Norm
Invalideneinstellungsgesetz §8Kopf
SZ 31/100
Spruch
Der unbegrundeten Entlassung als einem Vertragsbruch kann der Invalidenausschuß gemäß § 8 InvalideneinstellungsG. nicht zustimmen. Eine begrundete Entlassung wird durch das Invalideneinstellungsgesetz nicht verhindert.
Entscheidung vom 26. August 1958, 4 Ob 79/58.
I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Der Kläger Richard K. ist als Arbeiter am 12. Mai 1952 in die Dienste der beklagten Partei getreten. Am 1. Februar 1956 wurde er in den Angestelltenstand überführt. Er ist 50%iger Kriegsinvalide und Inhaber eines Invalideneinstellungsscheines. Er wurde am 8. Mai 1956 fristlos entlassen.
Im Rechtsstreit 7 Cr 163/56 des Arbeitsgerichtes Wien wurde die Entlassung des Klägers als unbegrundet erkannt und dem Kläger ein Betrag von 4916 S 56 g als Rest der Gehaltsbezüge für Mai bis einschließlich Juli 1956 (zuzüglich der Remuneration und Wohnungsbeihilfe) rechtskräftig zugesprochen. Der im Berufungsverfahren von der beklagten Partei gestellte Zwischenantrag auf Feststellung, daß das Dienstverhältnis des Klägers zur beklagten Partei durch die am 8. Mai 1956 erfolgte Entlassung beendet sei, wurde rechtskräftig abgewiesen.
Nach Erlassung des berufungsgerichtlichen Urteils und nach Einbringung der Revisionsschrift im Rechtsstreit 7 Cr 163/56 des Arbeitsgerichtes Wien erging der Bescheid des Invalidenausschusses beim Landesarbeitsamt Wien vom 13. Mai 1957, GZ. II c/5437 B, mit welchem hinsichtlich des Antrages der beklagten Partei vom 7. Februar 1957 bzw. 30. April 1957 die gemäß § 8 InvalideneinstellungsG. erforderliche nachträgliche Zustimmung zur Kündigung des Invaliden Richard K. erteilt wurde. Aus dem Bescheid ergibt sich, daß es sich um eine nachträgliche Zustimmung zu der am 8. Mai 1956 ausgesprochenen Entlassung handelt. Die Begründung des Bescheides lautet wörtlich: "Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, daß der Invalide mehrmals unentschuldigt von seinem Arbeitsplatz ferngeblieben ist und daß er auch nachträglich - trotz wiederholter Aufforderung und Verwarnung seitens des Dienstgebers - eine Krankmeldung seines behandelnden Arztes nicht beigebracht hat. Dem Invalidenausschuß erschien hiedurch das gegenseitige Vertrauensverhältnis, das zwischen den beiden Arbeitsvertragspartnern bestehen soll, derart getrübt, daß eine weitere Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses nichtmehr zweckmäßig erscheint. Für die nachträgliche Zustimmung zur Kündigung - das dem Begünstigten seitens des Arbeitsgerichtes zuerkannte Entgelt entspricht einer am 15. Mai 1956 per 30. Juni 1956 ausgesprochenen Kündigung - war der Umstand maßgebend, daß Herr K. seit 6. Mai 1956 bis zum Erhalt des Urteiles des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen im Frühjahr 1957 nicht mehr zur Arbeit erschienen ist und auch keinerlei Arbeitsbereitschaft bekundet hat. Mitbestimmend für die Entscheidung des Invalidenausschusses war der Umstand, daß die Einstellungspflicht nach dem Invalideneinstellungsgesetz seitens seiner Dienstgeberfirma auch nach dem Ausscheiden des Herrn K. übererfüllt wird."
Mit der am 17. Oktober 1957 überreichten Klage begehrte der Kläger für August 1956 an Gehalt 1588 S und an Wohnungsbeihilfe 30 S, zusammen 1618 S, samt 4% Zinsen seit dem Klagstag. Unbestritten blieb der eingangs geschilderte Sachverhalt, ferner daß der Bescheid des Invalidenausschusses vom 13. Mai 1957 in Rechtskraft erwachsen und der Anspruch des Klägers der Höhe nach richtig ist, ferner daß eine Kündigung des Klägers außer in Form der am 8. Mai 1956 ausgesprochenen Entlassung nicht erfolgte, endlich daß der Kläger seine Arbeitsbereitschaft gegenüber der beklagten Partei am 12. September 1957 meldete, nachdem das Urteil des Obersten Gerichtshofes im Rechtsstreit 7 Cr 163/56 des Arbeitsgerichtes Wien ergangen und zugestellt war.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es meinte, daß sich aus § 29 AngG. ergebe, daß eine unbegrundete Entlassung als Kündigung wirke, daß aus § 8 Abs. 2 InvalideneinstellungsG. hervorgehe, daß zu einer Kündigung die Zustimmung des Ausschusses beim Landesarbeitsamt erforderlich sei, daß diese Zustimmung auch nachträglich erteilt werden könne und daß dies im vorliegenden Fall geschehen sei. Die Entlassung des Klägers am 8. Mai 1956 sei als Kündigung anzusehen, der nachträglich die Genehmigung erteilt worden sei.
