeschäftes durch das Pflegschaftsgericht zukommt, eingegriffen. In solchem Falle hat der Oberste Gerichtshof anerkannt, daß dem Vertragsgenossen im Sinne des § 9 AußStrG. das Recht zuerkannt werden muß, sich gegen einen solchen Eingriff entsprechend zur Wehr zu setzen (1 Ob 713/55; SZ. XXVI 295). Bei dem in Rede stehenden Vergleich war kein Minderjähriger beteiligt; er wurde zwischen Alois A., Riesenlehenbauer in W., und der Agrargemeinschaft geschlossen und betraf die Ablösung der Mitgliedschaftsrechte des Besitzers des "Riesenlehens" EZ. 91 GB. Markt W. an der genannten Agrargemeinschaft durch Abtretung von Grund und Boden (Sonderteilung). Da das Gesetz anordnet, daß ein Vergleich der Zustimmung Dritter - als solche sind die aus dem Veräußerungs- und Belastungsverbot Berechtigten anzusehen, gleichgültig, ob sie Minderjährige sind oder nicht - nicht bedarf, steht das vor dem Pflegschaftsgericht eingeleitete Verfahren im Widerspruch zum Gesetz. Es ist daher der Antrag vom Rekursgerichte mit Recht als unangebracht abgewiesen worden. Zum Revisionsrekurs sei nur noch bemerkt, daß im Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleiches bei Gericht kein Rechtsstreit anhängig war, weil sowohl die Besitzstörungsklage C 70/54 des Bezirksgerichtes Werfen wie auch der Antrag auf Grenzerneuerung Nc 300/54 des Bezirksgerichtes Werfen im Mai 1954 zurückgenommen wurden, welche Zurücknahmen das Gericht zur Kenntnis genommen hat. § 41 Abs. 5 FLG. definiert die Einzelteilung. Sie ist die Auflösung der Agrargemeinschaft durch Umwandlung der Anteilrechte in Einzeleigentum (Einzelteilung im engeren Sinne) oder die Ausscheidung einzelner Mitglieder der Agrargemeinschaft unter Aufrechterhaltung der Gemeinschaft zwischen den übrigen Teilgenossen (Sonderteilung). Eine solche Sonderteilung war, wie der angefochtene Beschluß richtig vermerkt, Gegenstand der Vereinbarung zwischen Alois A. und der Agrargemeinschaft. Ob die Antragsteller Möglichkeiten hatten oder noch haben, den Bescheid der Verwaltungsbehörde anzufechten, braucht hier nicht untersucht zu werden, weil lediglich die Frage zur Entscheidung steht, ob der Vergleich gegebenenfalls der Zustimmung Dritter und, wenn sie minderjährig sind, deren Zustimmung der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung bedarf.

Anmerkung

Z31082

Schlagworte

Agrarbehörden, Vergleiche, keine pflegschaftsbehördliche Genehmigung, Anfechtung der Verweigerung der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung, eines Vergleiches durch den Vergleichspartner, Genehmigung eines Vergleiches durch das Pflegschaftsgericht„ Agrarverfahren, Anfechtung durch den Vergleichspartner, Pflegschaftsbehördliche Genehmigung eines Vergleiches, Agrarverfahren„ Anfechtung durch den Vergleichspartner, Vergleich vor der Agrarbehörde, keine pflegschaftsbehördliche, Genehmigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1958:0010OB00216.58.0602.000

Dokumentnummer

JJT_19580602_OGH0002_0010OB00216_5800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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