Im Berufungsverfahren erweiterte der Kläger sein Begehren auf 15.223 S 65 g samt 4% Zinsen aus 1618 S vom 17. Oktober 1957 bis 7. Dezember 1957 und aus 15.223 S 65 g seit 8. Dezember 1957. Der Anspruch des Klägers wurde der Höhe nach außer Streit gestellt.
Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil ab und sprach dem Kläger den erweiterten Klagsbetrag samt Zinsen und Kosten zu. Es vertrat den in der Rechtsprechung allgemein anerkannten Grundsatz, daß in den Fällen, in denen ein besonderer Kündigungs- und Entlassungsschutz bestehe, also auch im Falle des § 8 InvalideneinstellungsG., eine ungerechtfertigte Entlassung das Dienstverhältnis nicht zur Auflösung bringe (ArbSlg. 6255, 6248, 6239 u. a.; hiebei ist bezüglich Arb- Slg. 6248 zu bemerken, daß die im ersten Rechtssatz aufgestellte Ansicht, es bringe die ungerechtfertigte Entlassung einer nach dem Invalideneinstellungsgesetz begünstigten Person das Dienstverhältnis mangels Zustimmung des Invalidenausschusses nicht zur Lösung, in der Begründung keine Deckung findet; in den Gründen wird ausdrücklich ausgesprochen, daß die Frage, ob und inwieweit durch das dem Kläger zur Last gelegte Verhalten ein Entlassungstatbestand verwirklicht wurde, der tatsächlichen und rechtlichen Beurteilung des Gerichtes obliegt). Da unbestrittenermaßen im gegenständlichen Fall außer der unbegrundeten Entlassung vom 8. Mai 1956 eine weitere Lösung des Dienstverhältnisses des Klägers nicht erfolgt sei, bestehe das Dienstverhältnis weiterhin aufrecht. Der Auffassung des Erstgerichtes, daß jede Entlassung eine Kündigung impliziere, könne nicht beigetreten werden. Es binde auch nicht der Bescheid des Invalidenausschusses, da eine Kündigung nicht ausgesprochen worden sei. Eine Zustimmung zur Entlassung sehe das Invalideneinstellungsgesetz nicht vor, sie sei auch nicht erklärt worden. Bindend sei aber das rechtskräftige Feststellungsurteil im Rechtsstreit 7 Cr 163/56, mit dem festgestellt worden sei, daß das Dienstverhältnis des Klägers zur beklagten Partei durch die am 7. Mai 1956 (richtig 8. Mai 1956) erfolgte Entlassung nicht beendet worden sei. Daß der Kläger sich nicht zur Dienstleistung gemeldet habe, könne ihm nicht zum Nachteil gereichen, da die beklagte Partei durch ihre Entlassung unmißverständlich zum Ausdruck gebracht habe, daß sie auf die Dienstleistung des Klägers keinen Wert lege. Im übrigen stehe dem Dienstnehmer kein Recht auf Dienstleistung gegen den Willen des Dienstgebers zu.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Mit seinem Urteil vom 4. Februar 1957 hat das Berufungsgericht im Rechtsstreit 7 Cr 163/56 zwar nicht bindend ausgesprochen, daß das Dienstverhältnis des Klägers zur beklagten Partei fortbestehe, aber doch, daß es durch die Entlassungserklärung vom 7. Mai 1956 (richtig 8. Mai 1956) nicht beendet wurde. An diese Feststellung sind die Parteien und Gerichte gebunden. Dieses Feststellungsurteil ist durch den Bescheid des Invalidenausschusses vom 13. Mai 1957 nicht behoben. Es kann daher in diesem Verfahren unerörtert bleiben, welche Bedeutung der Bescheid des Invalidenausschusses für das gegenständliche Arbeitsverhältnis und welche Wirkung er auf dieses hat, insbesondere ob er eine nachträgliche Genehmigung der Entlassungserklärung vom 7. bzw. 8. Mai 1956, ob er die Genehmigung einer fiktiven Kündigung beinhalte oder ob er einer erst neu auszusprechenden Kündigung zustimmen wollte, ob er die Entlassungserklärung zu einer Kündigung umwandeln und ob er sie überhaupt zu einer wirksamen Erklärung machen konnte. Entscheidend ist, daß er das rechtskräftige Urteil des Berufungsgerichtes über den Fort bestand des Arbeitsverhältnisses ungeachtet der Entlassungserklärung vom 7. Mai 1956 (richtig 8. Mai 1956) nicht beseitigen konnte. Dieses Urteil bindet Parteien und Gericht solange, als es nicht im Wege rechtens, das ist im Wege einer Wiederaufnahmsklage, behoben wird. Ist das Dienstverhältnis durch die Erklärung vom 7. Mai 1956 (richtig 8. Mai 1956) nicht beendet, dann hat der Kläger Anspruch auf Weiterzahlung seiner Bezüge, da andere Erlöschungsgrunde hinsichtlich dieser Ansprüche nicht geltend gemacht werden konnten.
Im Hinblick auf die Rechtskraft des Feststellungsurteiles des Berufungsgerichtes im Rechtsstreit 7 Cr 163/56 steht das Problem der Bindung des Gerichtes an einen Verwaltungsbescheid nicht zur Diskussion, da der Verwaltungsbescheid das Feststellungsurteil nicht berührt, sondern nur eine der tatsächlichen Voraussetzungen für dieses Urteil. Hiemit wird aber nur die Frage aktuell, ob die beklagte Partei auf Grund des Bescheides des Invalidenausschusses eine Wiederaufnahme des arbeitsgerichtlichen Verfahrens hätte anstreben oder erreichen können. Im wiederaufgenommenen Verfahren hätte die Frage der Bindung an den Verwaltungsbescheid Gestalt angenommen. Dort erst wären die Probleme, die die Revision unter dem Gesichtspunkte der Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens aufwirft, zu erörtern, nämlich ob die Verwaltungsbehörde tatsächlich von einem völlig anderen Sachverhalt ausgeht als das Gericht bei seinem Feststellungsurteil und welche Bedeutung dies hat.
Es soll aber dennoch kurz zu der grundsätzlichen Frage Stellung genommen werden, ob die ungerechtfertigte Entlassung eines Dienstnehmers, dem der Schutz des Invalideneinstellungsgesetzes zukommt, als Kündigung wirken kann. Diese Frage hat der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung ArbSlg. 5318 eindeutig verneint. Eine Entlassungserklärung ist keine Aufkündigung eines Vertragsverhältnisses. Die Kündigung ist eine im Vertrage vorgesehene Endigungsart. Die Entlassung bringt ebenso wie der Austritt das Vertragsverhältnis jäh zum Ende, außer in den Fällen, in denen durch besondere Schutzbestimmungen diese Rechtsfolge ausgeschlossen wird. Das Invalideneinstellungsgesetz sieht eine Zustimmung des Invalidenausschusses nur zur vertragsmäßigen Lösung des Dienstverhältnisses vor; die begrundete Entlassung wird durch das Invalideneinstellungsgesetz nicht verhindert; einer unbegrundeten Entlassung, die sich rechtlich immer als eine Vertragsverletzung darstellt, kann der Ausschuß nicht zustimmen, da ihm das Recht, Vertragsbrüche zu sanktionieren, nicht zukommt. Dies ist auch der Standpunkt der Entscheidungen ArbSlg. 6239 und ArbSlg. 6248. Den Ausführungen des Berufungsgerichtes in diesem Punkte ist daher völlig zu folgen. Eine Zustimmung des Invalidenausschusses zu einer Kündigung wurde nicht erteilt und konnte nicht erteilt werden, weil eine Kündigung nicht ausgesprochen wurde. Die Zustimmung zur Entlassung mußte wirkungslos bleiben, da sie im Gesetz nicht vorgesehen ist und daher eine unbegrundete Entlassung nicht wirksam machen konnte.
Anmerkung
Z31100Schlagworte
Entlassung unbegrundete, keine Zustimmung des Invalidenausschusses, Grundlose Entlassung, keine Zustimmung des Invalidenausschusses, Invalidenausschuß, keine Zustimmung zur unbegrundeten Entlassung, Unbegrundete Entlassung, keine Zustimmung des Invalidenausschusses, Vertragsbruch, keine Zustimmung des Invalidenausschusses zur, unbegrundeten Entlassung, Zustimmung des Invalidenausschusses zur Kündigung eines DienstnehmersEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1958:0040OB00079.58.0826.000Dokumentnummer
JJT_19580826_OGH0002_0040OB00079_5800000_000